BERLIN. Chancengerechtigkeit ist in Deutschland ein immer noch unerreichtes Ziel. Eine neue Analyse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zeigt nun, dass bereits zu Schulbeginn die Kompetenzen der Schüler*innen stark von ihrem familiären Hintergrund abhängen – deutlich stärker als in anderen Ländern. Die Lösung des Problems sieht das Institut im frühkindlichen Bildungsbereich.

Die Sprach- und Mathekompetenzen von Schulanfänger*innen in Deutschland hängen stärker von der sozialen Herkunft ab als in anderen Ländern. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) unter anderem in Kooperation mit der Universität Leipzig.
Für die Analyse haben die Forschenden repräsentative Datensätze aus Deutschland, Frankreich, dem Vereinigten Königreich, den Niederlanden (am Beispiel der Stadt Rotterdam), den USA und Japan ausgewertet und verglichen. Es zeigt sich: Bei sprachlichen Fähigkeiten gibt es nirgends eine stärkere Korrelation mit dem familiären Hintergrund als in Deutschland. Mathekompetenzen sind nur in den USA ähnlich ungleich wie in Deutschland. „Kinder aus Familien mit geringen Einkommen und geringerer elterlicher Bildung starten in Deutschland mit größeren Bildungsnachteilen in die Schule als in vielen anderen Ländern“, so Studienautor Jascha Dräger, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) im DIW Berlin. „Dies liegt unter anderem daran, dass frühkindliche Bildungsangebote hierzulande nicht flächendeckend und kostenfrei zur Verfügung stehen.“
Elterliche Bildung entscheidender als Haushaltseinkommen
Die Studie zeigt im Detail, dass in Deutschland 19,5 Prozent der Unterschiede in sprachlichen Kompetenzen zu Schulbeginn mit dem familiären Hintergrund erklärt werden können – ein Wert, der deutlich über dem anderer Länder liegt. In Frankreich (6,8 Prozent) und Japan (4,6 Prozent) ist dieser Einfluss am geringsten. Auch die Mathematikkompetenzen sind in Deutschland im Vergleich zu den meisten anderen Ländern offenbar stärker an die soziale Herkunft gekoppelt. Lediglich in den USA ist eine ähnlich hohe Ungleichheit zu beobachten. Während Haushaltseinkommen und elterliche Bildung in diesen beiden Ländern etwa 14 Prozent der Unterschiede erklären, sind es im Vereinigten Königreich nur 8,7 Prozent, in Frankreich 7,4 Prozent und in Japan 7,1 Prozent.
Die Forschenden haben zudem herausgefunden, dass insbesondere die elterliche Bildung mit den Kompetenzen der Schulanfänger*innen im Zusammenhang steht – noch mehr als das Haushaltseinkommen. „Das Haushaltseinkommen allein erklärt 12,5 Prozent, die elterliche Bildung allein 16,9 Prozent, beide zusammen 19,5 Prozent der Unterschiede in der sprachlichen Kompetenz in Deutschland“, heißt es in der Auswertung. Der stärkere Einfluss der elterlichen Bildung lasse sich auch in den anderen Ländern – und ähnlich bei den Mathematikkompetenzen beobachten. Diese Ergebnisse führen die Wissenschaftler zu dem Schluss, „dass eine höhere elterliche Bildung wichtiger für kindliche Kompetenzen ist als höheres Einkommen. Dies wiederum legt nahe, dass sich Unterschiede in kindlichen Kompetenzen nicht nur auf unterschiedliche materielle Ausstattung zurückführen lassen, sondern auch auf innerfamiliäre Anregung und Förderung.“
Ein weiteres Ergebnis: Deutschland schneidet im Ländervergleich selbst dann schlecht ab, wenn die Forscher die demografische Zusammensetzung der Schüler*innen berücksichtigen. Um dies zu überprüfen, ergänzten die Forscher die Modelle zu den Sprachkompetenzen um Informationen, „ob Familien zugewandert sind, ob zuhause die Unterrichtsprache gesprochen wird und ob Kinder in einem Haushalt mit einem oder zwei Elternteilen aufwachsen“. Die Unterschiede zwischen den Ländern fallen bei diesem Vorgehen zwar kleiner aus, der Zusammenhang zwischen den sprachlichen Kompetenzen der Schüler*innen und der sozialen Herkunft ist in Deutschland aber weiterhin stärker als in den Vergleichsländern.
Gebührenfreie und hochwertige frühkindliche Bildung gefordert
Geringere Kompetenzen bei der Einschulung wirken sich nicht nur auf die Schulkarriere aus, die Folge können auch schlechtere Berufschancen und damit geringere Einkommen sein. „Dies unterstreicht die Bedeutung frühkindlicher Bildungsangebote“, erklärt Dräger. „Besonders gebührenfreie und hochwertige Betreuungsangebote sowie eine gezielte Unterstützung sozial benachteiligter Familien beim Kita-Zugang könnten dazu beitragen, die Startchancen für Kinder unabhängig von ihrem familiären Hintergrund zu verbessern.“ In Frankreich beispielsweise, wo der Einfluss der sozialen Herkunft deutlich geringer ist, gibt es ein umfassendes und gut ausgebautes System kostenloser frühkindlicher Betreuung. News4teachers
Der Beitrag Bildungsgerechtigkeit? Fehlanzeige! Deutschland im Ländervergleich Schlusslicht erschien zuerst auf News4teachers.
Title: Bildungsgerechtigkeit? Fehlanzeige! Deutschland im Ländervergleich Schlusslicht
URL: https://www.news4teachers.de/2025/04/risikofaktor-elternhaus-deutschland-im-laendervergleich-schlusslicht-bildungsgerechtigkeit-fehlanzeige/
Source: News4teachers
Source URL: https://www.news4teachers.de/
Date: April 22, 2025 at 04:26PM
Feedly Board(s): Schule