Ent-Geistert – Die #LaTdH vom 28. Mai

Religiös aufgeladene Kriegspropaganda und die Rolle der Kirchen im Ukraine Krieg. Außerdem: Genderdebatte in der Theologie, gewaltvolles Schweigen und Pfingsten auf den Erdbeerfeldern.

Herzlich Willkommen!

Philipp Groll von der Betriebsseelsorge Ravensburg und Heike Gotzmann von der Betriebsseelsorge Singen sind mit ihren Kolleg:innen der Fairen Mobilität auf den Erdbeerfeldern in Oberschwaben unterwegs. Sie klären die Saisonarbeiter:innen aus Rumänien, der Ukraine oder Polen über ihre Rechte auf, hören sich Kummer und Sorgen an, versuchen zu helfen. Sie schauen buchstäblich nach dem Rechten. Über ihre Arbeit berichtet in dieser Woche die Wochenzeitung KONTEXT:

„Ich habe gelernt, wie viele Rumänen und andere Osteuropäer in Deutschland arbeiten: in der Fleischindustrie, in der Logistik, in der Landwirtschaft. Ohne die würde hier nichts mehr funktionieren.“ Übrigens, sagt [Suzana Maurer weiter], auch in Rumänien gebe es Saisonarbeiter. Auf den Baustellen in Bukarest habe sie sehr viele Pakistaner, Inder, Bangladescher, Vietnamesen und Philippiner gesehen. „Das ist Globalisierung.“ […] „Wir müssen aufklären und den Menschen zeigen, dass sie nicht alleine hier in Deutschland sind, dass es Leute gibt, die sie unterstützen.“

Das ist nun einmal so. Da kann man nichts machen. Solche resignierenden Sätze höre ich häufig, wenn es um die große Politik geht, aber auch um Veränderungen in den Kirchen. Die Betriebsseelsorge und Kooperationen mit anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren, die am gleichen Strang wie die Kirche ziehen, sind nur zwei Beispiele für kirchliche Handlungsfelder, die unter enormen Rechtfertigungsdruck stehen. Besonders groß ist die Erklärungsnot dann, wenn es um neue Allianzen und Ideen geht. Gehört das eigentlich zu unserem „Kerngeschäft“? Was nützt das uns als Institution Kirche?

Eine schrumpfende Kirche wird genauer hinschauen müssen, für was die knapper werdenden Ressourcen Geld, Arbeitskraft und Glaubwürdigkeit eingesetzt werden. Gut, dass also wieder Pfingsten ist! Die Lesung aus der Apostelgeschichte über das Pfingstwunder ist ja ein ziemlicher Zungenbrecher, weil all die „Parther und Meder und Elamiter und die da wohnen in Mesopotamien, Judäa und Kappadozien, Pontus und der Provinz Asia, Phrygien und Pamphylien, Ägypten und der Gegend von Kyrene in Libyen und Römer, die bei uns wohnen, Juden und Proselyten, Kreter und Araber“ aufgezählt werden, die Jesu Christi galiläisches Fußvolk auf einmal alle in ihren eigenen Sprachen verkündigen hören.

Alle fragen sich: „Was will das werden?“ Gut so.

Fröhliche Pfingsten wünscht
Philipp Greifenstein


Debatte

Seit einem Jahr und drei Monaten dauert der russische Krieg gegen die Ukraine nun schon an. Das ukrainische Verteidigungsministerium bestätigte in dieser Woche, die lang erwartete Frühjahrsoffensive habe bereits begonnen. Der Kanzler warnt Putin davor, den Konflikt „einfrieren“ zu wollen, ein „kalter Frieden“ sei nicht erwünscht. Wie kann man auch Frieden nach einem „heiligen Krieg“ schließen? Und welche Rolle spielen die Kirchen?

Der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK, „Weltkirchenrat) veröffentlichte am Freitag ein bemerkenswertes Gespräch mit seinem Generalsekretär Jerry Pillay (Südafrika) als Video und auch als Text u.a. auf Deutsch und Englisch. Weil die deutsche Fassung eindeutig eine Übersetzung aus dem Englischen ist, empfiehlt sich bei Verständnisschwierigkeiten ein Blick in den englischen Text oder ins Video.

Das „Interview“ überschriebene Gespräch ist ein seltsames Dokument ökumenischer Ratlosigkeit, verpackt als gewissensfeste Apologie. Pillay geht darin auf einige Kritikpunkte am Versuch des ÖRK ein Frieden zu stiften, in dessen Rahmen ÖRK-Delegationen vor einer Woche bei den ukrainischen orthodoxen Kirchen und beim Moskauer Patriarchen Kyrill vorstellig wurden. Kritische Nachfragen sind in diesem inhäusigen Promo-Gespräch natürlich nicht vorgesehen.

