WIESBADEN. Die Union führt in Sachen Genderverboten mittlerweile einen – einst von der AfD losgetretenen – Kulturkampf, wie News4teachers mehrfach berichtete (wie hier). So zwingt auch Hessens CDU-geführte Landesregierung die Schulen, ihren Schülerinnen und Schülern diesen Vorstoß für mehr Geschlechtergerechtigkeit zu verbieten. Was sagen Kultusminister und Bildungsgewerkschaften heute, ein Jahr nach Herausgabe der Dienstanweisung, dazu?
«Schüler*innen», «SchülerInnen», «Schüler:innen»? Ein Jahr nach ihrem Start zieht Hessens schwarz-rote Landesregierung ein positives Zwischenfazit bei ihrem Verbot solcher Genderformen in Texten an Schulen. Bildungsgewerkschaften halten hingegen an ihrer Kritik an dieser staatlichen Weisung fest.
Isabel, eine 17 Jahre alte Schülerin an einem Wiesbadener Gymnasium, sagt allerdings auch: «Die meisten bei uns haben dieses hessische Genderverbot noch gar nicht mitbekommen.» Von Fehlerwertungen bei Genderformen habe sie bislang nichts gehört. «Die Intention beim Gendern kann ich aber nachvollziehen», ergänzt Isabel, die ihren Nachnamen nicht nennen will. Geschlechtergerechtigkeit sei wichtig, auch in der Sprache.
Der schwarz-rote hessische Koalitionsvertrag schreibt (auf Drängen der CDU) fest, «dass in der öffentlichen Verwaltung sowie weiteren staatlichen und öffentlich-rechtlichen Institutionen (wie Schulen, Universitäten, Rundfunk) auf das Gendern mit Sonderzeichen verzichtet wird und eine Orientierung am Rat für deutsche Rechtschreibung erfolgt».
Gendersternchen gelten als Fehler – «Jede Lehrkraft steht für die Vermittlung von fehlerfreiem Deutsch»
Unter Berufung auf das «amtliche Regelwerk» dieses Gremiums teilt das vom CDU-Politiker Armin Schwarz geführte Bildungsministerium mit, Gendern mit Sonderzeichen wie Doppelpunkt, Binnen-I, Unterstrich oder Sternchen in Wörtern werde daher in Schulen im Schriftlichen als Fehler gewertet.
«Das ist wie bei anderen Rechtschreibfehlern. Texte müssen verständlich und lesbar sein», betont das Ministerium in Wiesbaden. Zumal für Menschen, «die noch nicht gut Deutsch können. Dafür braucht es eine klare Orientierung. Jede Lehrkraft steht für die Vermittlung von fehlerfreiem Deutsch. Wir stellen eine breite Akzeptanz dazu vor Ort fest», versichert das Bildungsministerium.
Zur Dienstanweisung von Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) vom März 2024 an Behörden und Schulen, nicht mit Sonderzeichen zu gendern, bekräftigt das Ministerium: «Das kennen alle und es braucht hierzu keine gezielten Weisungen mehr.»
Der hessische Vorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW, Thilo Hartmann, spricht dagegen von einem «Gefühl der Gängelung». Die von Regierungschef Rhein im Sinne einer geschlechtergerechten Sprache etwa empfohlenen Paarformen wie Lehrerinnen und Lehrer schlössen «nicht alle in Deutschland seit 2017 anerkannten Personenstände» ein.
Das Bundesverfassungsgericht seinerzeit entschieden, dass es neben «männlich» und «weiblich» im Geburtenregister eine dritte Option geben muss. Unklar ist laut Hartmann aber in Hessen noch immer, «wie bei der Zeugniserstellung eine geschlechtsneutrale Angabe von Schüler*innen und der Lehrkraft erfolgen soll. Aktuell ist dies technisch nicht möglich.» Hier müsse das hessische Bildungsministerium handeln, «um die Vorgaben des Gleichstellungsgesetzes auf Bundesebene zu erfüllen».
«Das Genderverbot zwingt Lehrkräfte dazu, als Sprachpolizei aufzutreten»
«Ein populistisches Verbot geschlechterinklusiver Sprache mag für viele eine akademische Fragestellung sein. Für trans-, inter- und nichtbinäre Lehrkräfte und Schüler*innen ist dieses Vorgehen jedoch weit mehr», erklärt Hartmann. Gerade junge Menschen mitten in ihrer Persönlichkeitsentwicklung litten häufig unter Scham und Selbstzweifeln, «wenn sie feststellen, dass das zugewiesene biologische Geschlecht nicht dem eigenen Erleben entspricht». Sie treffe «ein solcher Angriff ganz besonders» – gerade im Schutzraum Schule.
Verstörend ist dem GEW-Landeschef zufolge der Aufwand, «um diese ideologiegeleitete Vorgabe bis in den letzten Winkel des Landes umzusetzen. So sind in manchen Schulämtern Sachbearbeitungen dazu angehalten, Homepages der Schulen zu durchforsten.» Diese müssten trotz Personalmangels und hoher Arbeitsbelastung die entdeckten verbotenen Genderformen ändern – auch in teils sehr alten Beiträgen. Hartmann kündigt für März 2025 eine Podiumsdiskussion der GEW «mit Stimmen aus der pädagogischen Praxis und der hessischen Bildungspolitik» zu Gendersprache in Schulen an.
Die Bildungsgewerkschaft VBE beklagt, das Genderverbot zwinge Lehrkräfte dazu, «als Sprachpolizei aufzutreten, wenn Schülerinnen und Schüler sich – aus welchen Gründen auch immer – für das Gendern entscheiden».
Das Verbot sei überflüssig und kleinlich. Gesellschaftliche Entwicklungen und die Entwicklung von Sprache ließen sich so nicht stoppen. Selbst für den Rat für deutsche Rechtschreibung sei das Ende offen, ergänzt der VBE angesichts der Feststellung des Gremiums im Dezember 2023, wonach es die weitere Schreibentwicklung beobachten werde. Eine geschlechtergerechte Schreibweise ist laut des Rats für deutsche Rechtschreibung «aufgrund des gesellschaftlichen Wandels und der Schreibentwicklung noch im Fluss».
Die Bildungsgewerkschaft VBE hält fest: «Gendern und Gendersternchen werden als Ausdruck von Gerechtigkeit gegenüber allen Geschlechtern verstanden und können helfen, diese Vielfalt sichtbar zu machen.» News4teachers / mit Material der dpa
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Title: Genderverbote als Kulturkampf – GEW: Sachbearbeiter von Schulämtern werden angehalten, Schulhomepages zu durchforsten
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Date: January 8, 2025 at 11:52AM
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