Huawei wagt mit HarmonyOS Next einen radikalen Schritt: Das neue Betriebssystem soll komplett ohne Android-Code auskommen. Doch was bedeutet das für Nutzer und Entwickler? Eine Analyse der Chancen und Herausforderungen.
Eigenständige Architektur statt Android-Basis
Auf der Huawei Developers Conference (HDC) 2024 präsentierte der chinesische Technologiekonzern die neueste Version seines Betriebssystems: HarmonyOS Next. Im Gegensatz zu früheren Versionen, die auf dem Android Open Source Project (AOSP) und dem Linux-Kernel basierten, setzt HarmonyOS Next vollständig auf eine eigenständige Architektur, berichtet GizmoChina.
Das AOSP ist die frei verfügbare Grundlage des Android-Betriebssystems, die von Google verwaltet wird und von Herstellern wie bisher auch Huawei als Basis für ihre eigenen Betriebssysteme genutzt wurde.
Der Wechsel zum eigenen Hongmeng-Kernel, dem Herzstück des neuen Betriebssystems, soll laut Huawei beachtliche Vorteile bringen. Das Unternehmen verspricht eine Leistungssteigerung um bis zu 30 Prozent sowie eine Reduktion des Energieverbrauchs um 20 Prozent. Diese Angaben basieren auf internen Tests von Huawei und konnten bisher nicht von unabhängigen Stellen verifiziert werden.
Es bleibt abzuwarten, ob diese Verbesserungen in der Praxis tatsächlich spürbar sein werden und wie sie sich im Vergleich zu optimierten Android-Versionen anderer Hersteller schlagen.
Herausforderungen für Nutzer und Entwickler
Der Verzicht auf Android-Komponenten bringt neben potenziellen Vorteilen auch erhebliche Herausforderungen mit sich. Die wohl gravierendste Änderung: Android-Apps werden auf künftigen Huawei-Geräten mit HarmonyOS Next nicht mehr lauffähig sein. Dies bedeutet einen Bruch mit der Vergangenheit, da bisherige Huawei-Geräte trotz US-Sanktionen zumindest teilweise Android-Apps ausführen konnten.
Stattdessen müssen Anwendungen nun speziell für das neue Betriebssystem entwickelt und über die Huawei App Gallery, den hauseigenen App-Store des Unternehmens, vertrieben werden. Für Entwickler bedeutet dies einen zusätzlichen Aufwand, da sie ihre Apps nun auch für HarmonyOS anpassen oder komplett neu entwickeln müssen. Dies könnte insbesondere für kleinere Entwicklerstudios eine erhebliche Hürde darstellen.
Huawei ist sich dieser Problematik bewusst und versucht, mit Anreizen für frühe Entwickler gegenzusteuern. Nach Unternehmensangaben sollen bereits rund 4000 native Apps für HarmonyOS Next verfügbar sein.
Ob dies ausreicht, um mit dem umfangreichen Angebot des Google Play Stores oder Apples App Store konkurrieren zu können, bleibt fraglich. Die Verfügbarkeit beliebter Apps wird ein entscheidender Faktor für den Erfolg oder Misserfolg von HarmonyOS Next sein.
Nahtlose Integration verschiedener Geräte
Ein Kernkonzept von HarmonyOS Next ist die enge Vernetzung unterschiedlicher Endgeräte. Huawei verspricht ein Ökosystem, in dem Apps nahtlos zwischen verschiedenen Gerätetypen wie Smartphones, Tablets und Smart-TVs funktionieren. Dies soll durch eine einheitliche Entwicklungsplattform ermöglicht werden, die es Programmierern erlaubt, eine App zu erstellen, die auf allen HarmonyOS-Geräten läuft.
Ferner plant Huawei Funktionen wie die nahtlose Übertragung laufender Anwendungen zwischen Geräten. Es soll unter anderem möglich sein, eine auf dem Smartphone begonnene Videokonferenz ohne Unterbrechung auf einem Tablet fortzusetzen. Auch das erweiterte Teilen von Daten und Inhalten im Huawei-Ökosystem, etwa durch eine geräteübergreifende Zwischenablage, ist vorgesehen.
Diese Funktionen erinnern an ähnliche Konzepte von Apple, wie etwa Handoff oder Universal Clipboard. Es bleibt abzuwarten, wie gut Huawei diese Integration in der Praxis umsetzen kann und ob sie einen echten Mehrwert für Nutzer darstellt.
KI-Funktionen: Harmony Intelligence
Mit "Harmony Intelligence" integriert Huawei künstliche Intelligenz (KI) direkt ins Betriebssystem. Zu den angekündigten Features gehört AIGC (Artificial Intelligence Generated Content), ein Sammelbegriff für KI-generierte Inhalte. Im Kontext von HarmonyOS Next soll dies Funktionen zur Bildbearbeitung umfassen, wie etwa das Entfernen unerwünschter Objekte aus Fotos oder die KI-gestützte Erweiterung von Bildern.
