„Einheit in einer gewissen Vielfalt“ / Bischof Gerber sieht Papst Leo XIV. als Brückenbauer

DOMRADIO.DE: Die letzte Papsteinführung war vor über zwölf Jahren. Festliche Anlässe sind für den Vatikan ja nichts Ungewöhnliches. Aber war diese Feier noch mal herausgehoben? 

Bischof Michael Gerber (Bischof von Fulda und stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz): Mich hat diese Feier sehr bewegt und ich habe auch den Eindruck, für die Römerinnen und Römer hier und die Angestellten des Vatikans war das schon eine sehr besondere Feier. Der Papst hat für die Stadt Rom eine ganz wichtige Bedeutung, und das war sehr deutlich zu spüren. 

DOMRADIO.DE: Hatten Sie vorher schon mal die Möglichkeit, dem neuen Papst persönlich zu begegnen, zum Beispiel als er noch Kardinal Prevost war? 

Gerber: Es gab leider kein tieferes Gespräch zwischen uns beiden. Ich bin ihm im Rahmen einer Sitzung in Rom begegnet, wo er ein Teil der Delegation von römischer Seite war und wir mit einer Delegation von der Deutschen Bischofskonferenz da waren. Da habe ich ihn als einen sehr zuvorkommenden Gesprächspartner und als einen einfühlsamen Menschen erlebt. 

DOMRADIO.DE: Der neue Papst sieht sich als Brückenbauer zwischen der westlichen Welt und den Entwicklungsländern, zwischen Kirche und Welt, zwischen Arm und Reich. Inwiefern merkt man das schon jetzt? 

"So kommen Verantwortliche dieser Welt miteinander ins Gespräch."

Gerber: Der Papst bringt eine ganz besondere Biografie mit. Er ist in den USA aufgewachsen, er ist sehr stark pastoral verankert in Peru und damit in Südamerika, auch in der sozialen Realität, die damit verbunden ist. Und er hat viele Jahre in Rom gelebt, nicht nur die zwei Jahre als Kardinal, sondern zuvor die lange Zeit als Oberer seiner Gemeinschaft. 

Das ist sicherlich etwas ganz Wesentliches, das er mitbringt: Eine kulturelle Kompetenz, sich tiefer einfühlen zu können in andere Kulturen, und das ist auch für uns als katholische Kirche eine der großen Herausforderungen, die gerade die universalkirchliche Synode immer wieder benannt hat. 

So verstehe ich auch sein Motto, seinen Wahlspruch: Die Einheit in einer gewissen Vielfalt. Er hat das bei der Amtseinführung wieder angesprochen, was es heißt, diese Menschen, die ganz unterschiedlich kulturell geprägt sind, zusammenzuführen. So verstehe ich ihn als einen Brückenbauer. Und das ist er wohl auch die letzten Jahre und Jahrzehnte bereits gewesen. 

"Es ist wichtig, dass wir von Deutschland aus mit ihm gut im Gespräch sind."

DOMRADIO.DE: Jetzt hatte er in seinen ersten Amtstagen mehrfach die Botschaft des Friedens betont. Vielleicht geht er auch eines Tages als Friedenspapst in die Geschichte ein. Was kann er in Richtung Frieden bewirken? 

Gerber: Für uns ist das natürlich ein besonderes Zeichen, dass er am 8. Mai gewählt worden ist, also an dem Tag, an dem wir 80 Jahre Ende des Zweiten Weltkriegs bedacht haben. Und er hat sofort vom Frieden gesprochen, bei seiner ersten Botschaft. 

Man merkt es jetzt am Tag seiner Amtseinführung, diese ganz unterschiedlichen Menschen, die hier versammelt waren, die in ihren Ländern viel Verantwortung haben. Selenskyj war da, Vance war da. Das ist, glaube ich, eine Chance, solche Menschen miteinander ins Gespräch zu bekommen. 

Wir haben alle die Bilder im Kopf vom Treffen zwischen Selenskyj und Trump im leeren Petersdom. Das ist die Hoffnung, dass Papst Leo hier Impulse setzen kann, dass wir als katholische Kirche hier Impulse setzten können, die noch mal im guten Sinne einen Kick geben, dass Verantwortliche dieser Welt miteinander ins Gespräch kommen und Optionen jenseits kriegerischer Auseinandersetzungen ausloten. 

Aber Optionen, die mit Gerechtigkeit zu tun haben. Das ist unsere klare Botschaft als Kirche. Frieden gibt es nur mit Gerechtigkeit.

DOMRADIO.DE: Gucken wir zuletzt noch auf Deutschland. Was erwarten Sie für Deutschland vom neuen Papst? Denken Sie zum Beispiel, er kommt uns mal besuchen? Franziskus war ja nie dazu gekommen. 

Gerber: Das ist natürlich eine Hoffnung, die alle Länder haben. Ich habe bei Franziskus einen großen Respekt gehabt, dass er gerade in Länder gefahren ist, die oft wenig im Fokus der Medienöffentlichkeit stehen. Das ist eine Chance für uns als katholische Kirche, dass wir den Scheinwerfer mal auf die Länder richten, die sonst wenig im Bewusstsein sind, und das kann auch eine Entwicklung in solchen Ländern in Gang bringen. Es wird sicherlich nicht das erste sein, dass Papst Leo nach Deutschland kommt.

Ich glaube, es ist wichtig, dass wir von Deutschland aus mit ihm gut im Gespräch sind. Und da bin ich hoffnungsvoll, weil das auch gerade in den letzten Monaten und in den beiden Jahren immer wieder gelungen ist. Das haben mir in den vergangenen Tagen Menschen berichtet, die mit ihm im Gespräch waren, deutlich intensiver, als ich das selbst sein konnte, dass sie das als sehr wertschätzend erlebt haben.

Das Interview führte Tobias Fricke.

Der Heilige Vater begann mit einigen frei gesprochen Worten in englischer Sprache: 

„Ich beginne mit einigen Worten in Englisch, und fahre dann auf Italienisch fort. Aber ich möchte die Worte des Antwortpsalms wiederholen: „Ich will dem Herrn singen ein neues Lied, denn er hat wunderbare Taten vollbracht.“


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Source: DOMRADIO.DE – Der gute Draht nach oben
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Date: May 18, 2025 at 04:33PM
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