Schon die Jünger:innen forderten: „Lehre uns beten!“ Obwohl das Beten auf dem Markt der Spiritualitäten ein Pfund ist, mit dem die Kirchen wuchern könnten, widmen sich nur wenige Podcasts dieser Praxis.
Seit geraumer Zeit betreiben die Kirchen ein bundesweite Lärmbelastigungskampagne gegen die ruhebedürftige Öffentlichkeit. Je nach sogenannter Läuteordnung bimmeln die Glocken einer jeden Kapelle nicht nur, um eine volle Stunde oder gar Viertelstunde, das Ende des Tages, den Todeszeitpunkt Jesu und das zeitige Beginnen eines Gottesdienstes anzukündigen, sondern auch – und das mag Anwohnende nicht selten zum zweiten Mal aus Ihrem sonntäglichen Schläfchen jagen – während eines evangelischen Gottesdienstes zeitgleich zum Vaterunser.
Das Vaterunser, das wichtigste Gebet der Christ*innenheit. Nicht nur seine Kürze und Prägnanz sind bemerkenswert, auch die Art und Weise, in der Jesus seinen Jünger:innen in den Evangelien nach Matthäus und Lukas die sieben Bitten an Gott Vater pitcht, ist eindrücklich. Jesus leitet sie zum Beten an, bei Lukas sogar auf die explizite Bitte hin: „Lehre uns beten!“
Lehren und Lernen haben instinktiv nicht viel mit Beten gemeinsam, gerade wenn eigene Erfahrungen mit Andacht, Fürbitte und Versenkung fehlen. In gegenwärtigen Religionsdiskursen, die stets den je eigenen und unabhängigen Stil einer spirituellen Praxis als Ideal betonen, wird eine Rangordnung zwischen Lehrenden und Lernenden schnell als Indoktrination aufgefasst.
Das hat die römisch-katholische Ordensgemeinschaft der Jesuiten nicht davon abgehalten, unter dem Titel „Einfach beten!“ am Gründonnerstag mit einem Podcast zur Gebetsanleitung Premiere zu feiern. Als Autoren sind die Ordensbrüder Dag Heinrichoswki und Martin Föhn angegeben. Wer tatsächlich am Mikrofon sitzt, ist aber gar nicht so leicht zu sagen: Den Episoden gehen keine großen Vorreden voran.
„Einfach beten“ ist nicht einfach
In etwas mehr als 10 Minuten Sendezeit formulieren die Sprechenden in Anknüpfung an eine Lesung des jeweiligen Tagesevangeliums des Sonn- oder Feiertags Anregungen zum eigenen Gebet, rufen etwa am Karsamstag: „Gibt es Dinge in meinem Leben, wo ich in einem Dazwischen stehe? Wo muss oder will ich Abschied nehmen; und nach was kann ich mich ausstrecken?“ Akustische Gitarrenklänge, Gesänge aus Taizé oder Klassiker des christlichen Chorgesangs wie das Misere von Gregorio Allegri untermalen die Impulse und Ruhephasen. Den Schlusspunkt bildet – was auch sonst – das Vaterunser. Vieles davon mag routinierten Kirchgänger:innen wie alte Schule vorkommen.
Im Hintergrund der Produktion steht die zentraleuropäische Provinz des Jesuitenordens, die bereits englisch- und französischsprachige Pendants des Formats verantwortet. Von Rom aus sind die Jesuiten dazu gehalten, das sogenannte Gebetsapostolat zu popularisieren. Für jeden Monat empfiehlt Papst Franziskus den Gläubigen ein Oberthema zur besonderen Berücksichtigung bei ihrer Fürbitte. Dass das Anliegen für April „Für eine Kultur des Friedens und der Gewaltlosigkeit“, bisher höchstens unterschwellig in „Einfach beten“ zur Sprache kam, mag an der offenen Form oder am bisherigen Fokus auf die Karwoche liegen.
