DOMRADIO.DE: Als ZdK sind Sie mitverantwortlich für die Beschlüsse des Synodalen Weges. Dazu zählt der explizite Wunsch nach Segensfeiern für homosexuelle Paare. Im Moment werden dazu auch Handreichungen ausgearbeitet. Wie beurteilen Sie die Abmahnung von Pfarrer Ullmann im Erzbistum Köln?
Birgit Mock (Vize-Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken / ZdK): Wir sind mitten in der operativen Phase zur Umsetzung des Synodalen Weges. Dazu gehört, dass sich sechs Arbeitsgruppen um Vorschläge für die Realisierung von Beschlüssen kümmern. Eine Arbeitsgruppe hat die Aufgabe, eine Handreichung für Segensfeiern zu erarbeiten. Ich hoffe, dass wir sie in wenigen Monaten in alle Bistümer geben können.
Insofern ist das, was jetzt gerade im Erzbistum Köln passiert, mehr als unverständlich. In Köln erleben wir, dass Pfarrer Herbert Ullmann offenbar verwarnt worden ist, weil er zusammen mit der Gemeindereferentin Ulrike Platzhoff einen Segnungsgottesdienst für alle sich liebenden Paare gestaltet hat.
Für das kommende Jahr ist wieder eine Segensfeier in Vorbereitung, nachdem die diesjährige berührend und sehr gut angenommen war.
„Was jetzt gerade im Erzbistum Köln passiert, (ist) mehr als unverständlich.“
DOMRADIO.DE: Dabei war ja eigentlich auch im Vorhinein immer schon klar, dass die Beschlüsse vom Synodalen Weg für die einzelnen Bistümer nicht bindend sind.
Mock: Wir wissen seit vielen Jahren, dass Gläubige längst darauf warten, dass es offizielle Segensfeiern, für Paare, die sich lieben, gibt. Und viele warten nicht mehr ab. Durch über 13.000 Unterschriften von Seelsorgenden in Europa und damit auch aus Deutschland wissen wir, dass sie Segensfeiern schon durchgeführt haben und dass sie das Anliegen von Paaren, sich segnen zu lassen, wichtig finden. Der Synodale Weg ist auch aufgrund dieser Praxiserfahrung tätig geworden, und hat das, was es in der Praxis bereits gibt, geordnet und grundlegend durchdacht.
Unser Beschluss dazu hält fest, dass alle Menschen vor Gott gleich sind und die menschliche Würde die geschlechtliche Identität und die sexuelle Orientierung einschließt. Das ist das entscheidende Signal vom Synodalen Weg her an die Arbeit vor Ort. Wenn wir davon ausgehen, dass alle Menschen von Gott mit der gleichen Würde geschaffen sind, dass kein Mensch sich seine geschlechtliche Identität selbst aussucht, sondern dass sie Ergebnis eines Reifungsprozesses ist, dann können gleichgeschlechtliche Paare von uns doch nur willkommen geheißen werden.
In ihrer Liebe zeigt sich Gott, daran glaube ich fest. Deswegen setze ich mich auch persönlich dafür ein, dass die Segensfeiern, die schon längst in der Praxis Menschen auf ihrem Weg bestärken, in Zukunft in allen Bistümern in offenen Kirchen von der frohen Botschaft und der Annahme eines jeden Menschen erzählen.
DOMRADIO.DE: Welches Gewicht haben dann aber diese Beschlüsse über den symbolischen Wert hinaus, wenn am Ende dann doch eine „Abmahnung“ des Pfarrers stehen kann?
Mock: Die kirchenrechtliche Situation ist so, dass die Beschlüsse, die wir auf dem Synodalen Weg gefasst haben, letztlich von jedem Bischof in Kraft gesetzt werden müssen. Es kann also sein, dass einige Bistümer Beschlüsse schneller umsetzen als andere – und manche Beschlüsse nicht.
Vor dieser Ungleichzeitigkeit habe ich aber keine Angst, weil es auch keine Lösung ist, sich grundsätzlich gegen Veränderungen auszusprechen, nur weil sie vielleicht nicht für alle stimmig sind.
Ich wünsche mir allerdings, dass Seelsorgende in allen Bistümern segnen können, ohne dass es zu dem Vorgang kommt, den wir jetzt gerade in Köln erleben, nämlich Anzeige, Verwarnung, Verbot.
