Gotteshimmel, Wolkenhimmel, Sky und Heaven. 10 Fragen und 10 Antworten zum Lernen in der Gottesfrage

Horst Heller
Dieser Beitrag als PDF

Seit es Menschen gibt, denken sie über das Göttliche nach. Doch das allein rechtfertigt nicht, dass wir die Frage nach Gott auch unterrichtlich ergründen. Angesichts der Grenzen des Lebens kann die Gottesfrage zur Lebensfrage werden. Das Lernen in diesem Lernbereich fordert viel von Lernenden und Lehrenden. Dieser Blogbeitrag beantwortet einige Fragen, die sich im Religionsunterricht auf der Suche nach einer angemessenen Rede von Gott stellen.

Frage 1: Wie gehen wir mit anthropomorphen Gottesvorstellungen um?
Jüngere Schülerinnen und Schüler nutzen vielfach konkrete Bilder, um von Gott zu reden. Gott ist demnach männlich, alt, bärtig und trägt weiße Kleidung. Diese menschenähnlichen Gottesbilder sind durchaus auch für Jugendliche und Erwachsene von Bedeutung. Es ist nicht die Aufgabe des Religionsunterrichts, solche Gottesbilder zu erschüttern. Werden diese frühzeitig kritisiert, ist es schwieriger, eine symbolsprachliche Rede von Gott zu erlernen. Schon im Grundschulalter können Lernende nämlich – wenn sie entsprechend angeleitet werden – einüben, metaphorisch von Gott zu reden. Der Religionsunterricht macht Angebote, deutungsoffene Gottessymbole zu erproben. Deren Aneignung gestaltet sich sehr individuell als behutsame Modifikation bisheriger Gottesvorstellungen. Die Schülerinnen und Schüler selbst entscheiden, wann sie menschengestaltige Gottesbilder nicht mehr brauchen.

Grundschülerinnen und Grundschüler verwechseln in der Schuleingangsphase oft noch Jesus und Gott. Das ist so, weil die religiöse Bildung für viele unserer Schülerinnen und Schüler erst in der Schule beginnt. Die Lehrperson kann das achtsam richtigstellen, wenn es nötig ist. Diese Verwechslung wird überwunden, wenn wir im Unterricht Jesusgeschichten erzählen, bedenken und deuten.


Frage 2: Warum sollen Kinder und Jugendliche ihre Gottesvorstellungen nicht malen?
Dass Gott unsichtbar ist, wissen schon die jüngsten unserer Schülerinnen und Schüler. Der Unterricht sollte sie nicht auffordern, ihre Gottesvorstellungen im Bild darzustellen. Es gibt drei wichtige Argumente gegen diesen didaktischen Zugang.

Schülerinnen und Schüler äußern Bedenken. Sie empfinden einen solchen Arbeitsauftrag als übergriffig, haben aber auch inhaltliche Einwände. Sie fragen, wie etwas bildlich darstellt werden soll, was doch keine sichtbare Gestalt hat. Manchmal fragen sie auch, ob es nicht verboten sei, ein Bild von Gott zu zeichnen. Sie haben rudimentäre Kenntnis vom biblischen Bilderverbot (2 Mose 20,3-5). Diese Rückfragen sind Ausdruck eines Unbehagens, das wir nicht übergehen sollten.

Ein Bild der eigenen Gottesvorstellung zu gestalten, widerspricht aber auch der oben ausgeführten Intention des Religionsunterrichts. Schülerinnen und Schüler gerade begonnen, ihre Gottesvorstellung zu verändern. Der Unterricht will die Kompetenz der symbolsprachlichen Rede von Gott anbahnen. Ein Malauftrag konterkariert dieses Bemühen.

Schülerinnen und Schüler insbesondere der Grundschule sind in der Regel bemüht, Arbeitsaufträge so zu gestalten, dass die Lehrperson zufrieden ist. Religionspädagogische Forschungen haben gezeigt, dass es sich bei ihren Bildern um Arbeiten handeln könnte, mit denen die Lernenden weniger ihre eigenen Ideen zu Papier bringen, als vielmehr versuchen, der vermuteten Erwartungshaltung der Lehrperson zu entsprechen.


Frage 3: Wie bahnen wir eine symbolsprachliche Gottesrede an?
Die Bibel redet in zwei Formaten von Gott: Sie erzählt Geschichten und sie nutzt Sprachbilder. Beide Wege sind unterrichtlich wertvoll. Einige Beispiele für Metaphern und Symbole: Gott ist (wie) eine feste Burg, (wie) ein guter Hirte, (wie) eine Quelle oder (wie) ein Licht auf dem Weg, ein Herr oder „Unser Vater im Himmel“. Einige Überlegungen dazu:

Neuere und eigene Gottesmetaphern kommen hinzu. Je abstrakter die Sprachbilder sind, desto offener sind sie für eigenen Deutungen. Licht, Liebe, Wärme, aber auch ein Ausrufe- oder ein Fragezeichen regen an, sie mit eigenen Inhalten zu füllen. Konkretere Gottesbilder wie Burg oder Hirte stehen hingegen in der Gefahr, anthropomorphe Gottesbilder eher zu festigen.

