„Über Jahrzehnte angenähert“ / Apostel Ulrich Hykes stellt die „Apostolische Gemeinschaft“ vor

Die Katholische Nachrichten-Agentur hat sich von Apostel Ulrich Hykes, der in der Kirchenleitung der Gemeinschaft für das Thema Ökumene zuständig ist, erklären lassen, um wen es sich bei der "Apostolischen Gemeinschaft" handelt.

KNA: Apostel Hykes, wer oder was ist denn die Apostolische Gemeinschaft?

Ulrich Hykes (Apostel der Apostolischen Gemeinschaft und Teil der Kirchenleitung im Bereich Ökumene): Die Apostolische Gemeinschaft ist eine Glaubensgemeinschaft. Wir verstehen uns als Gemeinschaft, nicht als Kirche. Wir gehören zu dem großen Kreis der evangelischen Freikirchen und sind auch Mitglied in der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF). Wir sind entstanden aus der Erweckungsbewegung im England des 19. Jahrhunderts. Damals entwickelten sich Kirchen wie die Methodisten oder die Heilsarmee, aber eben auch Apostolische Kirchen, aus denen wir dann hervorgegangen sind.

"Von der Neuapostolischen Kirche haben wir uns 1955 getrennt. Auslöser war, dass in der NAK damals ein Dogma galt"

KNA: Worin unterscheiden Sie sich von der Neuapostolischen Kirche (NAK)?

Hykes: Von der Neuapostolischen Kirche haben wir uns 1955 getrennt. Auslöser war, dass in der NAK damals ein Dogma galt: Ende 1951 hatte Stammapostel Bischoff verkündet, dass Jesus Christus wiederkommen würde, bevor er sterben werde. Das haben die Gründer der Apostolischen Gemeinschaft nicht geglaubt – Jesus selbst sagt schließlich, dass niemand die Stunde kenne, zu der er wiederkommen werde. Das weiß nur der Vater im Himmel. Tatsächlich ist Stammapostel Bischoff dann ja auch irgendwann gestorben, und Jesus Christus ist bis heute nicht wiedergekehrt.

KNA: Gibt es noch weitere Unterschiede?

Hykes: In der Neuapostolischen Kirche wird man getauft und bleibt Mitglied, bis man stirbt oder austritt. Bei uns ist nur Mitglied, wer sich aktiv am Gemeindeleben beteiligt. Das ist sogar in unserer Satzung so festgehalten: Die Mitgliedschaft erlischt, wenn jemand nicht mehr am Gemeindeleben in der Gemeinde teilnimmt. Kommt er wieder hinzu, geht es weiter. Wenn wir heute davon sprechen, dass wir 2300 Mitglieder haben, dann sind das die Menschen, die in den örtlichen Gemeinden dann auch zu Gottesdiensten und Veranstaltungen erscheinen.

KNA: Das heißt, Karteileichen haben Sie nicht?

Hykes: Wir haben schon eine Menge Menschen, deren Mitgliedschaft ruht. Die Zahl derer, die wir beerdigen müssen, wird wahrscheinlich größer sein, als die Zahl derjenigen, die derzeit unsere Mitglieder sind. Was uns von den großen Kirchen übrigens auch unterscheidet, ist das Amts- und Sakramentsverständnis. Wir sind als Freikirche ja eine Gemeinschaft, die sich auf den Glauben und auf das Bekenntnis der Gläubigen zu Jesus Christus und die freiwillige Nachfolge bezieht. Und dementsprechend sind auch unsere Schwerpunkte in der Lehre so, dass sie dann wirksam werden, wenn sie von den Mitgliedern unserer Gemeinschaft gläubig angenommen werden.

"Ein Sakrament ist bei uns das sichtbare Zeichen des unsichtbaren Handelns Gottes. Es bekommt für die Gläubigen dann Wirksamkeit, wenn sie es im Glauben annehmen"

KNA: Was heißt das zum Beispiel für die Sakramente?

Hykes: Ein Sakrament ist bei uns das sichtbare Zeichen des unsichtbaren Handelns Gottes. Und dieses Sakrament bekommt für die Gläubigen dann Wirksamkeit, wenn sie es im Glauben annehmen. Es geschieht durch den Glauben, nicht durch das Sakrament als solches. Das ist in der Neuapostolischen Kirche sicherlich anders: Dort hängt man eher der katholischen Lehre an, wonach das Sakrament bereits als Sakrament an sich heilswirksam ist.

Da zeigt sich der freikirchliche Charakter, den wir haben, und das zieht sich bei uns durch – auch durch das Amtsverständnis: Wir ordinieren auch unsere Mitarbeiter, aber wir bestätigen mit der Ordination nur eine Berufung, die durch Jesus Christus vorher bereits geschehen ist. Die Ordination ist sozusagen die Manifestation dieser Berufung. Und es ist nicht, wie zum Beispiel in der Neuapostolischen Kirche, die Übertragung einer geistlichen Vollmacht.