All das macht klar, dass die Formel „Einfach beten“ nicht bedeutet, dass der Podcast frei von Vorrausetzungen ist. Schon die Selbstbeschreibung als „ignatianische Betrachtung“ deutet an, dass die Zielgruppe Erfahrung mit dem Gebet hat und den Namen des Jesuitengründers Ignatius von Loyola einordnen kann. Exerzitien, geistige Übungen, wie sie bis heute praktiziert werden, gehen auf Ignatius zurück. Die Idee, Gläubigen durch geschärfte Aufmerksamkeit Möglichkeiten zu einer direkteren Gottesbeziehung zu vermitteln, hat sicher Aussicht, neue Fans zu gewinnen.
Ich sehe das Potential des Podcasts vor allem in seiner sehr schlichten und unaufgeregten Atmosphäre, die auch Neueinsteigenden zwar die Hand reicht, sie aber nicht vereinnahmt. Ob eine direktere inhaltliche Anregung zum Gebet, zum Beispiel im Sinne der päpstlichen Empfehlungen, mit der Absicht der Podcastmacher übereinstimmt, kann ich nicht abschätzen. Es wäre einen Versuch wert.
Scheu vor Hohn und Spott?
Wie kann ich denn wohl beten lernen, wenn ich überhaupt keine Berührung damit haben durfte? Was, wenn keine Großmutter mir abends am Bett vorgemacht hat, wie es gehen könnte? Christliche Bekannte fragen mich häufig nach der Fürbitte: Wie funktioniert die? Bedeutet eine Fürbitte für die eine, dass mir der andere egal ist? Müsste Gott nicht eh schon wissen, was ich brauche?
Einführender im Charakter als „Einfach beten“ ist der Podcast „Praying Like Monks, Living Like Fools“ des amerikanischen Pastors Tylor Staton aus Portland, tätig in der Bridgetown Church. Unter demselben Titel erschien auch ein Buch zum Thema. Im sechsteiligen Podcast widmet sich jede Folge einer Art des Gebets, die Staton mit Gäst:innen erklärt und mit Anekdoten anreichert. Inhaltlich gehen die skriptlosen Dialoge aber in der Regel völlig von der Ausgangsfrage ab und bieten vor allem ein Sammelsurium von biographischen Erzählungen.
Abgeschaltet habe ich, als ein Gast neurologische Studien zitierte, die aussagen sollen, dass vor dem Einschlafen und nach dem Aufwachen das menschliche Gehirn besonders beeinflussbar sei. Wie schrecklich, dass so viele Menschen in dieser Zeit Pornos und Netflix oder Mails und Twitter den Vorrang vor dem so viel wertvolleren Gebet geben! Man sollte doch dem Vorbild der antiken Kirche folgen.
In der Anlage des Podcasts sehe ich aber eine kopierenswerte Idee. Es gibt aus meiner Sicht noch viel zu gewinnen auf dem Markt der Gebetspodcasts. Während intellektuelles Futter rund um Schrift, Kirche und Theologie auf vielen Kanälen und aus den unterschiedlichsten Frömmigkeiten kommend zu finden ist, kann noch einiges passieren, wenn es um die praktische Anleitung geht. Vielleicht gibt es eine gewisse Scheu vor Hohn und Spott, die man für öffentlichen Zurschaustellung von Gebet und Co. kassieren kann? Oder vor der Starre eines aufgezeichneten und unveränderlichen Gebets, das im Grunde nur ein Vortrag wäre? Man sollte es trotzdem probieren. Das Glockenbimmeln auf den Podcast-Plattformen ist bisher noch leicht zu überhören, doch kann man auch bis zur Unkenntlichkeit unaufdringlich sein.
„Einfach beten“ findet ihr auf einer eigenen Website und zahlreichen Podcast-Plattformen. „Praying Like Monks, Living Like Fools“ u.a. auf Spotify und bei Apple Podcasts.
In unserer Serie „#abgehört“ stellen wir seit 2017 Podcasts vor: Podcasts zu klassischen Kirchenthemen und solche, die Neuland betreten. Podcasts, die von Theolog:innen gemacht werden und sich um Bibel und Predigt drehen, und Podcasts zu (Rand-)Themen, die mehr Aufmerksamkeit verdienen. Seit 2022 schreibt Frederik Ohlenbusch für uns frische Podcast-Kritiken.
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Title: Faltet Eure Hände und redet
URL: https://eulemagazin.de/faltet-eure-haende-und-redet/
Source: REL ::: Die Eule
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Date: April 21, 2023 at 09:14AM
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