MÜNCHEN. Der Siegeszug von KI ist nicht mehr aufzuhalten. Längst erobern die Systeme im Alltag immer mehr Bereiche. Eine in Bayern erhobene Studie zeigt nun, dass Schulen darauf noch nicht vorbereitet zu sein scheinen. Die Umfrage-Ergebnisse werfen allerdings die Frage auf, ob Lehrkräfte überhaupt mit der gesellschaftlichen Entwicklung Schritt halten wollen: Der Einsatz digitaler Medien im Unterricht ist danach sogar gegenüber 2019 (also noch vor der Pandemie) deutlich zurückgegangen.
Die große Mehrheit von Lehrkräften kennt sich nach eigenen Angaben nicht gut mit Künstlicher Intelligenz (KI) für den Unterricht aus. Dies geht aus einer (für Bayern) repräsentativen Studie der Ludwig-Maximilians-Universität München hervor. Im Auftrag der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) waren mehr als 1.500 Lehrer, Schüler und Eltern im Freistaat für die Auswertung befragt worden.
Demnach stuften nur 16 Prozent der Lehrkräfte an weiterführenden Schulen und sogar nur 6 Prozent ihrer Kolleginnen und Kollegen an den Grundschulen ihre KI-Kompetenzen als hoch oder eher hoch ein. Mehr noch: 46 Prozent der Lehrkräfte an weiterführenden Schulen und 49 Prozent an den Grundschulen erklärten gar, dass sie keine oder kaum Fähigkeiten für den Umgang mit KI besitzen.
Mehrheit der Lehrer erkennt in Künstlicher Intelligenz keinen Nutzen für den Unterricht
«Während einige Lehrkräfte an weiterführenden Schulen das Potenzial von KI insbesondere bei der Vorbereitung des Unterrichts und der Erstellung von Arbeitsaufgaben erkennen, sehen viele keinen Mehrwert oder sind unschlüssig bezüglich eines praktischen Nutzens», heißt es weiter in der 169-seitigen Studie. Grundschullehrer sehen den KI-Einsatz dabei noch skeptischer als ihre Kollegen an den weiterführenden Schulen. «Vor dem Hintergrund der vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von KI für den Bildungsbereich könnte es sein, dass diese von den Lehrkräften derzeit noch unterschätzt werden», mutmaßen die Autorinnen und Autoren der Studie
Sie kommen daher zu dem Schluss, dass die nur wenig ausgeprägten KI-Kenntnisse zum einen «auf einen Bedarf an Fortbildung» hindeuten – zum anderen dürfte die Unsicherheit «ein entscheidender Faktor dafür sein, dass die tatsächliche Nutzung von KI im Unterricht bisher noch gering bleibt».
Im Wortlaut: «Die Untersuchung der Chancen und Herausforderungen von KI verdeutlicht (..), dass Lehrkräfte beider Schularten sowohl Potenziale sehen als auch erhebliche Bedenken haben. Einige Lehrkräfte erkennen die Möglichkeit, durch KI den Unterricht abwechslungsreicher und effizienter zu gestalten sowie Unterstützung bei der individuellen Förderung von Schülerinnen und Schülern zu erhalten. Gleichzeitig bestehen jedoch erhebliche Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen auf die Allgemeinbildung, Kreativität und Selbstständigkeit der Schülerinnen und Schüler sowie Datenschutz- und Sicherheitsbedenken, die sich unter anderem auf die Speicherung von Daten und Serverstandorte beziehen. Schließlich werfen aufkommende Kosten und steigender Bedarf an speziell geschultem Personal für die Lehrkräfte insgesamt Fragen zur praktischen Anwendbarkeit von KI-Technologien auf. Insgesamt ergibt sich dabei das Bild, dass Lehrkräfte an bayerischen Schulen bisher mehr Herausforderungen und Probleme benennen, die sie durch KI-Anwendungen auf sich und die Gesellschaft zukommen sehen, denn Chancen und Potenziale, die dadurch für das schulische Lehren und Lernen entstehen können. Der Gesamteindruck aus der Befragung der Lehrkräfte zu Chancen und Herausforderungen von KI für das schulische Lernen deutet auf eine geringe Kenntnis der Möglichkeiten hin, die KI-Anwendungen bieten können.“ Nämlich? «Das individuelle Lernen, etwa im Dialog mit KI-gestützten tutoriellen Systemen, auf eine neue Stufe zu heben.»
