„Den Bischöfen in die Hacken treten“ / kfd-Vize mahnt Gleichberechtigung für Katholikinnen an

DOMRADIO.DE: Der Weltfrauentag propagiert die volle Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau. Wo steht Deutschland da im Jahr 2025? 

Prof. Agnes Wuckelt (Stellvertretende Bundesvorsitzende der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands / kfd): Nicht besonders gut. Die paritätische Besetzung von all dem, was möglich ist und gefordert wird, ist noch nicht erreicht. Nur in der Sorgearbeit sind Frauen mit einem Anteil von etwa siebzig Prozent ganz vorne. Das ist doch sehr traurig. 

Der Gleichstellungsbericht von 2024 zeigt, dass es im Vergleich zu 2021 tatsächlich neben einigen Fortschritte auch wieder Rückschritte gibt. Es ist schwierig einzuschätzen, woran das liegt. Es kommen wohl viele Faktoren zusammen. 

DOMRADIO.DE: Einer könnte die angespannte Weltlage sein. Fallen angesichts der gefühlten und der realen Bedrohungen Gleichberechtigungsfragen wieder schneller unter den Tisch? 

Wuckelt: Ja, denke ich schon. Zum einen haben in der großen Weltpolitik und auch bei uns in Deutschland gerade wieder mehr und mehr Männer im politischen Bereich das Sagen. Die Verhandlungen, die etwa im Moment zu Fragen von Krieg und Frieden laufen, werden überwiegend von Männern geführt. Die Perspektive von Frauen ist dabei überhaupt nicht im Blick. 

Wir Frauen sind gefordert, angesichts all dessen Gleichberechtigungs- und Gleichstellungsfragen am Leben zu halten. Wir müssen sie auch konkret leben. Wir müssen selbst Konzepte und Strategien entwickeln, damit das, was wir schon errungen haben, nicht verloren geht. 

DOMRADIO.DE: Speziell die katholische Kirche hinkt offenkundig in Sachen Gleichberechtigung hinterher. Jetzt hat die Deutsche Bischofskonferenz neue Zahlen veröffentlicht, nach denen mittlerweile mit 32,5 Prozent fast ein Drittel der mittleren und oberen Führungspositionen mit Frauen besetzt sind. Stimmt Sie das optimistisch? 

"Man übergibt doch eher das Frauenspezifische beziehungsweise das vermeintlich Frauenspezifische an Frauen."

Wuckelt: Nein, es müssten mindestens fünfzig Prozent sein. Wobei wir hier in der katholischen Kirche das Dilemma haben, das in jedem Gremium von vornherein die Hälfte der Sitze von Klerikern besetzt ist; dazu kommen in den Beratungsgremien unserer Kirche noch einmal eine Reihe weiterer Beraterinnern und Berater. 

Das habe ich mir einmal angeschaut. Einzig die Caritaskommission ist mit sechs Frauen und sechs Männern paritätisch besetzt, in allen anderen, zum Beispiel der Liturgiekommission, ist das anders. Caritas wird also offenbar als etwas gesehen, was Frauen gut können. Liturgie dagegen wird als Sache von Klerikern gewertet, für die Frauen eher nicht gebraucht werden. 

Und so, denke ich, ist es auch in den Behörden, in den Ordinariaten und Generalvikariaten. Man übergibt doch eher das Frauenspezifische beziehungsweise das vermeintlich Frauenspezifische an Frauen; da können sie nicht viel Einfluss auf Veränderungen nehmen. Von daher muss weitergearbeitet werden. 

Lobend erwähnen möchte ich aber trotzdem, dass die Bischöfe vor ein paar Jahren eine Frauenquote von 30 Prozent beschlossen hatten und diese jetzt sogar ein wenig getoppt haben. Aber aus meiner und der Perspektive der Frauenverbände reicht das bei weitem nicht aus. 

DOMRADIO.DE: Auch im Vatikan sind in letzter Zeit einige höhere Posten an Frauen gegangen. Der Zugang zu Weiheämtern bleibt ihnen weiter verwehrt. Was wäre denn aus Ihrer Sicht der nächste wichtige Schritt? 

Wuckelt: Da können wir gut anknüpfen an den Protest der Teilnehmenden der Weltsynode, die sich das Thema Diakonat der Frau nicht haben nehmen lassen; auf ihr Drängen wird es weiterhin bearbeitet. Das ist das Mindeste, weil es theologisch doch einigermaßen abgesichert ist. Das sieht die Päpstliche Kommission zwar etwas anders, aber es ist so. 

Die deutschen Bischöfe haben auch vom Synodalen Weg den Auftrag bekommen, an diesem Thema dranzubleiben. Da müssen wir ihnen, um es lapidar zu sagen, in die Hacken treten. Das werden wir von Seiten der kfd auch weiter tun. Zum Handlungstext soll eine Kommission gegründet werden, die das Thema weiter theologisch bearbeitet, als wäre es noch nicht ausreichend bearbeitet worden. Mehr Chancen sehe ich gerade nicht. Wir müssen die Bischöfe immer wieder daran erinnern, was sie beim Synodalen Weg beschlossen haben. 

"Wir wissen um die Kompetenzen, die speziell Frauen in die Kirche einbringen können."

DOMRADIO.DE: Frauen brauchen auf dem Weg zur echten Gleichberechtigung in Gesellschaft und Kirche offensichtlich viel Geduld. Wie können sie durchhalten, sich auch dem aktuellen Backlash entgegenstemmen? 

Wuckelt: Ein wichtiger Punkt ist Solidarität. Dafür stehen wir Frauenverbände. Wir sind einander solidarisch, wir tauschen uns in Gemeinschaft aus über das, was sich gerade entwickelt und entwickeln selbst entsprechende Strategien. Zum anderen müssen wir unbeirrbar innerlich und äußerlich zu dem stehen, was wir seit Jahrzehnten fordern. 

Denn wir wissen um die Kompetenzen, die speziell Frauen in die Kirche einbringen können. Und schließlich denke ich an die Bildung. Jungen und Mädchen heute nehmen ja eine veränderte und sich verändernde Gesellschaft wahr. Wir müssen sie dafür sensibilisieren, dass es Gleichberechtigung geben muss. Sie müssen verstehen, dass wir die Gleichstellung von Frauen und Männern brauchen, dass alle Menschen in unserer Gesellschaft gleiches Recht verdient haben. Dann tragen sie vielleicht als nächste Generation unsere Ideen weiter. 

Das Interview führte Hilde Regeniter.

Die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) ist mit rund 265.000 Mitgliedern der größte katholische Frauenverband und einer der größten Frauenverbände Deutschlands. Wir machen uns stark für die Interessen von Frauen in Kirche, Politik und Gesellschaft und setzen uns für ihre Rechte ein.

Die kfd ist eine Gemeinschaft, die trägt und in der sich Frauen in vielfältigen Lebenssituationen gegenseitig unterstützen. Sie ist der Frauenort in der Kirche, offen für Suchende und Fragende.  


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Source: DOMRADIO.DE – Der gute Draht nach oben
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Date: March 8, 2025 at 08:11AM
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