Biblische Gottesmetaphern wirken auf Schülerinnen und Schüler sehr unterschiedlich. Nicht jede und jeder verbindet mit dem Bild des Vaters etwas Angenehmes, manche haben Schwierigkeiten, sich Gott mit einer weiblichen Seite vorzustellen. Problematisch ist die Verwendung des Wortes Herr für Gott. Es ist mit herrschaftlichen Eigenschaften konnotiert. Der Unterricht spricht deshalb am besten immer von Gott und überlässt die Verwendung der Metaphern der individuellen Entscheidung der Lernenden.

Es ist nicht sinnvoll, den Schülerinnen und Schülern die große Zahl biblischer Sprachbilder in einer Übersicht zu präsentieren. Das könnte den Eindruck erwecken, als seien alle Aussagen über Gott gleichermaßen richtig. Das aber ist dem Nachdenken über die eigene Gottesvorstellung und der Positionierung abträglich.


Frage 4: Wo wohnt Gott?
Hier gibt seit langem einen ausgezeichneten didaktischen Vorschlag von Rainer Oberthür. Das Wort Himmel hat für ihn zwei Bedeutungen. Wolken, Regen, Astronomie sowie Luft- und Raumfahrt spielen sich im Wolkenhimmel ab. Den Wohnort Gottes nennt er hingegen den Gotteshimmel. Wenn die Toten bei Gott sind, sind auch sie im Gotteshimmel.

Die Unterscheidung in Gottes- und Wolkenhimmel wird in der Grundschule eingeführt. Sie ist insbesondere hilfreich bei der Deutung von Gleichnissen Jesu: Es sind seine Geschichte zum Gotteshimmel. In der Sekundarstufe wird sie vertieft. Der Wolkenhimmel bekommt den englischen Namen Sky, der Gotteshimmel heißt nun Heaven. Dass der Gotteshimmel überall, also auch auf der Erde, sein kann, wird in der Sekundarstufe Thema sein. Die Begegnung mit dem Heiligen kann sich auch in Profanem ereignen.


Frage 5: Kann man Gott spüren oder hören?
„In Bet-El stand Gott im Traum vor Jakob und sagte: Ich bringe dich zurück in dieses Land …“ (1 Mose 28,13+15). „Der Engel sprach zu den Hirten: Ich bringe euch eine gute Nachricht …“ (Lukas 2,10). Woher wissen Jakob oder die Hirten von Bethlehem, wer da zu ihnen gesprochen hat? Diese Frage stellt sich nicht nur den biblischen Personen. Spricht Gott auch durch Mitmenschen zu uns? War es Gott, der uns beim Lesen eines Gedichts, während einer Wanderung oder an einem spirituellen Ort zu einer Einsicht verholfen hat? Können auch Träume zur Stimme Gottes werden? Diese Fragen können nur erfahrungsbasiert beantwortet werden. Wer solcherlei spirituellen Erlebnisse noch nicht hatte, wird kaum zu überzeugen sein, dass das Göttliche in das menschliche Leben hineinwirken kann.

Auch die biblischen Protagonisten sind überrascht von der unvermittelten Präsenz Gottes in ihrer Welt. Wie überprüfen sie, ob es Gott selbst war, der dort zu ihnen gesprochen hat? Als Jakob lange Jahre nach seiner Flucht aus Haran in die Heimat zurückkehrte, suchte er noch einmal Bet-El auf. Das war der Ort, an dem er die Stimme gehört hatte, die ihm versprochen hatte, dass er eines Tages nach Kanaan heimkehren würde. Die Hirten in der Weihnachtsgeschichte entschlossen sich, in das benachbarte Bethlehem zu laufen, um dort zu sehen, was der Engel zu ihnen gesagt hatte: dass nämlich in der Herberge ein Kind in einer Krippe liege und in Windeln gewickelt sei. Zweifel sind also erlaubt. Die Hirten verschaffen sich auf diese Weise Gewissheit, ob wirklich das Göttliche zu ihnen gesprochen hat.

Unterrichtlich können wir dem auf folgende Weise entsprechen: In einem Erzähltext paraphrasieren wir den Satz „Und Gott sprach zu Abraham…“ (1 Mose 12,1) auf folgende Weise:

„Abraham ging zu Sara und sagte: Ich habe eine Stimme gehört.
Sara: Was hat die Stimme gesagt?
Abraham: Sie hat gesagt: Geh weg aus diesem Land und wandere in ein neues Heimatland, das ich dir zeigen will.
Sara: Was für eine Stimme war das, die zu dir gesprochen hat.
Abraham: Ich glaube, es war die Stimme Gottes.


