KIEL. Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU) verpflichtet die Schulen ihres Bundeslandes für das kommende Schuljahr auf ein neues Rahmenkonzept. „Der Fokus liegt dabei auf der konsequenten Arbeit mit Daten – der datengestützten Schulentwicklung“, erklärte sie. Die GEW zeigt sich nach eigenem Bekunden ratlos. Statt dringend benötigter Unterstützung verordne Prien mehr Tests und zusätzliche Aufgaben. Probleme würden damit nicht gelöst.
Strategische und bildungspolitische Zielsetzungen stünden beim neuen Rahmen im Vordergrund, so betonte Prien. Die systematische Nutzung von Daten durch Schulen und Schulaufsichten sollten stärker vereinheitlicht und besser aufeinander abgestimmt werden. „Wir wollen unsere Schulen in die Lage versetzen, die vorhandenen Daten lösungsorientiert einzusetzen. Ein zielgerichteter Einsatz von Daten im Dreiklang von Schulautonomie, Bilanzierung und Beratung kann entscheidend dazu beitragen, Lehr- und Lernprozesse an den Schulen langfristig zu verbessern“, erklärte sie.
Im vergangenen Schuljahr habe man den Schulen mit der Einführung einer Experimentierklausel neue Freiräume ermöglicht. „Diesen Prozess werden wir nun fortführen und um eine neue Verbindlichkeit ergänzen“, erläuterte die Ministerin. Die Schulen sollten künftig obligatorisch Bilanz ziehen zur Wirksamkeit ihrer Arbeit. „Dabei steht immer im Mittelpunkt, welche Wirkung die einzelnen Maßnahmen auf die Entwicklung der Schülerinnen und Schüler haben“, so Prien.
Gestützt auf die Befunde wissenschaftlicher Untersuchungen wie PISA, TIMSS, IGLU und dem IQB-Bildungstrend gibt das Rahmenkonzept laut Bildungsministerium für das Schuljahr 2024/2025 fünf Ziele vor (im Wortlaut):
- Sicherung basaler Kompetenzen und Erreichung der Mindeststandards
- Sicherstellen des Erreichens der Abschlüsse
- Sicherung des Leistungsniveaus an Gymnasien
- Frühzeitige und verlässliche Diagnostik sonderpädagogischer Förderbedarf
- Sicherung des beruflichen Einstiegs für Geflüchtete und DaZ-Schülerinnen/Schüler
Das Konzept sieht vor, dass die Schulen auf der Basis der fünf Hauptziele aus den ihnen zugehörigen Daten schuleigene Ziele ableiten und sich auf das vor dem Hintergrund ihrer Ausgangssituation Wesentliche konzentrieren. Zur Umsetzung heißt es: „Hierzu werden Zielvereinbarungen getroffen. Dieser Prozess erfolgt zwischen Schulaufsichten und Schulleitungen. An den allgemeinbildenden Schulen werden hierfür die seit dem Schuljahr 2023/24 ausgeweiteten und verbindlichen Datenblatt-Gespräche geführt. Mit dem Datenblatt werden an den allgemeinbildenden Schulen Leistungsergebnisse aus den Vergleichsarbeiten und den zentralen Abschlüssen gemeinsam mit schulischen Rahmendaten für schulaufsichtliches und schulisches Handeln bereitgestellt. In diesen mindestens einmal jährlich stattfindenden Datenblatt-Gesprächen werden in jedem Schuljahr die Zielerreichung gemeinsam bilanziert und weitere Maßnahmen vereinbart.“
„Da das Schülerfeedback somit ein weiteres Instrument darstellt, um Schülerleistungen zu fördern, wird ein systematisches Schülerfeedback ab dem kommenden Schuljahr für alle Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen verbindlich“
Im Dialog zwischen Schulaufsicht und Schulleitung sollten die schulischen Daten unter anderem die Grundlage für die Entscheidung bilden, welche Unterstützungsangebote bereitgestellt werden müssen, um die Kompetenzentwicklung der Schülerinnen und Schüler weiter zu fördern. „Da das Schülerfeedback somit ein weiteres Instrument darstellt, um Schülerleistungen zu fördern, wird ein systematisches Schülerfeedback ab dem kommenden Schuljahr für alle Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen verbindlich. Mit dem Schülerfeedback holen sich Lehrkräfte regelmäßig eine Rückmeldung ein, tauschen sich mit ihrer Lerngruppe darüber aus und lassen die Erkenntnisse in die Unterrichtsgestaltung eingehen.“
Dadurch könne Unterricht im Sinne einer datengestützten Entwicklung „noch besser“ auf das Lernen abgestimmt „und die Lernmotivation der Schülerinnen und Schüler gesteigert werden“, so heißt es. Und weiter: „Befragungen sind hierbei nur der erste Schritt. Aus dem darauffolgenden Auswertungsgespräch zwischen Feedbacknehmenden und Feedbackgebenden werden Konsequenzen und konkrete Maßnahmen abgeleitet. Auch der Austausch in der Fach- und Schulkonferenz trägt dazu bei, wichtige Impulse für die weitere Unterrichts- und Schulentwicklung zu erhalten.“
Immerhin: „Das System Schule mit allen Beteiligten benötigt in Abständen Zeit und Raum, um Prozesse der Schulentwicklung zu betrachten, zu planen, voranzutreiben und auch zu evaluieren. Aus diesem Grund erhalten Schulen ab dem Schuljahr 2024/25 die Möglichkeit, drei Schulentwicklungstage durchzuführen. Dadurch erhält die einzelne Schule Raum für die inhaltliche Ausgestaltung der oben genannten Ziele.“
Die GEW kritisiert das Konzept dennoch. „Ob IQB, Nationaler Bildungsbericht oder Pisa – die Ergebnisse sind eindeutig und sehen das Bildungssystem am Limit. Was Lehrkräfte und vor allem Schülerinnen und Schüler jetzt brauchen sind keine weiteren Statistiken, sondern konkrete Handlungen!“, kommentiert GEW-Co-Vorsitzende Kerstin Quellmann die Pläne für das neue Schuljahr. „Gerade in Zeiten des Lehrkräftemangels, hoher Krankenstände, zu großer Klassen und einer immer komplexeren Schülerschaft, muss das neue Rahmenkonzept vielen Lehrkräften wie ein schlechter Witz vorkommen“, so Quellmann weiter. Denn was helfe es einer Lehrkraft noch mehr Tests durchzuführen, wenn schon jetzt individuelle Förderungen und gezielte Fördermaßnahmen vielfach hintenüberfallen würden?
Das Bildungsministerium müsse endlich für Entlastung sorgen und nicht die Schulen mit noch mehr bürokratischen Aufgaben überfrachten. „Schulleitungen und Lehrkräfte arbeiten bereits jetzt am Limit und sollen sich in Zukunft gemeinsam mit der Schulaufsicht smarte Ziele für ihre Schulen geben. Wohlwissend, dass sie diese unter den aktuellen Bedingungen gar nicht erreichen können. Das ist Zeitverschwendung“, meint Quellmann. News4teachers
Title: Bildungsministerin verpflichtet Schulen zu datengestützter Entwicklung – GEW: Ein Witz!
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Source: News4teachers
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Date: July 18, 2024 at 02:32PM
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