„Dennoch“-Mentalität, Gebet und Veränderungsmut / Deutsche Bischöfe senden Hoffnungsbotschaften ins neue Jahr

Mut zur Veränderung und zum Aufbrechen verkrusteter Strukturen erhofft sich der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz vom neuen Jahr. Flucht, Vertreibung, Krieg, Terror oder auch die Klimakrise hätten das Jahr 2023 geprägt, sagte der Limburger Bischof Georg Bätzing im Festgottesdienst am Silvestertag in Frankfurt. 

"Die ungezählten Menschen, die leben wollten wie wir, aber sinnlos aus dem Leben gerissen wurden, legen eine Wolke von Trauer, tiefer Enttäuschung und Fragwürdigkeit auf das Ende dieses Jahres", so der Bischof. 

Dennoch könne die Botschaft des Evangeliums, nach der Gott zu seinen Verheißungen und zum Menschen stehe, Mut und Zuversicht geben.

Bischof Bätzing fordert von Kirche Mut zur Veränderung

Mut zur Veränderung braucht nach den Worten des Bischofs auch die katholische Kirche. Hunderttausende hätten ihr in den vergangenen Jahren den Rücken gekehrt. 

"Es tut mir leid um jede und jeden Einzelnen", sagte Bätzing mit Blick auf die im November veröffentlichte Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung. 

Danach gehören nur noch 48 Prozent der Bevölkerung einer der beiden großen Kirchen an. Nur noch vier Prozent der katholischen und sechs Prozent der evangelischen Gläubigen gaben an, ihrer Kirche eng verbunden zu sein.

Religiöse Überzeugungen für Lebensführung kaum mehr relevant

Für die Lebensführung hätten religiöse Überzeugungen so gut wie keine Bedeutung mehr, räumte Bätzing ein. "Solche Entwicklungen zu verdrängen oder zu verharmlosen, das wäre fatal." Es gelinge schon lange nicht mehr, den Glauben und die Verbundenheit zur Kirche von Generation zu Generation weiterzugeben.

Der Limburger Bischof warnte zugleich vor Resignation. Die Untersuchung zeige auch Chancen auf: "Diejenigen, die bleiben, erwarten von der Kirche den Einsatz gegen Armut und für Gerechtigkeit." 

Das gelte auch für die überwiegende Mehrheit der Konfessionslosen. Der Einsatz für Geflüchtete, für den Klimaschutz und gegen Armut sei offenbar auch in der Außenwirkung weiterhin ein Glaubwürdigkeitskriterium für die Kirche.

Helfen Reformen der Kirchen in eine Zukunft?

Außerdem zeige die Studie, dass sich die Kirche verändern müsse, wenn sie eine Zukunft haben wolle. Dazu gehörten ein positiver Umgang mit Homosexualität, mehr echte Mitbestimmung von Laien, die freie Wahl von Ehe oder Ehelosigkeit für die Priester und eine stärkere ökumenische Zusammenarbeit. 

"Reformen lösen gewiss nicht alle Probleme der katholischen Kirche, aber diese verschärfen sich, wenn Reformen ausbleiben", so Bätzing. Die Kirche sei nicht am Ende. Aber eine ganz bestimmte soziale Form von Kirche neige sich dem Ende zu, die in den vergangenen 150 Jahren prägend gewesen sei.

Der Aachener Bischof Helmut Dieser hat dazu aufgerufen, sich von negativen Nachrichten nicht überfluten zu lassen. "An den hard facts kann ich unmittelbar nichts ändern, wohl aber daran, was sie mit mir machen", sagte Dieser am Silvesterabend in der Jahresschlussandacht im Aachener Dom laut Predigttext. 

Das Gebet als Quelle des Trosts und der Hoffnung

Der durch zahlreiche Kriege und Krisen bedrohte Weltfrieden, der Klimawandel, weltweite Fluchtbewegungen oder wachsender Antisemitismus machten vielen Menschen Angst. 

Zu den negativen Nachrichten zählten auch innerkirchliche Konflikte, die hohe Zahl an Kirchenaustritten und der Bedeutungsverlust der Kirchen und des christlichen Glaubens in der Gesellschaft.

Diesen harten Fakten stehe der Trost Gottes gegenüber, der in Christus in die Welt gekommen sei, sagte der Bischof. Die erste Quelle dieses Trostes sei das Gebet. 

"Gebet ist eine Quelle des Trostes und der Hoffnung: Es verhindert, dass wir ohnmächtig und depressiv werden", betonte Dieser. Im Gebet könnten Gläubige Gott die leidenden Menschen ans Herz legen und um Weisheit und Mut für die Regierenden bitten. 

Bischof Dieser warnt vor Extremismus und Lagerdenken

"Wir rufen seine Vorsehung an, dass er den so brandgefährlichen Bestrebungen der Gewalt- und Hasspolitik wehrt und allen die Macht nimmt, die sie missbrauchen und die Menschen belügen und verführen", erläuterte Dieser. "Wir flehen um Versöhnung zwischen den verfeindeten Lagern und Blockbildungen."

