Gesucht: ein/e „Digitalisierungsbeauftragte/r“ für die ganze Schule. Biete: eine Wochenstunde Entlastung

Gesucht: ein/e „Digitalisierungsbeauftragte/r“ für die ganze Schule. Biete: eine Wochenstunde Entlastung

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DÜSSELDORF. Die neue nordrhein-westfälische Schulministerin Dorothee Feller (CDU) geht die erkennbar zäh laufende Digitalisierung der Schulen mit frischem Schwung an. Helfen soll eine neue Institution: ein oder eine Digitalisierungsbeauftragte/r. Bedeutet: Jede Schule muss eine Lehrkraft benennen, die die Chose übernimmt – für eine Entlastungsstunde pro Woche. Dafür brachte Feller nun eigens einen Erlass heraus. Wie man den aber auch dreht und wendet (was wir im Folgenden tun): Zielführend erscheint die Initiative nicht.  

Mission Impossible? In jeder der 5.407 Schulen in Nordrhein-Westfalen muss ein/e Digitalisierungsbeauftragte/r benannt werden. Illustration: Shutterstock

„Die Entwicklung einer schuleigenen digitalen Schul- und Unterrichtskultur kann dann gelingen, wenn sie als gemeinsamer Innovationsprozess verstanden wird, für den gemeinschaftlich Verantwortung übernommen wird“, so heißt es einleitend in dem Erlass mit dem opulenten Titel: „Lehren und Lernen in der Digitalen Welt; Digitalisierungsbeauftragte“.

Klingt gut, ist aber offensichtlich nur als sonore Wortwolke ohne Wert zu verstehen – denn schon der nächste Satz steht in klarem Widerspruch zu dem Appell ans gemeinschaftliche Tun: Es geht nämlich darum, einem oder einer einzelnen Lehrkraft die Verantwortung für „den Innovationsprozess“ aufzudrücken. „Digitalisierungsbeauftragte unterstützen ihre Schule bei pädagogisch-didaktischen Prozessen der Schul- und Unterrichtsentwicklung in einer digitalen Welt“, so ist zu lesen. Und weiter: „Mit dem nachfolgenden Erlass werden die Beauftragung und Aufgaben der Digitalisierungsbeauftragten näher gefasst.“ Das Wort „gemeinschaftlich“ kommt im Folgenden nicht mehr vor.

„Die Beauftragung soll möglichst im Einvernehmen mit der Lehrkraft erfolgen“

Stattdessen heißt es: „Die Schulleitung jeder öffentlichen Schule beauftragt eine Lehrkraft mit der Wahrnehmung der Aufgaben einer oder eines Digitalisierungsbeauftragten. Die Beauftragung soll möglichst im Einvernehmen mit der Lehrkraft erfolgen. Der Lehrerrat wird gemäß § 69 Abs. 2 SchulG beteiligt.“ Im Klartext: Benennungen gegen den Willen einer Kandidatin oder eines Kandidaten sind ausdrücklich erlaubt.

Was soll denn ein/e solche/r Digitalisierungsbeauftragte/r leisten? Nicht wenig. Im Wortlaut:

„Die Digitalisierungsbeauftragten sind Teil der an der Schule etablierten Gremien zur digitalisierungsbezogenen Schul- und Unterrichtsentwicklung.

Die Schulleitung vereinbart gemeinsam mit der oder dem Digitalisierungsbeauftragten jeweils schuljahresbezogene Aufgabenschwerpunkte, die sich an den schulischen Rahmenbedingungen und der für die Aufgabe zur Verfügung gestellten zeitlichen Ressource orientieren.

Digitalisierungsbeauftragte werden im Rahmen einer ‚Qualifizierung Digitalisierungsbeauftragte‘ für ihre Tätigkeit qualifiziert.

Sie unterstützen die pädagogischen Prozesse der digitalisierungsbezogenen Entwicklungsvorhaben der eigenen Schule, indem sie

  • sich aktiv in die (Weiter-)Entwicklung des schuleigenen Medienkonzepts und an den Berufskollegs in die Entwicklung von schuleigenen Unterrichtsvorgaben und Didaktischen Jahresplanungen einbringen;
  • sich regelmäßig über Landesprodukte, -strategien und -programme zur digitalisierungsbezogenen Unterrichts- und Schulentwicklung informieren und diese Informationen allen Beteiligten zur Verfügung stellen;
  • sich auf der Grundlage der aktuellen Bezugsdokumente für das Lehren und Lernen in der digitalen Welt in den in der Schule etablierten Gremien zu digitalisierungsbezogenen Fragestellungen einbringen;
  • den Austausch in ihrem Kollegium über Möglichkeiten zur Unterrichtsgestaltung mit digitalen Medien initiieren und begleiten sowie über die diesbezüglichen Fortbildungsangebote informieren und hierzu beraten;
  • an den regelmäßigen lokalen Vernetzungsveranstaltungen, die von den Medienberatenden angeboten werden, teilnehmen und Vernetzungsprozesse aktiv vorantreiben;
  • die Schulleitung zum Thema der verantwortungsvollen Nutzung digitaler Medien im pädagogischen Kontext beraten und auf die Medienberatenden oder zuständige Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner, z.B. für Cybermobbing und Präventionsangebote verweisen.“

Weil es also erkennbar Arbeit ist, einen komplexen „Innovationsprozess“ einer Schule zu leiten, gibt es auch etwas dafür – einen „Ausgleich“. Im Wortlaut: „Die Digitalisierungsbeauftragten erhalten für ihre Aufgabe eine Wochenstunde als Ausgleich, die auf das Unterrichtsdeputat anzurechnen ist.“

Eine Wochenstunde? Das ist bemerkenswert – in zweierlei Hinsicht: Entweder ist der einzuleitende „Innovationsprozess“ doch nicht so komplex wie aufgelistet, sodass er in einer einzigen Lehrer-Wochenstunde zu erledigen wäre. Oder es handelt sich um einen Auftrag, der per se gar nicht zu erfüllen ist – also eine Art Mogelpackung zu Lasten der beauftragten Lehrkräfte.

Umgerechnet 212 weitere Lehrkräfte stehen für den Unterricht in NRW auf absehbare Zeit nicht zur Verfügung

So oder so sind weitere Konsequenzen berechenbar. Nordrhein-Westfalen ist das Bundesland, das am stärksten unter dem Lehrermangel leidet. Aktuell können dort mehr als 4.000 Lehrerstellen nicht besetzt werden. Nun gibt es 5.407 Schulen im Land. Heißt: 5.407 Wochenstunden werden dem System zusätzlich durch die neue Aufgabe entzogen. An weiterführenden Schulen unterrichten Lehrkräfte 25,5 Wochenstunden – ergo: Umgerechnet 212 weitere Lehrkräfte stehen für den Unterricht in Nordrhein-Westfalen auf absehbare Zeit nicht zur Verfügung.

Noch Fragen? Ja, ab wann gilt die Regelung denn überhaupt? „Der Runderlass tritt am Tag nach der Veröffentlichung in Kraft.“ Heißt: Er gilt seit dem 12. September. News4teachers

Hier geht es zu dem Erlass.

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October 1, 2022 at 06:53PM