«Wir müssen unseren Kindern und Jugendlichen frühzeitig den kontrollierten und selbstgesteuerten Umgang mit digitalen und KI-gestützten Anwendungen vermitteln»
Unter den Schülerinnen und Schülern gibt es laut Studie dagegen ein anderes Bild: Nur 11 Prozent der Befragten an den weiterführenden Schulen gaben an, keine KI-Systeme zu kennen. Dagegen ist ChatGPT in den weiterführenden Schulen den meisten Schülerinnen und Schülern bekannt. Darüber hinaus nennen Schülerinnen und Schüler Sprachassistenten als Beispiele für KI. Bei den Grundschülern haben dagegen die Allermeisten noch keinen Bezug zu KI-Anwendungen. Nur wenigen ist beispielsweise ChatGPT bereits ein Begriff.
«Wir müssen unseren Kindern und Jugendlichen frühzeitig den kontrollierten und selbstgesteuerten Umgang mit digitalen und KI-gestützten Anwendungen vermitteln», sagt vbw Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. Gleichzeitig könne KI dabei helfen, den Unterricht durch personalisiertes Feedback und individualisierte Übungsmöglichkeiten für die Schülerinnen und Schüler noch differenzierter zu gestalten. «Wenn wir die Chancen von digitalen Medien und digitaler Bildung gewinnbringend nutzen, verbessern wir die Lehr- und Lernprozesse und damit langfristig die Bildungsqualität im Freistaat.»
Allerdings scheint die Skepsis gegenüber dem Einsatz von digitalen Medien im Unterricht auf Seiten der Lehrkräfte generell zu wachsen. Hinsichtlich der Quantität des Medieneinsatzes wurden die Lehrkräfte dazu befragt, wie hoch jeweils der Anteil ihres Unterrichts ist, der mit und ohne digitale Medien gestaltet ist. Die Ergebnisse zeigen, dass der Anteil des Unterrichts an bayerischen Grundschulen, der ohne digitale Medien durchgeführt wird, 90 Prozent beträgt, mit digitalen Medien werden nach Angaben der Befragten nur zehn Prozent des Unterrichts gestaltet. «Diese Zahlen deuten auf einen starken Rückgang des Einsatzes digitaler Medien im Grundschulunterricht seit der Befragung aus dem Jahr 2019 hin. In dieser wurden nach Angaben der befragten Lehrkräfte noch in 49 Prozent des Unterrichts digitale Medien genutzt, während 51 Prozent ohne digitale Medien stattfanden.»
Ein ähnliches Bild bei den weiterführenden Schulen. In der Befragung aus dem Jahr 2017 wurden nach Angaben der befragten Lehrkräfte in 42 Prozent des Unterrichts digitale Medien eingesetzt, während 58 Prozent des Unterrichts ohne diese Technologien stattfanden. Im Jahr 2019 hatte sich der Anteil des Einsatzes digitaler Medien aus Sicht der befragten Lehrkräfte auf 53 Prozent erhöht, mit dementsprechend 47 Prozent ohne digitale Medien. «In den aktuellen Befragungsergebnissen ist dagegen ein starker Rückgang zu verzeichnen: Der Anteil des Unterrichts, der mit digitalen Medien gestaltet wird, beträgt nach Angaben der befragten Lehrkräfte weiterführender Schulen nurmehr 30 Prozent, während 70 Prozent des Unterrichts ohne digitale Medien gehalten werden.»
«Womöglich ziehen die Schulen nach den Erfahrungen der Pandemie-Zeit erst einmal Bilanz»
Über die Gründe spekulieren die Autorinnen und Autoren: «Womöglich ziehen die Schulen nach den Erfahrungen der Pandemie-Zeit erst einmal Bilanz und überprüfen, an welche Errungenschaften und Erfahrungen im Bereich des digitalen Unterrichtens während der Pandemie in der Phase des „neuen Präsenzunterrichts“ nun angeschlossen werden kann und an welche nicht. Manche davon dürften sich bewährt haben, manche nicht, und manche könnten sich aus Sicht der Schulen gegebenenfalls nur für ein „Remote Learning“ eignen, nicht aber für den mediengestützten Unterricht im Klassenzimmer.»
Allerdings sei nicht auszuschließen, dass es auch «Backlash»-Effekte geben könnte – «etwa durch eine Ermüdung der Lehrkräfte oder lediglich durch die Erleichterung, nun endlich wieder gemeinsam mit ihren Schülerinnen und Schülern im Klassenzimmer zu stehen.» News4teachers / mit Material der dpa
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Title: Backlash? Lehrkräfte setzen digitale Medien im Unterricht deutlich seltener ein – und sind skeptisch gegenüber KI
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Date: December 6, 2024 at 06:13AM
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