Herzlich Willkommen!
„Viele Menschen haben Familienmitglieder verloren, sind traumatisiert und haben alles verloren, was ihnen lieb war. Diese Wunden heilen nur langsam. [..] Es ist schwierig, ein normales Leben zu führen, wenn man sich ständig fragt, ob es jemals wirklich Frieden und Sicherheit geben wird.“
Maher Habesch lebt seit bald 30 Jahren in Deutschland. Er ist als Kind einer jesidischen Familie nach Deutschland gekommen. Heute ist er verheiratet, Vater, ehrenamtlich und politisch engagiert und arbeitet im Haushaltsreferat des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Hannover. In einem Kurzinterview anlässlich des Sonntags Reminiszere auf der Website der EKD erzählt er vom Schatten, den die Verbrechen des Islamischen Staates (IS) noch immer auf das Leben der Jesid:innen werfen und vom schwierigen Ankommen in Deutschland. Erst nach 25 Jahren hat Habesch die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten.
Am Passionssonntag Reminiszere erinnert die Evangelische Kirche an verfolgte und bedrängte Christen. In diesem Jahr (also vergangenen Sonntag) besonders an die Situation von Christ:innen und Jesid:innen im Irak. Eine eigene Themenseite auf der EKD-Website enthält weiterführende Informationen und Material für den Gottesdienst. Die Kollekte des Sonntags war u.a. für die christliche Hilfsorganisation CAPNI bestimmt.
Gelegentlich wird ja den großen „liberalen“ Kirchen von evangelikaler bzw. sehr konservativ katholischer Seite aus vorgeworfen, sie würden sich für das Schicksal verfolgter Glaubensgeschwister nicht wirklich interessieren: Weil sie sich mühen, immer auch die Situation von Gläubigen anderer Religion mit zu bedenken und ihr Engagement auf wissenschaftlich korrekte Daten stellen. Die Schicksale bedrängter und verfolgter Christ:innen werden nicht selten zur Verschiebemasse in einer Auseinandersetzung, die eigentlich andere Gründe und Ziele hat.
Vor zwei Jahren haben EKD und Deutsche Bischofskonferenz (DBK) ihren bisher letzten und dritten „Ökumenischen Bericht zur Religionsfreiheit weltweit“ (PDF) vorgelegt. In der Einleitung wird erklärt:
„Zu einem richtigen Verständnis der Religions und Weltanschauungsfreiheit gehört auch, dass sie kein isoliertes Recht darstellt, sondern erst im Zusammenspiel mit den anderen Menschenrechten vollständig erschlossen werden kann.“
Ohne Frieden und Sicherheit – auch von Wohnung und Ernährung – keine Freiheit der Religionsausübung. In dieser Perspektive muss beunruhigen, ja entsetzen, welche globalen Probleme derzeit durch den Wegfall der Entwicklungshilfe der USA entstehen. Auch in Deutschland wird daran gearbeitet, die Mittel für internationale Entwicklungszusammenarbeit zusammenzustreichen und stärker an geopolitische Interessen zu binden. Mehr dazu in der „Debatte“ dieser #LaTdH.
Eine gute Woche wünscht
Philipp Greifenstein
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Debatte
Der von US-Präsident Donald Trump und seinem „Berater“ Elon Musk orchestrierte und inszenierte Staatsstreich in den USA hat weltweit Folgen. Nicht nur stehen die Zukunft der Ukraine und die gesamte Sicherheitsarchitektur Europas zur Disposition, die umfassenden Abrissarbeiten an der Enwicklungshilfebehörde USAID gefährden Millionen von Menschen vor allem in Südamerika, Asien und Afrika. Bereits kurz nach seinem Amtsantritt hatte Donald Trump „die Arbeit der Entwicklungsbehörde weitgehend gestoppt, den Hauptsitz in Washington geschlossen und einen Großteil der Mitarbeiter beurlaubt“.
Auch wenn das letzte Stündlein von USAID dank der Intervention der Gerichtsbarkeit noch nicht geschlagen hat: Der bereits angerichtete Schaden ist wohl schwer zu reparieren. In einem gemeinsamen Positionspapier für die Verhandlungen um eine neue Bundesregierung hatten die kirchlichen Hilfswerke Brot für die Welt und Misereor u.a. gefordert, Europa müsse die entstandene Lücke in der Finanzierung von Hilfsprojekten schließen (s. #LaTdH vom 2. März): „Deutschland muss jetzt, da die Auslandshilfen der USA wegbrechen, Verantwortung übernehmen.“ Stephan Klingebiel vom German Institute of Development and Sustainability (IDOS) erklärte bei tagesschau.de:
„Die USA sind auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit weltweit mit großem Abstand das größte Geberland. 2023 waren es gut 65 Milliarden US-Dollar, davon ungefähr 50 Milliarden US-Dollar über USAID. Ungefähr 42 Prozent der humanitären Hilfe der Vereinten Nationen stammen aus den USA. Wenn diese Hilfe von heute auf morgen eingefroren wird, hat das sofort massive Folgen – dann kommt ein ganzes System zum Erliegen.“
Bittere Folgen – Bernd Hontschik (Frankfurter Rundschau)
In seinem Kommentar für die Frankfurter Rundschau erklärt Bernd Hontschik anknüpfend an die viral gegangene Rede des französischen Senators Claude Malhuret die bitteren Folgen der USAID-Zertrümmerung. Auch weist er darauf hin, dass USAID niemals nur einfach geholfen hat, sondern die USA mit USAID immer schon geopolitische und strategische Interessen verfolgt haben.