DOMRADIO.DE: Sie nennen das gerade eine Ungleichzeitigkeit in den Bistümern. Wenn man das zu Ende denkt, laufen wir darauf hinaus, dass es quasi zwei unterschiedliche Rechtssysteme der Kirche in Deutschland geben wird. Die eine Seite wird sich an die Vorgaben des Vatikans halten, die andere Seite an die Selbstverpflichtungen des Synodalen Weges.
Mock: Ich erhoffe mir, dass sich Bischöfe selbst an das binden, was wir gemeinsam mit ihnen auf dem Synodalen Weg erarbeitet haben. Das würde unter anderem bedeuten, Segensfeiern für gleichgeschlechtliche Paare, aber auch für wieder verheiratete Geschiedene nicht zu behindern und nicht zu sanktionieren.
Niemand greift damit kirchenrechtlich die Ehe als Sakrament an. Der Synodalen Weg hat vielmehr Brücken gebaut zwischen Lehre und Lebenswelt. Ich glaube, dass wir in einer Weltkirche, so wie sie sich gerade darstellt, Spannung nie ganz werden auflösen können. Es geht darum, Vielfalt, die zu ihr gehört, auch zu leben. Die Skepsis gegenüber dem Synodalen Weg, die im Vatikan zu spüren ist, würden wir gern ausräumen. Dafür wäre ein direktes Gespräch, das wir seit langem anstreben, wirklich wichtig.
DOMRADIO.DE: Der Hintergrund für die Abmahnung war wohl eine anonyme Anzeige beim Heiligen Stuhl, die das Erzbistum Köln dann zum Handeln verpflichtet haben soll. Wie würden Sie denn so ein Vorgehen des Vatikans beurteilen? Wir wissen ja auch, dass das Verhältnis von Rom zu Deutschland eh schon angespannt ist.
Mock: Ich möchte weniger auf den Vatikan blicken und mehr auf die Frage: Wie kommt es eigentlich dazu, dass immer noch diese Art von Briefen nach Rom geschrieben wird? In aller Deutlichkeit sage ich: Mechanismen wie Denunziation und womöglich sogar erbetene oder zumindest angestrebte Verbote haben aus meiner Sicht mit einer glaubwürdigen und menschenwürdigen Seelsorge nichts zu tun.
„All diese Verbote und Machtdemonstrationen werden auf Dauer die Kraft einer Bewegung (…) nicht stoppen.“
DOMRADIO.DE: Wird diese Abmahnung Konsequenzen haben für ihr weiteres Vorgehen im Nachgang des Synodalen Wegs? Für die Planung der Handreichungen zum Beispiel?
Mock: Bei der Umsetzung des Synodalen Weges bewegt sich wirklich viel im Moment. Vieles wird auf Arbeitsebene angestoßen. Viele haben damit begonnen, die Beschlüsse, die gefasst wurden, in die Praxis umzusetzen. Mit Blick in die Zukunft kann ich nur sagen: All diese Verbote und Machtdemonstrationen werden auf Dauer die Kraft einer Bewegung hin zu einer Kirche der Vielfalt und der Gleichwürdigkeit nicht stoppen.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.
Die Aktion „Liebe gewinnt“ fand im Jahr 2021 zum ersten Mal statt. Unter dem Motto „Liebe gewinnt“ waren alle Paare – ausdrücklich auch gleichgeschlechtliche – zu Segnungsgottesdiensten eingeladen.
Auf der Aktionsseite http://www.liebegewinnt.de konnten sich Gemeinden eintragen. Mit 110 Gottesdiensten reagierten Seelsorgende auf ein zuvor ergangenes Nein des Vatikan zur Segnung homosexueller Paare.
Title: „Denunziation hat mit Seelsorge nichts zu tun“ / ZdK-Vize kritisiert Priester-Abmahnung im Erzbistum Köln
URL: https://www.domradio.de/artikel/zdk-vize-kritisiert-priester-abmahnung-im-erzbistum-koeln
Source: DOMRADIO.DE – Der gute Draht nach oben
Source URL: https://www.domradio.de/
Date: July 31, 2023 at 04:41PM
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