Manche Leute könnten den ÖRK für das Treffen mit dem Patriarchen angesichts der aktuellen Lage und seiner Haltung zum Krieg kritisieren. Was würden Sie ihnen antworten?

Dr. Pillay: Ja, ich bin mir dessen bewusst. Mir ist bewusst, dass manche Leute in sozialen Medien ihre Kritik äußerten und über unsere Fotos mit Patriarch Kyrill und über seine Haltung zum Krieg sprachen. Das mag berechtigt sein und wir respektieren den Blickwinkel anderer Leute in dieser Hinsicht. Ich möchte nur ganz klar und deutlich sagen, dass der ÖRK es sich nicht leisten kann, sich zurückzulehnen und nichts zu tun.

So etwas nennt man ein klassisches Strohmann-Argument. Niemand hat dem ÖRK nahegelegt, angesichts der russischen Aggression und der Verwicklung des Moskauer Patriarchats in die Kriegspropaganda und -Führung die Hände in den Schoß zu legen. Die Kritiker:innen warnen nur eindrücklich davor, sich von Kyrill einspannen zu lassen. Genau dieser Eindruck ist auch nach dem neuerlichen ÖRK-Besuch in Moskau wieder entstanden. Mit Kriegstreibern macht man keine Fotoshootings. Vom kargen Ertrag der Gespräche berichtet am Ende auch Pillay:

Der Patriarch erkannte das Potenzial des ÖRK und seiner Rolle als Brücke zwar an, doch er äußerte seine Bedenken zum Runden Tisch, besonders zur Möglichkeit externer Einflussnahme – und er erwähnte explizit die USA. Er meinte, die Teilnahme an einem Runden Tisch wäre schwierig, außer wir würden diese Einflussnahmen beheben. Doch wie ich dem Patriarchen vermittelte, ist es nicht die Aufgabe des ÖRK, sich in Politik einzumischen, auch wenn das für friedliche Lösungen bei echten Problemen notwendig ist. Wir haben kein politisches Agenda und wir sind der Überzeugung, dass die Bibel uns zum Frieden aufruft. […]

Schlussendlich erreichten wir im Gespräch den Punkt, an dem der Patriarch sagen konnte, dass die Russische Orthodoxe Kirche einen internen Dialog führen würde, während wir als ÖRK weiterhin am Entwurf eines Runden Tisches arbeiten würden. Das ist ein positiver Ausblick. Ich hoffe und erwarte, dass sich alles schlussendlich so ergibt, dass wir unser Ziele erreichen können.

Der vom ÖRK vorgeschlagene „Runde Tisch“ soll im Oktober 2023 in Genf stattfinden. Am ersten Tag wollen ÖRK-Vertreter:innen mit den beiden ukrainischen orthodoxen Kirchen an deren Einheit arbeiten (s. Buntes). Beide sind (noch) nicht Mitglieder des ÖRK. Am zweiten Tag wolle man dann mit einer Abordnung des Moskauer Patriarchats / der Russisch-Orthodoxen Kirche (ROK) sprechen. Am dritten Tag sollen dann alle zusammen unter der Leitung des ÖRK an einem Tisch sitzen.

Ob das realistisch ist? Solange der Patriarch von Moskau jeden Vermittlungsversuch für seine eigene Propaganda nutzt und selbst in vertrauensvollen Gesprächen Verschwörungsmythen verkündet, wohl kaum. Der ÖRK will so gerne ein „Instrument des Dialogs“ sein, dass ihm dieser Versuch womöglich entgleitet. Der „Weltkirchenrat“ und der Vatikan sind die beiden einzigen bedeutenden zivilgesellschaftlichen Institutionen der westlichen Hemisphere, die Kyrill überhaupt noch als Gesprächspartner wahrnehmen.

Klare Stoppschilder im Dialog mit dem Moskauer Patriarchat vermisst auch Benjamin Lassiwe (@lassiwe) in der Herder Korrespondenz. Ausgangspunkt seiner Kritik ist die Laisierung des Priesters Ioann Kowal, der „in einem Gottesdienst statt für den russischen Sieg in der Ukraine für den Frieden gebetet“ hatte.

Die russisch-orthodoxe Kirche hat sich weiter radikalisiert. Da sollte sich auch der Weltkirchenrat fragen, wo seine roten Linien sind. Denn mit einer Kirche, die einen Geistlichen für ein Friedensgebet bestraft, kann man nicht ernsthaft über Frieden sprechen. Und sie gehört schon gar nicht in den ÖRK.