Ein weiteres Highlight ist der KI-Assistent Xiaoyi, der auf dem Pangu Big Model 5.0 basiert. Xiaoyi soll in der Lage sein, Bilder zu analysieren und deren Inhalt zu erklären. Dies könnte insbesondere für Menschen mit Sehbehinderungen von großem Nutzen sein. Zusätzlich plant Huawei weitere Unterstützungsfunktionen für Menschen mit Einschränkungen, etwa durch verbesserte Texterkennung und Vorlesefunktionen.
Ob diese KI-Funktionen tatsächlich wie versprochen funktionieren und welchen praktischen Nutzen sie im Alltag bringen, bleibt abzuwarten. Die Integration von KI-Technologien in Betriebssysteme ist ein aktueller Trend in der Technologiebranche, und es wird interessant sein zu sehen, wie sich Huaweis Ansatz im Vergleich zu Konkurrenten wie Apple oder Google schlägt.
Markteinführung und Verfügbarkeit
HarmonyOS Next befindet sich derzeit in der Betaphase mit bis zu 3000 Testern in China. Die offizielle Markteinführung ist für das vierte Quartal 2024 geplant – zunächst jedoch ausschließlich in China. Diese schrittweise Einführung ermöglicht es Huawei, das System unter realen Bedingungen zu testen und gegebenenfalls anzupassen, bevor eine breitere Einführung erfolgt.
Für den globalen Markt, einschließlich Deutschland, setzt Huawei bereits das bestehende HarmonyOS ein, das auf dem Android Open Source Project basiert. HarmonyOS hat das früher verwendete EMUI (Emotion UI) ersetzt. Diese Strategie – HarmonyOS Next zunächst nur in China, das bestehende HarmonyOS im Rest der Welt – zeigt die komplexe Situation, in der sich Huawei befindet.
Diese unterschiedliche Herangehensweise in der Betriebssystem-Strategie verdeutlicht Huaweis Bemühungen, einerseits technologische Unabhängigkeit zu erlangen, andererseits aber auch die Bedürfnisse und Erwartungen seiner globalen Nutzerbasis zu berücksichtigen. Während HarmonyOS Next einen kompletten Bruch mit Android darstellt, erlaubt das aktuelle HarmonyOS noch die Nutzung von Android-Apps, was für viele Nutzer außerhalb Chinas nach wie vor ein entscheidender Faktor bei der Wahl eines Smartphones ist.
Es bleibt abzuwarten, ob und wann Huawei plant, HarmonyOS Next auch auf dem globalen Markt einzuführen. Die Erfahrungen auf dem chinesischen Markt werden zweifellos eine wichtige Rolle bei dieser Entscheidung spielen.
Fazit: Ambitionierter Schritt mit offenem Ausgang
Mit HarmonyOS Next wagt Huawei einen mutigen Schritt in Richtung technologischer Unabhängigkeit. Das Unternehmen reagiert damit auf die anhaltenden US-Sanktionen, die den Zugang zu Google-Diensten und -Technologien erheblich einschränken. Ob sich das neue Betriebssystem langfristig durchsetzen kann, hängt von verschiedenen Faktoren ab.
Entscheidend wird sein, ob Huawei ein ausreichendes App-Angebot sicherstellen kann, um mit etablierten Plattformen wie Android und iOS zu konkurrieren. Auch der tatsächliche Mehrwert für Nutzer, etwa durch verbesserte Leistung oder innovative KI-Funktionen, wird eine wichtige Rolle spielen. Nicht zuletzt wird die Akzeptanz bei Entwicklern und Partnern darüber entscheiden, ob HarmonyOS Next zu einem ernst zu nehmenden Konkurrenten im Markt für mobile Betriebssysteme heranwachsen kann.
Für den internationalen Markt bleibt HarmonyOS Next vorerst eine Randnotiz, da Huawei hier weiterhin auf Android-basierte Lösungen setzt. Dennoch zeigt die Entwicklung, dass der Wettbewerb im Bereich mobiler Betriebssysteme neue Dynamik gewinnt. Es bleibt spannend zu beobachten, wie sich dieser Schritt von Huawei auf die globale Technologielandschaft auswirken wird und ob andere Hersteller ähnliche Wege einschlagen werden.
Huaweis Abkehr von Android mit HarmonyOS Next ist zweifellos ein gewagter Schritt. Was denkt ihr: Kann ein Smartphone-Betriebssystem ohne Android-Unterbau in der heutigen Welt bestehen? Welche Vor- und Nachteile seht ihr für Nutzer und Entwickler? Teilt eure Meinungen und Erwartungen in den Kommentaren – wir sind gespannt auf eure Einschätzungen zu dieser spannenden Entwicklung!
- Huawei stellt HarmonyOS Next ohne Android-Code vor
- Neue Version basiert auf Hongmeng-Kernel
- Huawei verspricht mehr Leistung und weniger Energieverbrauch
- Android-Apps laufen nicht mehr, Entwickler müssen anpassen
- Huawei bietet Anreize, rund 4.000 native Apps verfügbar
- Enge Vernetzung zwischen Smartphones und Tablets geplant
- KI-Funktionen wie AIGC und Xiaoyi sollen Alltag erleichtern
Siehe auch:
Title: Bye-bye Android: Huawei stellt komplett eigenes HarmonyOS Next vor
URL: https://winfuture.de/news,143582.html
Source: WinFuture News
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Date: June 25, 2024 at 01:33PM
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