MÜNCHEN. Die bayerische Wirtschaftsschule ist ein echtes Unikat: Als einzige berufliche Schule in Deutschland können Schüler sie bereits ab der 6. Klasse besuchen. Mit praxisnaher kaufmännischer Ausbildung und einem anerkannten Abschluss ist sie ein Erfolgsmodell – so erfolgreich, dass es der Freistaat nun ausbaut. Doch offenbar ist nicht jeder begeistert von der Expansion.

Die bayerische Wirtschaftsschule ist ein Unikat in Deutschland: Sie ist die einzige berufliche Schule, die ab der Jahrgangsstufe 6 von Kindern und Jugendlichen besucht werden kann. Sie ist eine Berufsfachschule, die es in vier-, drei und in zweistufiger Form gibt. Sie umfasst in fünfstufiger Form die Jahrgangsstufen 6 bis 10, in dreistufiger Form die Jahrgangsstufen 8 bis 10 und in zweistufiger Form die Jahrgangsstufen 10 und 11.
Im O-Ton des bayerischen Kultusministeriums klingt das so: „Zu den Besonderheiten des bayerischen Schulwesens zählt eine Schulart, die seit Generationen kaufmännische Nachwuchskräfte ausbildet: die Wirtschaftsschule. Sie ist eine berufsvorbereitende Schule, die eine allgemeine Bildung und eine berufliche Grundbildung im Berufsfeld Wirtschaft und Verwaltung vermittelt. Rund 17.000 Schülerinnen und Schüler besuchen derzeit eine Wirtschaftsschule. Sie zählt gemäß Art. 14 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen zu den beruflichen Schulen (Berufsfachschule). Die Wirtschaftsschule führt zum bundesweit anerkannten mittleren Schulabschluss.“
Und sie tut das offenbar erfolgreich. Angesichts der großen Resonanz von Eltern und Schülern wird das Angebot der Wirtschaftsschulen im Freistaat nun ausgebaut. Einerseits quantitativ: Es soll mehr Standorte geben und bestehende Standorte werden um weitere Züge erweitert. Andererseits qualitativ: Die Wirtschaftsschule wird auch inhaltlich ausgeweitet, indem künftig mehr Einrichtungen bereits im sechsten Schuljahr (statt erst im siebten) mit Eingangsklassen starten. „Mit der Entscheidung, die Wirtschaftsschule auszubauen, ist das Ziel verbunden, die berufliche Bildung und im Besonderen die Wirtschaftsschule weiter zu stärken“, so heißt es beim Kultusministerium.
Warum eigentlich? „Die Wirtschaftsschule vermittelt ihren Schülerinnen und Schülern neben einer allgemeinen Bildung eine vertiefte kaufmännische Grundbildung und bereitet auf eine entsprechende berufliche Tätigkeit vor. Neben der theoretischen Bildung ist in einem besonderen Umfang auch die praktische Anwendung des Gelernten Ziel des Unterrichts“, schreibt das Kultusministerium.
Und weiter: „In einzigartigen schuleigenen Übungsunternehmen vollziehen die Schülerinnen und Schüler möglichst praxisnah die Tätigkeiten kaufmännischer Sachbearbeitung anhand konkreter Geschäftsfälle nach, die das Lernen steuern. Dies ermöglicht nicht nur einen Einblick in die Bedingungen und Denkweisen der modernen Arbeitswelt, sondern vermittelt auch Schlüsselqualifikationen wie vernetztes Denken, fördert ganzheitliches und verantwortliches Handeln sowie Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit.“
„Hinter den neuen Lehrplänen steht die pädagogische Leitidee der selbstständigen, verantwortungsbewussten und situationsgerechten Anwendung erworbenen Wissens in verschiedenen Handlungsfeldern“
Den Lehrplänen an der Wirtschaftsschule liegt das schulartübergreifende Konzept „LehrplanPLUS“ zugrunde. Hintergrund: Der „LehrplanPLUS“, ein umfassendes Lehrplanprojekt, legt den Schwerpunkt auf Kompetenzorientierung. „Diese Kompetenzen gehen über reines Wissen hinaus und haben stets konkrete Anwendungssituationen im Blick. Die Schülerinnen und Schüler schaffen sich also ‚Werkzeuge‘, die sie zur Lösung lebensweltlicher Problemstellungen, zur aktiven Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen und an kulturellen Angeboten sowie nicht zuletzt zum lebenslangen Lernen befähigen“, informiert das Schulamt des Landkreises München.
Beim Kultusministerium heißt es dazu: „Hinter den neuen Lehrplänen steht die pädagogische Leitidee der selbstständigen, verantwortungsbewussten und situationsgerechten Anwendung erworbenen Wissens in verschiedenen Handlungsfeldern.“ Die mathematisch-naturwissenschaftlichen Inhalte erleichterten den Zugang zu technischen Berufen in Industrie sowie Handwerk und erhöhten die Chancen für weitere schulische Anschlüsse wie den Besuch der Fachoberschule. „Eine verpflichtende Abschlussprüfung im Fach Mathematik ist nicht vorgesehen. Alternativ kann eine Prüfung im Fach Übungsunternehmen abgelegt werden. Dies trägt den unterschiedlichen beruflichen und schulischen Perspektiven der Schülerinnen und Schüler Rechnung.“
Die Zugangsvoraussetzung: ein Zeugnis mit einer Gesamtdurchschnittsnote von mindestens 2,66 aus den Jahresfortgangsnoten in den Fächern Deutsch, Mathematik und Englisch im Zwischenzeugnis oder im Jahreszeugnis (alternativ unter Berücksichtigung der Ergebnisse einer Aufnahmeprüfung in die Mittlere-Reife-Klasse der Mittelschule erzielbar).
„Neben einer fundierten Allgemeinbildung ist die berufliche Grundbildung ein Kernelement des Bildungsauftrages der bayerischen Wirtschaftsschule, die dieser Schulart ein unverwechselbares Profil verleiht“, so verlautet das Kultusministerium. „Als berufliche Schule setzt sie dabei im Unterricht eigene Akzente. So gründet der Erfolg der Wirtschaftsschule auf dem pädagogischen Anspruch, die Schülerinnen und Schüler durch fächerübergreifendes und handlungsorientiertes Lernen auf die Herausforderungen der privaten und beruflichen Lebenswelt optimal vorzubereiten.“
Das zieht offenbar – so sehr, dass Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) das Angebot nur mit Vorsicht ausweitet. „Die Auswahl der neuen Modellschulen erfolgte mit Bedacht und in enger Abstimmung mit dem bestehenden Schulangebot vor Ort“, erklärte sie. Einzelne Anträge werden deswegen derzeit auch wegen nicht auszuschließender größerer Auswirkungen auf benachbarte Schulen zurückgestellt. Aus Sicht des Staatsministeriums wurde hier die Gesamtverantwortung für alle bayerischen Schulen im Blick behalten. Im Klartext: Die Wirtschaftsschule könnte sonst der Realschule den Rang ablaufen. News4teachers
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Date: March 1, 2025 at 12:47PM
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