Gebete für den Krieg?

Werden wir derzeit nicht nur Zeug:innen der Frühjahrsoffensive der ukrainischen Armee, sondern auch einer neuen Eskalation der religiösen Kriegsrhetorik? An dieser Stelle nur zwei kleine Hinweise: Von russischen Propagandisten wie dem Erzpriester Andrei Tkachev / Andrej Tkatschow ist man nichts anderes gewohnt, aber ein Blick auf dieses kurze Video aus dem russischen Fernsehen lohnt trotzdem, um sich das Ausmaß des Hasses vor Augen zu führen. Tkatschow wurde 1960 in Lwiw geboren, war einmal Leiter der Missionsabteilung der Kiewer Diözese der damals noch zum Moskauer Patriarchat gehörenden Ukrainisch-Orthodoxe Kirche (UOK). Seit 2014 lebt er im Moskauer „Exil“, um sich der Verfolgung durch die ukrainischen Behörden zu entziehen.

Doch auch die Ukraine nutzt in ihrer Propaganda religiöse Metaphorik. Besonders derb in einem neuen Video des Chefs der Streitkräfte für die Sozialen Netzwerke, das zur Verteidigung des Heimatlandes aufruft. Der ganze Film ist ein einziges martialisches Gebet, in dem der Segen für die eigenen Waffen erbeten wird. Nach seiner Veröffentlichung gestern fand das Video auch unter Deutschen und wohl auch Christ:innen im Netz anklang. Echt jetzt?

So ehrenwert das Ziel der Ukraine ist, sich gegen den russischen Einmarsch und die Okkupation von Krim und Ostukraine zur Wehr zu setzen, so klar muss auch benannt werden, dass eine Propaganda, die den Heiligen Krieg ausruft, gefährlich und kontraproduktiv ist. So kritikwürdig – auch in meinem Augen – das tatsächlich ja politische Handeln des ÖRK in diesem Konflikt ist: An der Grundüberzeugung der Ökumene wollen wir nicht rütteln, die vor 75 Jahren zur Gründung des ÖRK festgehalten wurde: „Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein.“

nachgefasst

In Brüssel widerspricht die Evangelische Kirche der „Aushöhlung des Asylrechts“, die von EU-Kommission und Bundesregierung betrieben wird deutlich. Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein, ProAsyl und die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus warnen vor einer Verschärfung der Asylgesetzgebung. Ein Beispiel für anwaltschaftliches Handeln der Kirchen.

Der Flüchtlingsschutz an den EU-Außengrenzen soll massiv eingeschränkt werden. Es droht eine weitere Institutionalisierung des ohnehin häufig unrechtmäßigen Grenzregimes mittels einer neuen „Asylverfahrensordnung“: „Konkret bedeutet das, dass die Antragstellenden während des Verfahrens als nicht eingereist gelten und faktisch an der Grenze inhaftiert werden“, warnt der Migrationsexperte und Rechtsanwalt Matthias Lehnert.

Der katholische Kinderschutzexperte Hans Zollner (@hans_zollner) hat vor kurzem die Päpstliche Kommission zum Schutz von Minderjährigen verlassen, arbeitet aber weiterhin intensiv an der Verbesserung des Kindesschutzs und der Missbrauchsprävention. Als Experte für das Themenfeld ist er über die Grenzen seiner Kirche hinaus ein gefragter Gesprächspartner.

Im Interview bei Stefan Hunglinger (@shunglinger) für die taz spricht Zollner über die Hintergründe seines Rücktritts aus der Kommission und notwendige Verbesserungen beim Kinderschutz in den Kirchen (auch ev.) und in der Gesellschaft:

Dringend notwendig ist, dass für alle Ausbildungs- und Studiengänge, in denen es um die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen geht, das Pflichtfach Kinderschutz eingeführt wird. Das ist bis heute weder im Lehramtsstudium noch in der Psychologie, der Medizin oder der Sozialarbeit der Fall. Ich finde das unglaublich. […]

Ich will nicht als jemand erscheinen, der mit dem Finger auf andere zeigt. Aber die Protestanten sind nicht nur etwas hintendran, sondern fast 15 Jahre. Sie haben sich gerne hinter den Katholiken versteckt und bauen jetzt hohe Hürden auf, weil es bald auch an die Aufarbeitung und an Entschädigungszahlungen von Opfern in ihren Reihen geht.