Klar ist, dass unter der Trump-Regierung die bisherige Entwicklungshilfe radikal zusammengestrichen wird und noch viel stärker als bisher an nationale Interessen zurückgebunden werden soll. Jede Entwicklungszusammenarbeit ist im besten Fall auch strategisch, insofern sie Probleme adressiert, die nur scheinbar am anderen Ende der Welt existieren. Hat uns die Pandemie nichts gelehrt?
Programme zur Krankheitsbekämpfung, Epidemieprävention und Aufbau einer medizinischen Grundversorgung in Lateinamerika, Asien und vielen afrikanischen Ländern brachen abrupt in sich zusammen. Tausende von Beschäftigten dort verloren von heute auf morgen ihren Arbeitsplatz. […] Wessen Blick über den Tellerrand reicht, der muss rasch sehen, dass Frieden, Freiheit und vor allem auch Gesundheit in unserem Land direkt abhängig sind von klugen internationalen Hilfsinterventionen. Gegenwärtig ist dieses Wissen in den USA völlig unter die Räder gekommen.
In seinem Artikel erwähnt Hontschik auch die anschwellende Kritik an der Entwicklungszusammenarbeit in Deutschland. Entsprechende mit einigen Lügen versehene Propaganda spielte auch im Bundestagswahlkampf immer wieder eine Rolle. Und dann wäre daneben und darunter schlicht das Interesse von CDU/CSU, über Entwicklungshilfe stärker „entlang nationaler Interessen“ zu entscheiden, wie es Thorsten Frei (CDU, röm.-kath.) ausdrückt. Frei gehörte im Wahlkampf zu den „eskalierenden Konservativen“ (s. #LaTdH vom 9. Februar).
„Schneller als Trump?“ – Merz will Entwicklungshilfe halbieren und Ministerium abwickeln – Thomas Krumenacker (RiffReporter)
Das unabhängige Recherche-Magazin RiffReporter berichtet, dass CDU/CSU planen, das Entwicklungshilferessort als eigenständiges Ministerium abzuschaffen. Bisher ist für die Entwicklungszusammenarbeit das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) zuständig, mit dem auch kirchliche Hilfswerke aufs Engste zusammenarbeiten. Die Union möchte das BMZ umstruktieren und ins Auswärtige Amt eingliedern.
Die Zusammenlegung solle mit einer Halbierung des Budgets für Entwicklungszusammenarbeit einhergehen, erfuhr RiffReporter aus Kreisen der Unterhändler. Auf Seiten der SPD gibt es starken Widerstand gegen die Pläne. „Wir kämpfen dafür, dass weder das eine noch das andere kommt“, sagte eine mit dem Verhandlungsstand vertraute Person. Eine Prognose darüber, wer sich am Ende durchsetzen wird, wollte in Verhandlungskreisen niemand wagen.
Die Abschaffung des Ministeriums wäre ein Bruch von historischer Dimension. Das Ministerium gibt es seit mehr als 60 Jahren. […] Derzeit leitet die SPD-Politikerin Svenja Schulze das Ressort. Schulze ist auch Verhandlungsführerin ihrer Partei in der zuständigen Arbeitsgruppe […]. Der Etat des Entwicklungsministeriums war im Zuge der Sparpolitik der Ampel-Koalition schon in den vergangenen Jahren stark zusammengestrichen worden und lag zuletzt bei gut 10 Milliarden Euro. Eine Halbierung der Finanzmittel würde die bislang führende Rolle Deutschlands in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit stark schwächen.
Statt also die wegbrechenden Milliarden von USAID zu ersetzen oder sich auf einen Rückzug der USA aus der Finanzierung von Hilfsprogrammen der Vereinten Nationen vorzubereiten, will die Union auch an der deutschen Entwicklungshilfe sparen. Was ist daran strategisch oder im langfristigen „nationalen Interesse“?
Title: Freiheit und Verantwortung – Die #LaTdH vom 23. März
URL: https://eulemagazin.de/freiheit-und-verantwortung-die-latdh-vom-23-maerz/
Source: REL ::: Die Eule
Source URL: https://eulemagazin.de
Date: March 23, 2025 at 10:56AM
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