KNA: Ist für die Ordination in Ihrer Gemeinschaft eine theologische Ausbildung erforderlich?

Hykes: Die theologische Ausbildung ist wünschenswert, aber nicht erforderlich. Das heißt, wir haben sogar überwiegend Laienprediger, die aber durchaus Ausbildungen absolviert haben. Wir haben kein eigenes Bildungswerk. Wer eine Ausbildung machen möchte, den vermitteln wir an andere Freikirchen oder an die Prädikantenausbildungen der Landeskirchen.

KNA: Die Neuapostolische Kirche lässt es auch zu, dass Menschen nach ihrem Tod getauft werden. Wie ist das bei Ihnen?

Hykes: Wenn die Taufe die gläubige Antwort von uns Menschen auf das ist, was Gott tut, geht das natürlich nicht. Dann können wir gar kein Entschlafenenwesen haben, wie es die Neuapostolische Kirche hat. Das haben wir deswegen nicht.

KNA: Gibt es bei Ihnen die Versiegelung als Sakrament?

Hykes: Ja, die Versiegelung gibt es. Aber sie hat eher den Charakter einer Firmung, wie man sie in der katholischen Kirche kennt, oder einer Konfirmation in der evangelischen Kirche. Die Versiegelung ist in unserer Gemeinschaft das persönliche Bekenntnis des Menschen: Er stellt sich damit unter die Führung des Heiligen Geistes stellt und bejaht und bestätigt das biblische Wort "Ihr seit versiegelt, als Ihr gläubig wurdet" (Eph. 1:13) in seinem Leben.

"Wir gehen davon aus, dass die Präsenz von Jesus Christus in der Gemeinde erfolgt. Wir wollen uns dabei nicht festlegen, in welcher Form er da ist – ob er in Personam dort ist, oder in jedem Menschen einzeln"

KNA: Bleiben wir noch etwas bei den Sakramenten. Wie ist es mit dem Abendmahl oder der Eucharistie bei Ihnen? Wie oft feiern Sie das? Wer ist zugelassen?

Hykes: Das Abendmahl feiern wir regelmäßig in jedem Gottesdienst. Im Abendmahl werden wir daran erinnert, dass Jesus Christus für uns gestorben ist und uns unsere Schuld vergeben hat. Für uns steht diese Feier für eine Annahme des Heilshandeln Gottes, für das wir danken. Und wenn man an die katholische Eucharistie denkt: Bei uns findet keine Wandlung statt. Wir gehen davon aus, dass die Präsenz von Jesus Christus in der Gemeinde erfolgt, nach den Worten: "Wo sich zwei oder drei versammeln, werde ich mitten unter ihnen sein." Wir wollen uns dabei nicht festlegen, in welcher Form er da ist – ob er in Personam dort ist, oder in jedem Menschen einzeln.

KNA: Muss das Abendmahl bei Ihnen von einem ordinierten Geistlichen eingesetzt werden?

Hykes: Das Abendmahl wird von einem ordinierten Geistlichen eingesetzt, oder von einem Mitarbeiter, der nicht ordiniert, aber für diesen Dienst berufen ist. Das hat jetzt keine theologischen Hintergründe: In der Abendmahlsfeier repräsentieren wir ein Teil unseres Selbstverständnisses, und das wollen wir nicht der Beliebigkeit überlassen. Bei uns muss niemand in irgendeiner Sukzession stehen, um das Abendmahl zu feiern: Für uns ist das vielmehr ein würdiger Anlass, der, damit er würdig bleibt, von dazu bestimmten Personen durchgeführt werden soll.

KNA: Können Gläubige anderer Konfessionen bei Ihnen am Abendmahl teilnehmen?

Hykes: Jawohl, das können sie. Wir sagen, dass das Liebesgebot Jesu Christi und seine Gnade für uns Menschen höher zu bewerten sind als eine Kirchenzugehörigkeit und sogar eine Taufe. Jeder, der bei uns ist, sich angesprochen fühlt und an dieser Gemeinschaft mit Jesus Christus teilhaben will, darf das auch tun.

"Unsere Gemeinden fingen an, in der Evangelischen Allianz mitzuarbeiten und mit den Gemeinden im Stadtteil Ökumene zu betreiben. Man hat sich kennen- und auch schätzen gelernt"

KNA: Wie hat sich die Annäherung der Apostolischen Gemeinschaft an die Ökumene vollzogen? Was war der Ausgangspunkt?

Hykes: Das liegt natürlich schon weiter zurück. Es war Mitte der 80er Jahre. Wir haben ja eben über die Differenzierung von der Neuapostolischen Kirche gesprochen, und warum Gläubige da ausgetreten sind. Wenn man gerade erst frisch irgendwo ausgetreten ist, hat man natürlich noch keine eigene Theologie. Unser theologisches Verständnis, wie wir es heute haben, ist in den 70er und 80er Jahren entstanden und gewachsen und hat die Gemeinschaft verändert. 