„Wie ist das eigentlich mit der Prävention?“ fragt in einem Beitrag für den Anzeiger für die Seelsorge Johannes Norpoth, einer der Sprecher des Betroffenenbeirates bei der Deutschen Bischofskonferenz (DBK). Norpoth „widmet sich der Frage, ob die bisherigen Präventionsmaßnahmen wirklich Wirkung entfalten oder ob es 13 Jahre nach der ersten großen Welle in der Missbrauchskrise nicht doch einer Kurskorrektur bedarf“.

Laura Mößle (@LMoessle) ist ist Research Fellow am Institute of Anthropology, Interdisciplinary Studies on Human Dignity and Care (IADC) der Gregoriana Universität in Rom, dessen Direktor Hans Zollner ist, und schreibt im theologischen Feuilleton feinschwarz.net (@feinschwarz_net) über gewalttätige Formen von Sprechen und Schweigen über sexualisierte Gewalt. Ihre Ausführungen sind Ökumene-fähig.

Gewaltvolles Schweigen erschöpft sich aber nicht nur im Weghören, sondern kann sich zu einem aggressiven Schweigen auswachsen, das zwar zuhört und versteht – und dennoch schweigt. Aggressives Schweigen verweigert jede Stellungnahme, will sich unangreifbar machen, und zugleich die Betroffenen in ihrem Sprechen demütigen und zermürben. Diese aggressive Form des Schweigens ist existentiell destruktiv und vervielfacht dessen verheerende Gewaltwirkung, wenn es von einer gesellschaftlich akzeptierten Instanz wie der katholischen Kirche und ihren Verantwortungsträger:innen ausgeht und damit legitimiert wird.

Buntes

Zum Pfingstfest (und zu Christi Himmelfahrt) hat sich leider eine redselige Ratlosigkeit über den Inhalt dieser christlichen Feste eingestellt. Die alljährlich einsetzende Aufregung über einen Text von 2016 (und 2020) von mir darüber, dass Pfingsten nicht der „Geburtstag der Kirche“ sei, ist dafür nur ein Marker. In diesem Jahr haben wir daraus einen kleinen Instagram-Beitrag gemacht, der abermals auf recht große Resonanz gestoßen ist. Auf Twitter gibt es inzwischen lustige Memes zum Artikel.

Ein möglicher Ausweg aus der Rat- und Sprachlosigkeit ist sicher, sich die Geistwirkungen im Leben von Menschen anzuschauen. Im Rahmen eines Politiker-Interviews mit dem brandenburgischen Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) hat Benjamin Lassiwe genau das getan.

Als Konfirmand habe ich sehr klerikale Auslegungen des Christentums erlebt. Und deshalb war ich auch sehr froh, dass meine Frau mich an eine Brüdergemeinde herangeführt hat, wo ich genau dasselbe wiedergefunden habe, was ich von früher kannte: Der Hals-Nasen-Ohren-Arzt oder der BVG-Fahrer, die im Gottesdienst über ihren Glauben sprachen.

Aus solchen Andachten ziehe ich bis zum heutigen Tag Kraft für mein eigenes Leben. Deswegen habe ich mich in dieser Gemeinde auch als Erwachsener taufen lassen. Entscheidend ist für mich immer, dass es praktisch anwendbares Christentum ist und nicht Frömmelei.

Noch ein wenig weiter auseinandergerückt sind in der Ukraine abermals die beiden orthodoxen Kirchen (s. Debatte). Die autokephale (eigenständige) Orthodoxe Kirche der Ukraine (OKU) feiert Weihnachten nun zum gleichen Termin wie die katholische Kirche und die protestantischen Kirchen, während die Ukrainische Orthodoxe Kirche (UOK) weiterhin am alten Julianischen Kalender festhält.

Die Debatte um die Kalenderreform läuft schon seit vielen Jahren, aber der aktuelle Krieg spielt sicher bei dieser Entscheidung auch eine Rolle, berichtet Oliver Hinz (@OliHinz) für die KNA (@KNA_Redaktion) in der Evangelischen Zeitung (@Evangelische). Wie das Oberhaupt der OKU, Metropolit Epiphanius, sagte, gehe es um die „ukrainische geistige Identität“. Und ich dachte immer, es geht um die Geburt des Heilands?!

Fünf Jahre Datenschutzgesetze der großen Kirchen

Seit fünf Jahren haben die Evangelische und die Katholische Kirche je ein eigenes Datenschutzgesetz. Das Jubiläum markiert Felix Neumann (@fxneumann), Redakteur bei katholisch.de, auf seinem Blog zum kirchlichen Datenschutz Artikel 91 mit Interviews mit dem Beauftragten für den Datenschutz der EKD, Michael Jacob, und dem Vorsitzenden der katholischen Datenschutzkonferenz, Matthias Ullrich. Müssen es wirklich noch einmal fünf Jahre werden?

