Berufsethos: Bildungsforscher Zierer verlangt Lehrkäften einen „Sokratischen Eid“ ab

Berufsethos: Bildungsforscher Zierer verlangt Lehrkäften einen „Sokratischen Eid“ ab

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AUGSBURG. Der Bildungsforscher Prof. Klaus Zierer, Ordinarius für Schulpädagogik an der Universität Augsburg, hat die Forderung gestellt, Lehrkräfte sollten (vor sich selbst) einen „Sokratischen Eid ablegen. In seinem jüngsten gleichnamigen Buch erneuert er die frühere Idee des Reformpädagogen Hartmut von Hentig – ein mehrseitiges Bekenntnis, das mit den Worten beginnt: „Als Lehrperson verpflichte ich mich, all mein Fühlen, Denken und Handeln im Beruf auf das Wohl der mir anvertrauten Kinder hin auszurichten.Im „Spiegel“ begründet Zierer seine Forderung.

Klaus Zierer war Grundschullehrer – und ist heute einer der renommiertesten Bildungsforscher in Deutschland. Foto: privat

Drei Seiten umfasst der „Sokratische Eid, den Lehrkräfte ablegen sollen – wenn es nach dem Bildungsforscher Prof. Klaus Zierer (selbst ehemaliger Grundschullehrer) geht. Darin enthalten: Selbstverpflichtungen gegenüber Schülerinnen und Schülern („kein Kind zurückzulassen oder abzuschreiben, egal welche Gründe gegeben sind“), Eltern, der Gesellschaft, der Bildungsöffentlichkeit, den Kolleginnen und Kollegen („die tagtäglich gemachten Fehler zu teilen und gemeinsam zu reflektieren“) – sowie sich selbst gegenüber: „regelmäßig meine Berufshaltungen zu reflektieren“.

So sollte es sein“, antwortet Zierer auf die Frage, ob das nicht Selbstverständlichkeiten seien. „Aber wenn man in die Schulen schaut, muss man feststellen, dass viele Punkte, die eine grundsätzliche Haltung zum Lehrberuf beschreiben, nicht selbstverständlich sind: Da wird bei Problemen häufig weggeschaut. Lehrer schreiben im Unterricht WhatsApp-Nachrichten oder kommen ständig zu spät. Der Eid soll dazu beitragen, dass sich Lehrkräfte auf ihre Kernaufgaben und eine respektvolle Haltung gegenüber Kindern besinnen.“

„Wir haben auch im bestehenden System sehr wohl Möglichkeiten, Dinge zu verändern“

Zu den Arbeitsbedingungen von Lehrkräften meint der Bildungsforscher: „Es gibt dieses Totschlagargument: Ich habe zu wenig Zeit, zu wenig Geld, und die Klassen sind zu groß. Deshalb kann ich es nicht besser machen. Dahinter steckt eine bestimmte Haltung, der ich nicht noch weiteren Rückenwind verleihen möchte. Wir haben auch im bestehenden System sehr wohl Möglichkeiten, Dinge zu verändern. In der Pandemie haben viele Schulen unter widrigsten Bedingungen – schlechte Technik, Coronaauflagen usw. – sehr guten Unterricht gemacht, und viele Lehrpersonen haben engagiert Kontakt zu Kindern gehalten.“

Zierer betont: Lehrkräfte müssten keine Heiligen sein. „Man muss nicht jeden Tag alle Punkte des Eides erfüllen, aber man sollte das Bestreben haben, dies zu tun. Darauf kommt es an.“

Im Vorwort seines Buches schreibt er über den Lehrerberuf: „Dessen Erfolg hängt entscheidend von der Professionalität des Einzelnen ab. So richtig es daher ist, dass eine Selbstverpflichtung alleine nichts bewirken kann, so richtig ist auch: ohne diese Selbstverpflichtung verpufft nahezu alles, was im Schulsystem an Innovationen möglich ist. Ob es die Reduzierung der Klassengröße von 30 auf 20 Lernende, die millionenschere Förderung der Digitalisierung, die Einführung eines neuen Lehrplanes oder die Veränderung des mehrgliedrigen Schulsystems ist, immer bleibt der Erfolg dieser Maßnahmen aus, wenn die Lehrpersonen nicht dahinter stehen. Strukturen schaffen und Menschen stärken, ist daher einer der wichtigsten Ergebnisse der empirischen Bildungsforschung. Denn es sind die Menschen, die das Schulsystem zum Leben erwecken. Erfolgreiches Lehrerhandeln ist eine Frage der Haltung, wie sie in Form eines Berufseides fixiert werden kann.“ News4teachers

Hier geht es zu einer Lesesprobe aus Zierers Buch, die den vollständigen „Sokratischen Eid“ enthält.

Bildungsforscher Zierer: Fernunterricht kann gelingen – mit der richtigen Pädagogik

 

via News4teachers

August 30, 2022 at 11:14AM