Das Gebet mache auch Mut, selber zu handeln, auf Menschen zuzugehen, Leidenden beizustehen oder sich ehrenamtlich zu engagieren, sagte der Aachener Bischof. 

Es ermutige dazu, vom Recht der Meinungsfreiheit Gebrauch zu machen und "nicht zu schweigen zu dem, was unerträglich ist", sich politisch gegen Radikalisierungen, gegen Extremisten und Populisten zu positionieren.

Die Mentalität und Spiritualität des "Dennoch"

Der Trierer Bischof Stephan Ackermann hat zu einer "dennoch"-Haltung aufgerufen, um schwierigen Situationen im Leben zu begegnen. Eine solche Mentalität könne helfen, "den langen Atem zu behalten, den es in Veränderungsprozessen des Lebens braucht", sagte der katholische Bischof in seiner Silvesterpredigt am Sonntag im Trierer Dom.

Ackermann verwies dabei etwa auf den Propheten Habakuk, der gewusst habe, "dass Gott die Macht hat, die aussichtslosesten Situationen ins Positive zu wenden". 

Auch der Bochumer Theologen Matthias Sellmann habe eine "dennoch-Mentalität" und "dennoch-Spiritualität" angeregt, um die Motivation zum Glauben und zur Zugehörigkeit zur Kirche nicht zu verlieren.

Bischof Ackermann erinnert an die tiefere Schicht der Wirklichkeit

Ackermann sagte, Menschen mit einer "dennoch-Haltung" ließen sich von der Bibel an die vielen Situationen erinnern, in denen Gott gegen jede Wahrscheinlichkeit Rettung gebracht habe. 

In Abgrenzung zum "trotzdem" sei die Haltung des "dennoch" gelassener und konstruktiver. "Sie glaubt an eine Schicht der Wirklichkeit, die tiefer liegt als das, was sich äußerlich sehen, was sich zählen und messen und rechnerisch beweisen lässt", sagte Ackermann.

Der Münsteraner Bischof Felix Genn hat davor gewarnt, sich durch Kriege in der Welt abstumpfen zu lassen. "Wir dürfen hier nicht nachlassen, darauf hinzuweisen, dass jeder Krieg Unrecht ist und Leben zerstört", sagte der katholische Bischof am Sonntag in seiner Silvesterpredigt in der Sankt-Lamberti-Kirche in Münster. 

Bischof Genn warnt vor Gewöhnung der Menschen an Krieg

Die Menschen dürften sich nicht an Kriege wie in der Ukraine oder im Heiligen Land gewöhnen. Christinnen und Christen müssten sich zudem jeglichem Antisemitismus entgegentreten, mahnte Genn.

Die Kriege und das Töten vieler Menschen hätten "Abgründe der menschlichen Seele" offenbart, sagte der Bischof. Zudem habe sich die "Verbohrtheit von Politikern" gezeigt, "die letzten Endes davon ausgehen, dass es eine ungleiche Wertigkeit unter einzelnen Völkern gibt, und dass einzelne Völker überhaupt kein Recht auf eine Existenz haben."

Warnung vor Aufhebung des Abtreibungs-Kompromisses

Genn sprach sich gegen eine Neuordnung des Strafrechts-Paragrafen 218 zum Schwangerschaftsabbruch aus. Abtreibungen sind durch die Regelung zwar grundsätzlich illegal, werden aber nach vorheriger Beratung bis zur 12. Schwangerschaftswoche nicht bestraft. 

Die Bundesregierung hat eine Kommission beauftragt, eine mögliche Neuregelung von Schwangerschaftsabbrüchen außerhalb des Strafrechts zu prüfen. 

Der Bischof betonte, der in dem Paragrafen festgesetzte Kompromiss bringe die Rechte von schwangeren Frauen und ungeborenem Leben seiner Ansicht nach in einen guten Einklang und dürfe deshalb nicht aufgehoben werden.

Die Deutsche Bischofskonferenz ist der Zusammenschluss der katholischen Bischöfe in Deutschland. Sie leiten als Ortsbischöfe eines der 27 Bistümer oder unterstützen als Weihbischöfe. Insgesamt gehören ihr derzeit 67 Mitglieder an.

Ebenfalls zur Konferenz gehören – auch wenn sie nicht Bischöfe sind – Diözesanadministratoren, die ein Bistum nach Rücktritt oder Tod eines Ortsbischofs übergangsweise verwalten.



Title: „Dennoch“-Mentalität, Gebet und Veränderungsmut / Deutsche Bischöfe senden Hoffnungsbotschaften ins neue Jahr
URL: https://www.domradio.de/artikel/deutsche-bischoefe-senden-hoffnungsbotschaften-ins-neue-jahr
Source: DOMRADIO.DE – Der gute Draht nach oben
Source URL: https://www.domradio.de/
Date: December 31, 2023 at 06:46PM
Feedly Board(s): Religion