Theologie

Im Deutschen Pfarrerinnen- und Pfarrerblatt wird anregend und gelegentlich aufgeregt über „Gender und Geschlecht in der Kirche“ gestritten. Eine Antwort auf einen kontroversen Beitrag zum Thema von Jantine Nierop (@JantineNierop), Privatdozentin für Praktische Theologie an der Universität Heidelberg und Mitglied im sog. „Netzwerk Wissenschaftsfreiheit“, haben nun Charlotte Jacobs, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Systematische Theologie der Evangelisch-Theologischen Fakultät der LMU München, und Eule„Sektion F“-Kolumnistin Carlotta Israel (@carli_is), Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Kirchengeschichte ebenda, geschrieben.

Die evangelische Kirche würde sich unter Wert verkaufen, wenn sie nicht gerade ihre Kompetenz im Umgang mit ambivalenten Lebenswirklichkeiten als Stärke begreifen und den strukturellen Herausforderungen aufgeschlossen begegnet und aktiv Veränderung mitgestalten würde.

Demgegenüber erweist sich der Verweis auf die Gebärfähigkeit als Ausschlusskriterium des Frau-Seins in der Praxis als Bärendienst. Gerade wem die Gleichstellung der Frau ein Anliegen ist, sollte sich vor Kurzschlüssen hüten, die sich lediglich auf potenzielle Schwangerschaft beziehen.

Moralische Panik, „Cancel Culture“ und „Wokeness“ sind in Diskursen unter Akademiker:innen inzwischen weitverbreitete Signalwörter. Auch die Feuilletons mancher betont bürgerlicher Zeitungen geben sich lustvoll der Verteidigung von Meinungsfreiheit gegen „links-grün-vergenderte“ Angriffe hin.

Adrian Daub (@adriandaub) lehrt an der Universität Stanford (Kalifornien/USA) und hat zwei sehr lesenwerte Bücher über den Einfluss von US-Debatten auf die deutsche Diskurslandschaft geschrieben: „Was das Valley denken nennt“ (2020, in der Eule hier) und zuletzt „Cancel Culture Transfer“ (2022). Im Interview bei Elia Blülle (@elia_bluelle) von der schweizerischen Republik erklärt er gegenwärtige Aufreger.

Wieso spielen in diesen Diskursen Geschlechter­fragen so eine zentrale Rolle?

Trans Menschen eignen sich gut als Feindbild, weil sie stark marginalisiert sind, keine Lobby haben und sich kaum wehren können. Und die Gender­theorie und der Feminismus greifen den ideologischen Kern konservativer Politik an: die Vorstellung, dass die derzeitigen Hierarchien und Rollen­verteilungen natürlich und richtig seien. Das dürfte gerade für viele weisse Männer, die den Diskurs um Wokeness und Cancel-Culture befeuert haben, essenziell sein – auch auf einer ganz persönlichen Ebene. Der Diskurs enthält für sie die beruhigende Botschaft, dass sie sich ihre Macht und erhaltene Aufmerksamkeit selbst verdient hätten. Sie haben sie nicht deshalb, weil ihnen ein sexistisches oder rassistisches System dabei geholfen hat.

Predigt

Just als ich die Begrüßung dieser #LaTdH schrub, reichte mir #LaTdH-Kollege Thomas Wystrach (@wystrach) diesen Pfingsttext von Johannes Poiger auf Twitter herein, der hervorragend zu eben jener Begrüßung passt. Auf Twitter hatte ich nach Pfingstpredigten für das Verlinken hier in den #LaTdH gefragt. Die Resonanz fiel sehr bescheiden aus. Es wird in unseren Kirchen, offenbar auch in der alt-katholischen, viel und häufig gut gepredigt. Leider sind die Predigt- und Pfarrer:innen-Blogs aus der Mode gekommen. (Ein Grund dafür, warum wir an dieser Stelle deutlich seltener Predigten präsentieren als früher.)

Ein guter Satz

„Wir haben der Stadt den Glauben geschenkt.“

– Edin Terzić, Trainer von Borussia Dortmund nach der vergebenen Meisterschaft gestern in einem bemerkswert religiös aufgeladenen Artikel von Stephan Uersfeld (@uersfeld) bei ntv.de



Title: Ent-Geistert – Die #LaTdH vom 28. Mai
URL: https://eulemagazin.de/entgeistert-die-latdh-vom-28-mai/
Source: REL ::: Die Eule
Source URL:
Date: May 28, 2023 at 10:01AM
Feedly Board(s):