D: Die Generation 50 plus im Sog der Filterblasen

Fake News und Verschwörungsmythen sind ein drängendes gesellschaftliches Problem. Die jüngsten, von der US-amerikanischen Regierung ausgelösten Debatten brachten das Thema noch mehr auf die Tagesordnung.

Michael Hermann

Wo endet „free speech“, wo beginnen Fake News, und welche Verantwortung haben die großen Internet-Player in diesem Zusammenhang? Zwei Erziehungswissenschaftlerinnen bringen jetzt eine weitere Perspektive in die Diskussion. Wer ist eigentlich besonders anfällig für Fake News? Die Generation 50+, so lautet die überraschende Antwort.

Sarah Pohl leitet die Beratungsstelle Zebra im baden-württembergischen Freiburg. Wenn ihr Telefon klingelt, dann sind oft Menschen am Apparat, die sich um ihre Angehörigen Sorgen machen. Sorgen, weil diese in der Welt der Fake News und Verschwörungsmythen gefangen sind. Mal glauben sie, dass Politiker Reptiloide sind, mal denken sie, dass mit der Corona-Impfung Computerchips in die Haut eingepflanzt worden seien. Der Phantasie für Verschwörungsmythen sind keine Grenzen gesetzt.

Blick auf Frankfurt am Main

Blick auf Frankfurt am Main

Blick auf Frankfurt am Main   (AFP or licensors)

„Zuerst hatten wir gedacht, es ist ein Zufall…“

Vor Jahren noch waren vor allem junge Menschen von Verschwörungsmythen betroffen. Sarah Pohl: „Zuerst hatten wir gedacht, es ist ein Zufall, als sich vor allem junge Menschen wegen ihren Eltern bei uns gemeldet haben. Und dann haben wir angefangen, auch ein bisschen die Studienlage anzugucken, und festgestellt: Es gibt einige Studien, die darauf hinweisen, dass vor allem ältere Menschen Schwierigkeiten haben, Fake News als solche zu erkennen, und diese auch weit häufiger teilen als junge Menschen.“

Ältere Menschen seien besonders häufig in ihren Filterblasen und Echokammern gefangen. Ein Grund sei, dass die Generation 50 plus über relativ wenig Medienkompetenz verfüge. „Offensichtlich sind jüngere Menschen kompetenter, was das Erkennen von Fake News betrifft“, sagt Sarah Pohl. „Aber es gibt auch noch andere Vulnerabilitätsfaktoren, die in lebensbiografischen Elementen begründet liegen: vielleicht ‚Emptyness‘, Einsamkeit, Bedeutungsverlust, Rentenalter – all so etwas kann auch anfälliger machen.“

„Das wäre eine große Chance, wenn Kirche hier ein größeres Problembewusstsein entwickeln würde“

Man müsse viel mehr für die Medienkompetenz der Generation 50 plus tun, sagt die Leiterin der Beratungsstelle Zebra: „Sie leben ja auch im analogen Bereich in ihren Filterblasen, umgeben sich mit Menschen, die sie kennen, die sie mögen, und sind nicht mehr wie in der Schule flächendeckend zu erreichen über Angebote und Maßnahmen. Sie können freiwillig entscheiden, wo sie hingehen oder was sie sich anhören. Wir erreichen in Vorträgen vor allem Menschen, die ohnehin ein Problembewusstsein haben.“

Viele gesellschaftliche Akteure seien deshalb gefordert, neue Diskursräume für die ältere Generation zu schaffen, um so der Verbreitung von Fake News Einhalt zu gebieten. „Kirche kann hier sicher auch einen Beitrag leisten. Und das wäre eine riesige Chance, weil in Kirche ja auch Menschen in dieser Generation unterwegs sind und man auf diesem Weg auch erreichen könnte, Kirchgängern zusätzliche Angebote machen zu können. Das wäre sicher eine große Chance, wenn Kirche hier ein größeres Problembewusstsein entwickeln würde.“

Das Buch von Sarah Pohl und Mirijam Wiedemann trägt den Titel „Abgetaucht, radikalisiert, verloren. Die Generation 50+ im Sog der Filterblasen“. Es ist erschienen bei Vandenhoeck und Ruprecht.

(vatican news)
 


Title: D: Die Generation 50 plus im Sog der Filterblasen
URL: https://www.vaticannews.va/de/kirche/news/2025-03/internet-deutschland-fake-news-soziologie-gesellschaft-kirchen.html
Source: Vatican News – Deutsch
Source URL: https://www.vaticannews.va/de.html
Date: March 31, 2025 at 09:50AM
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