Es wird ernst beim weltweiten Synodalen Prozess. Heute wurde im Vatikan das Arbeitspapier für die erste Synodalversammlung im Vatikan im Oktober vorgestellt. Viele heiße Eisen werden angepackt, dazu werden grundlegende Strukturfragen gestellt, die zu einer fundamentalen Veränderung der Ekklesiologie führen könnten. Erstmals in dieser Deutlichkeit im Pontifikat von Papst Franziskus wird mehrfach die Frage nach einer Veränderung des Kirchenrechts gestellt, um die notwendigen Veränderungen hin zu einer synodalen Kirche auf allen Ebenen durchzuführen. Das Papier zeigt, dass die meisten der Themen, die im deutschen Synodalen Weg behandelt wurden, nun auch auf weltkirchlicher Ebene diskutiert werden. Während die Katholiken in Deutschland und ihre Bischöfe in der Mehrheit bereits Antworten gefunden haben, stehen sie auf universaler Ebene noch aus. Doch die Intention des Papiers ist eindeutig: die Zeichen stehen auf grundlegende Veränderungen. Denn an vielen Stellen fragt das Papier nicht nach dem „Ob“, sondern nach dem „Wie“.
Vor wenigen Tagen erklärte der erzkonservative US-Kardinal Raymond Burke, dass er jeden Tag bete, dass die Synode nicht stattfinde. Liest man das Instrumentum laboris der anstehenden Synode, wird verständlich, warum er so in Schrecken und Aufruhr ist. In dem rund 70-seitigen Dokument ist von mehr Teilhabe der Laien an den Entscheidungsprozessen in der Kirche die Rede. Als eines der großen Themen wird die Frage nach der Rolle der Frau in der Kirche angeführt. Man will sich mit der „Teilhabe der Frauen an der Leitung, an Entscheidungsprozessen, Sendung und Ämtern auf allen Ebenen der Kirche“ beschäftigen. Das Frauendiakonat noch einmal zu prüfen, wird eigens erwähnt, das Frauenpriestertum nicht. Dafür wird die Frage gestellt, welche „neuen Ämtern könnten geschaffen werden, um Mittel und Möglichkeiten für eine effektive Teilhabe von Frauen an der Unterscheidung und in Entscheidungsgremien bereitzustellen“.
An anderer Stelle wird die Frage gestellt, ob es möglich sei, dass Laien Leitungsrollen in Gemeinden übernehmen, und „ob die Regeln für den Zugang zum Priesteramt für verheiratete Männer zumindest in einigen Bereichen überarbeitet werden können“. Auch will man in Folge von Amoris laetitia noch einmal an das Thema ran, wie man auf Menschen zugehen kann, „die sich aufgrund ihrer Affektivität und Sexualität von der Kirche ausgeschlossen fühlen“. Hier werden eigens wiederverheiratete Geschiedene, Menschen in polygamen Ehen und LGBTQ+ genannt. An mehreren Stellen wird das Thema Missbrauch angesprochen – im sexuellen, geistlichen, finanziellen Bereich, Macht- und Gewissensmissbrauch. Dabei geht es zum einen um die Frage, welche konkrete Schritte unternommen werden können, damit den Betroffenen Gerechtigkeit widerfahren kann. Dabei wird erstmals in einem vatikanischen Dokument gefragt, ob die „Verantwortlichkeiten für den Umgang mit Missbrauchsfällen auf individueller oder systemischer Ebene“ liegen?
Grundlegend in die Ekklesiologie der Kirche greift das Papier an den Stellen ein, wo es etwa um die Frage nach einer möglichen Rechenschaftspflicht für Bischöfe geht, um eine Dezentralisierung von Lehrentscheidungen. Die Frage wird gestellt, welche lehramtliche Gewalt Bischofskonferenzen oder Kontinentalversammlungen haben könnten, und was es für das Amt des Bischofs von Rom bedeute, „wenn die örtlichen Instanzen untereinander abweichende Ausrichtungen vertreten“. Konkret geht es um die Frage, „welcher Spielraum existiert für eine Vielfalt von Ausrichtungen unter den verschiedenen Regionen“? Dabei stehen die Diskussionen vor der Herausforderung zu klären, „wie kann das Hinhören auf das Volk Gottes bei der Durchführung von Entscheidungsprozessen in der Kirche auf allen Ebenen ihres Lebens zur gängigen Form werden“?
Am Ende des Prozesses könnte eine andere katholische Kirche stehen. Auch das Papstamt wird dadurch verändert. Die Mehrheit der Katholikinnen und Katholiken in Deutschland wird mit dem Papier gut leben können, auch die Mehrheit der deutschen Bischöfe. Die haben es bei ihrer jüngsten Sitzung des Ständigen Rats nicht geschafft, die Finanzierung für den Synodalen Ausschuss zu beschließen. Vier Bischöfe – Eichstätt, Passau, Regensburg, Köln – haben eine Finanzierung durch die Bischofskonferenz verhindert, weil die Einrichtung gegen die klare Weisung Roms stehe. Nun müssen die übrigen Bischöfe nach einer anderen Lösung suchen. Die vier Verweigerer gaben an, auf die Entwicklung der Weltsynode schauen zu wollen und nach deren Ende nach neuen Organisationsformen in Deutschland schauen zu wollen. Dass das Vorhaben des Synodalen Ausschusses durch das heutige Papier durchaus Rückenwind erfährt, ficht sie nicht an.
Title: Auf dem Weg zu einer anderen Kirche?
URL: https://blog.zdf.de/papstgefluester/2023/06/20/auf-dem-weg-zu-einer-anderen-kirche/
Source: Papstgeflüster – Das Vatikan-Blog
Source URL: https://blog.zdf.de/papstgefluester
Date: June 20, 2023 at 10:12PM
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