Und dann war es natürlich so, dass es gar keinen Grund mehr gab, nicht den Kontakt zu christlichen Nachbargemeinden in den Städten zu suchen. Unsere Gemeinden fingen an, in der Evangelischen Allianz mitzuarbeiten und mit den Gemeinden im Stadtteil Ökumene zu betreiben. Man hat sich kennen- und auch schätzen gelernt. Und dann stand natürlich die Frage im Raum, als die ersten Gemeinden in den ACKs der Städte Mitglied waren – warum soll man als Gemeinschaft nicht auch in den regionalen und überregionalen ACKs Mitglied werden? 

So kamen wir dann auch in die Bundes-ACK, wo wir zunächst zehn Jahre Gastmitglied waren, und nun zum Vollmitglied geworden sind.

"Wenn alle Kirchen gemeinsam auftreten, ist es für Menschen, die suchend sind, viel leichter, über die Schwelle zu treten und mit einer Kirche in Kontakt zu kommen"

KNA: Was bedeutet denn Ökumene für Sie?

Hykes: Der Leib Christi ist ja mehr als nur eine Konfession: Am Ende sollen wir ein Leib, eine Gemeinde und eine Gemeinschaft sein. Aber warum sollen wir uns das eigentlich für den Schluss aufbewahren? Es ist im Alltag doch immer wieder eine Freude, als Christen gemeinsam aufzutreten. Wenn alle Kirchen gemeinsam auftreten, ist es für Menschen, die suchend sind, viel leichter, über die Schwelle zu treten und mit einer Kirche in Kontakt zu kommen. Und da wollen wir uns einreihen. 

Und wenn man heute schaut, dann ist es eigentlich so, dass jeder der Jesus Christus finden will, in der ökumenischen Vielfalt bestimmt eine Form findet, die seinem Frömmigkeitsstil entspricht, in der er sich wohlfühlt und in der er Jesus Christus finden kann.

KNA: Was sind Ihre großen Herausforderungen, vor denen Sie als Gemeinschaft stehen?

Hykes: Die größte Herausforderung ist natürlich der Rückgang der Gläubigen in den Gemeinden, also der Mitgliederrückgang. Dadurch, dass wir natürlich ja sehr stark ehrenamtlich strukturiert sind, trifft uns das besonders stark. Wir müssen deswegen auch überlegen, ob wir das Ehrenamt durch festangestellte Mitarbeiter ersetzen, weil natürlich die Ehrenamtlichen neben ihrer Berufstätigkeit ansonsten auch noch für die Kirche im Predigtdienst oder in der Seelsorge tätig sein müssen.

KNA: Wie gehen Sie denn auf neue Mitglieder zu?

Hykes: Das hängt natürlich wieder ganz von den Gemeinden ab: Ich würde lügen, wenn ich sage, dass jede Gemeinde missionarisch aktiv wäre. Es gibt sicherlich auch viele Gemeinden, die sagen, dass die Zukunft der Kirche die eigenen Kinder und Enkelkinder sind. Es gibt aber auch Gemeinden, die in ihrem Stadtteil aktiv sind, die an Veranstaltungen wie "Pro Christ" teilnehmen, und versuchen, mit Menschen von außerhalb in Kontakt zu kommen.

KNA: Bringen Sie sich denn diakonisch oder caritativ in Ihre Umgebung ein?

Hykes: Nein. Weil wir eine so kleine Kirche sind, können wir das nicht leisten. Wir achten auf die eigenen Mitglieder, wenn sie in Not geraten – aber ein eigenes Diakoniewerk haben wir nicht. Wir haben einen karitativen Hilfsfonds, der jährlich durch ein Sonderopfer zu Erntedank aufgefüllt wird, aus dem wir jeweils zu gleichen Teilen karitative Organisationen unterstützen, zu denen unsere Gemeinden nähere Beziehungen haben, und Hilfen für akute Notfälle bereitstellen: zum Beispiel gerade das Erdbeben in Myanmar.

KNA: Und was wünschen Sie sich von der Ökumene in Deutschland?

Hykes: Ich würde mir wünschen, dass es künftig bei öffentlichen Auftritten der großen Kirchen nicht so ist, dass ein Vertreter der EKD, ein Vertreter der Bischofskonferenz und ein Vertreter der Ökumene sprechen. Denn EKD und katholische Kirche gehören auch zur Ökumene. Da wollen wir als kleine Kirchen stärker wahrgenommen werden. Und dann wünschen wir uns aber auch, dass das gute Verhältnis zwischen den Kirchen in der ACK erhalten bleibt, egal, in welche Schwierigkeiten wir in unserer gesellschaftlichen Entwicklung kommen. Und dass wir als Christen in diesem Land wieder deutlich sichtbarer werden.


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Date: April 12, 2025 at 10:47AM
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