»Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht«: Sie wollen die Tolkien-Serie nicht sehen? Diese sieben Argumente geben Ihnen Recht
Es ist die teuerste TV-Serie aller Zeiten, wenn auch möglicherweise nicht künftiger Zeiten, denn dann werden unter Umständen noch teurere TV-Serien produziert. Wen Fantasy bisher kaltgelassen hat, der wird es in den nächsten Monaten schwer haben. Mit »Ringe der Macht« geht der Dauerboom in eine neue Runde. Die sieben wichtigsten Argumente für Leute, die auch weiterhin nicht an den Hype glauben wollen.
Das Original ist schon wie grüner Tee, ein Kraut aus weiter Ferne. Als Lektüre ziemlich bitter, aber offenbar endlos aufgießbar. Der lange Atem des Erzählers, sein langatmiges Erzählen, das endlose Herumgelaufe der Protagonisten und – vor allem – ihre fortwährenden Lieder sind nichts für Leserinnen oder Leser mit kurzer Aufmerksamkeitsspanne. Schon klar, »die Welt wurde durch ein Lied erschaffen«, wie Tolkien schrieb. Aber muss es deswegen wie Enya klingen? Ungläubige erkennen an, dass es sich dennoch um ein wichtiges Buch handelt – nur eben für ein Genre, aus dem man früher mit 14, spätestens 16 Jahren herausgewachsen sein sollte. Früher ist vorbei, heute können adoleszente Zerstreuungen (Modellflugbau, Rolling Stones) bis ins hohe Alter betrieben werden. Wie grüner Tee kann »Der Herr der Ringe« für nachfolgende Generationen immer wieder aufgegossen werden, verliert dabei seine Bitterstoffe und wird zum leicht wegsüffelbaren Popkulturkonsumprodukt mit »LOTR«-Geschmack. Wobei man sich beim Süffeln aber fühlen kann, als studiere man gerade den »Beowulf« oder den »Gilgamesh«.
Behind-the-Scenes-Bild von »Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht«
Foto: Amazon Prime Video
Nerds regieren bekanntlich die Welt, das sei ihnen gegönnt. Nur hat sich die weltweite »Herr der Ringe«-Gefolgschaft zu einer parareligiösen Gemeinschaft gemausert. Mormonen reden, wenn sie unter sich sind, mit Leidenschaft über Joseph Smith, Cumorah, Nephi oder Moroni. Ringfreunde führen ebenso freudvoll Fachgespräche über J.R.R. Tolkien, Minas Tirith, Gandalf oder Bilbo – gehen nur, anders als Mormonen oder auch Scientologen, davon aus, dass auch Ungläubigen das frei zusammenfabulierte Personal geläufig sein muss. Wenn sie könnten, würden die Nerds vollkommen in dieser Welt aufgehen – und tun das auch temporär auf Treffen oder bei Rollenspielen. Zur Not tut’s auch ein Mittelaltermarkt. Nerds sind okay, ihre Liebe zu »Lord of the Rings« (»LOTR«) ist es auch. Auf Dauer deprimiert nur ihre absolute Humorlosigkeit. Und, nein, beim Indiehandnehmen von hübschen Sachen »Mein Chchchaaatz!« zu ächzen, das ist kein Ausweis von Humor.
Die Landschaft von Neuseeland ist schön, das haben uns schon die Filme von Peter Jackson gelehrt. Sie muss auch schön sein, weil bei Tolkien gern epische Wanderungen unternommen werden. Und dies vor ausnahmslos Instagram-tauglichem Hintergrund. Sie laufen rein in den Wald, raus aus dem Wald. Rauf auf den Berg, runter vom Berg. Rein in die Höhle, raus aus der Höhle. Zwischendurch gibt es ein Hauen und Stechen, am Abend wird behaglich eingekehrt, ein Pfeifchen geschmaucht und gesungen. Anderntags geht das Laufen weiter, obwohl die Gemeinschaft auch mühelos auf mythischen Riesenadlern nach Mordor hätte fliegen können. Verdammt, im »Herrn der Ringe« laufen sogar die verdammten Bäume! Die Computerlandschaft ist von edelkitschiger Unberührtheit und landwirtschaftsloser Überwältigungskraft. Irgendwann dämmert, dass DIE LANDSCHAFT die eigentliche Hauptrolle spielt, ihre um jede noch so leise Andeutung von Technik oder Moderne bereinigte Unberührtheit. Ungläubige verspüren bei ihrem Anblick den diffusen Wunsch, darin eigenhändig ein paar Windräder aufzustellen.
Nazanin Boniadi ist Bronwyn, Ismael Cruz Córdova spielt Arondir
Foto: Ben Rothstein / Amazon Prime Video
Das Böse ist von unergründlicher Bösartigkeit. Was bedeutet, dass das Böse zu seiner Boshaftigkeit keinen Grund hat. Es ist schlicht böse, weil es im manichäischen Schlachtengemälde einfach Gut und Böse geben muss. So wie das Gute in der Regel nicht dem Bösen anheimfällt, hat das Böse keine Aussicht auf Läuterung. Sein Vernichtungswille ist so groß, dass er auch auf die von ihm bewohnten -> Landschaften abfärbt – die dann aussehen wie der Tagebau Garzweiler oder Visionen von Hieronymus Bosch. Die Orks sind entseelte, mutmaßlich unglückliche, aber trotzdem völlig seelenlose Zombies des Bösen, erzhässliches Abschlachtfutter für die Guten. Gefallene Elben, wie Luzifer ein gefallener Engel ist. Gähn. Ungläubige wüssten gern, ob die Orks wenigstens gewerkschaftlich organisiert sind.
Ungläubige wüssten gern, ob die Orks wenigstens gewerkschaftlich organisiert sind
Foto: Ben Rothstein / Amazon Prime Video
Das Gute ist von unergründlicher Güte. Elben sehen edel aus, tun edle Dinge, denken edle Gedanken, bauen edle Städte in edlen Landschaften und sprechen edle Sprachen, die edle Namen wie Quenya oder Sindarin haben. Man trifft nur wenige Nerds, die »Orkisch« dahergrunzen können oder auch nur wollen. Nein, »Elbisch« ist das Altgriechisch der Ringfreunde. Heiraten sie einander, gravieren sie dessen Schrift auf ihre Ringe. Das Aufreizende an diesen Sprachen ist nicht nur, dass Tolkien eine komplette Grammatik, Linguistik und Etymologie dafür aus dem Hut gezaubert hat. Man kann, wenn man sie zu sprechen versucht, gar nicht anders klingen als edel. Vermutlich kann es auch gezischt werden. Ein Witz in elbischer Sprache ist aber ebenso undenkbar wie ein Einkaufszettel in elbischer Schrift. Obwohl es das unter -> Nerds vermutlich gibt. Elbisch klingt, wie die Städte der Elben aussehen, nach Jugendstil auf LSD. Ungläubige wüssten gern, wer diese Städte gebaut hat.
Das Niedliche ist von goldhamsterhafter Niedlichkeit. Die Hobbits und ihre »Ringe der Macht«-Vorfahren, die Haarfüße, leben wie die Teletubbies in Löchern in einer niedlichen Landschaft, die nicht einmal durch ihre Architektur beschmutzt wird. Es gilt die Formel: das Niedliche = das Gute – Elbisch. Die Niedlichen sind auch nicht von so feingliedriger Schönheit wie die aristokratische Rasse der Elben. Es sind eben »die einfachen Leute«, bei deren Betrachtung sich das Publikum im Zweifelsfall dann doch eher die wie -> das Gute fühlen kann. Mehr gibt es über das Niedliche nicht zu sagen. Außer dass es Träger der Geschichten und Abenteuer ist. Der Ungläubige läse gern einmal etwas über die Abenteuer von »Gnorrhökrak, den kleinen Ork«. Oder »Smaugfried: Ein Drache auf Sinnsuche«. Aber nein, es muss ernst und leidend durch endlose -> Landschaften gelatscht werden. Hin und zurück.
Haarfüße unter sich
Foto: Ben Rothstein / Amazon Prime Video
Die Kämpferei gehört zu den lästigsten Elementen von »LOTR«. Tolkien selbst, das müssen auch Ungläubige ihm zugutehalten, hatte noch weitgehend auf Spezialeffekte verzichtet. Kampfszenen lesen sich beim Chef so: »Mehrere Hobbits fielen, und die übrigen begannen zu weichen, als Merry und Pippin, die auf der Ostseite waren, herüberkamen und die Strolche angriffen.« Peter Jackson hätte aus dieser eher trockenen Beschreibung aus »Die Rückkehr des Königs« ein viertelstündiges CGI-Spektakel gemacht, mit in Zeitlupe spritzendem Blut und heiter rollenden Köpfen. Dessen mehrteilige und mehrstündige Verdünnung von »Der kleine Hobbit« wurde im Selbstversuch nach nur 40 Minuten abgebrochen, als wieder irgendein Monster irgendwelche Bäume ausriss und röhrend irgendwo hinschleuderte. Ungläubigen ist in der Literatur zu viel Stillstand und in den Filmen zu viel Kinetik. Man kann es ihnen einfach nicht recht machen.
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September 2, 2022 at 08:07PM