Frage 6: Hat Gott einen Namen?
Nach biblischer Tradition: Ja. Als Jakob auf seiner Rückreise von Haran nach Kanaan das Flüsschen Jabbok überquert hat, wird er von einem Unbekannten überfallen (1 Mose 32,23 ff.). Es kommt zu einem Ringkampf zwischen ihm und Jakob. Als der Morgen graut, erhält Jakob einen neuen Namen. Das lässt aufmerken. Kein Mensch kann einem anderen Menschen einen neuen Namen geben! Ist er Gott selbst begegnet? Jakob nimmt den neuen Namen an und fragt den Unbekannten nach dessen Namen. Er erhält keine Antwort.

Anders ergeht es Mose, der im Land Midian eine Stimme aus dem brennenden Dornbusch hört (2 Mose 3). Der Busch brennt, aber verbrennt nicht. Der da spricht, ist nicht zu sehen. Hört er da die Stimme Gottes? Sie gibt ihm den Auftrag, das Volk Israel aus der Gefangenschaft zu führen. Ja, es ist Gott selbst, der da zu ihm spricht. Mose fragt: „Wenn ich nun zu den Israeliten gehe und ihnen sage: Gott hat mich beauftragt, euch aus der Gefangenschaft zu führen, dann werden sie mich fragen: Wer ist dieser Gott? Wie ist sein Name? Anders als Jakob erhält Mose eine Antwort: Sage ihnen: Mein Name ist: Ich bin, der ich bin. Ich didaktisiere diesen Gottesnamen mit der Übertragung Ich bin da. In einem anderen Blogbeitrag habe ich das begründet.

Diese Erzählung will die Erklärung eines geheimnisvollen Wortes aus vier hebräischen Buchstaben sein: יהוה, auf deutsch: JHWH. Das sog. Tetragramm („vier Buchstaben“) steht immer dann im hebräischen Text des Alten Testaments, wenn von Gottes Namen die Rede ist.


Frage 7: Wie wird das Tetragramm ausgesprochen?
Am besten gar nicht, schon gar nicht als J-Wort. Auch Jüdinnen und Juden sprechen den Namen nicht aus, sie halten ihn für unaussprechlich. Wir sollten nicht so tun, als wüssten wir es besser. Bei der Tora-Lesung wird an den fraglichen Stellen Adonai (deutsch: Herr) gelesen. Martin Luther wählte bei seiner Übersetzung der Bibel für das Tetragramm die vier großen Buchstaben HERR. Er erinnerte damit das hebräische Original und schloss sich auch der jüdischen Tradition von dessen Aussprache an. Dass das Wort Herr heute aber neue didaktische Probleme aufwirft, ist oben beschrieben worden.


Frage 8: Wie kann die narrative Rede von Gott für den Religionsunterricht fruchtbar werden?
„Ich bin da.“ Passt der Name, den Mose aus dem brennenden Busch hört, zu den Gottesvorstellungen der Schülerinnen und Schüler? Unterrichtliche Erfahrungen zeigen, dass die Lernenden gerne auf dieses Sprachsymbol zurückkommen. In theologischen Nachdenkgesprächen regt es sie zu eigenen Beiträgen an.

Auch Jesus selbst wählte gleichnishafte Geschichten, um von Gott zu reden. Die Evangelisten erzählen. Narration ist das Mittel der Wahl, um eine individuelle religiöse Sprachfähigkeit in der Gottesfrage zu erwerben.


Frage 9: Warum wird das Wort Gott manchmal anders geschrieben?
Ein hochgeschätzter Kollege schreibt das Wort Gott seit vielen Jahren mit vier großen Buchstaben: GOTT. Diese Schreibweise erinnert an das Tetragramm und macht deutlich, dass das Göttliche etwas ist, was mit Schrift oder Sprache nicht zu erfassen ist. Neuerdings finden sich in der theologischen Literatur auch das Gendersternchen (G*tt) oder der Apostroph (G’tt). Beide Schreibweisen erinnern daran, dass Vokale in der hebräischen Sprache nicht geschrieben werden. Das Gendersternchen weist zudem darauf hin, dass das Wort Gott zwar (in der hebräischen und der deutschen Sprache) ein grammatikalisch maskulines Nomen ist, dass aber die Kategorie eines biologischen oder sozialen Geschlechts nicht auf Gott angewendet werden sollen. Die Diskussion in der jüdischen und christlichen Theologie über das Für und Wider dieser Schreibweisen ist noch nicht abgeschlossen. So lange kann der Unterricht die traditionelle Schreibweise Gott verwenden.


Frage 10: Kann man Gott beweisen?
Unsere Schülerinnen und Schüler ahnen es längst: Nein, ein Gottesbeweis ist nicht möglich. Diesbezügliche Versuche vor der Zeit der Aufklärung brauchen deshalb nicht länger Inhalt des Religionsunterrichts zu sein. Allein Immanuel Kants Überlegung, dass das ewige Sittengesetz, das er erkannt zu haben glaubte, einen himmlischen Gesetzgeber voraussetzt (Moralischer Gottesbeweis), lohnt eine Beratung im Religionsunterricht.

Wer gerne über die Frage philosophiert, ob Gott existiert, der sei an Blaise Pascals Wette verwiesen. Er versuchte nachzuweisen, dass es vernünftiger sei, an Gottes Existenz zu glauben, als sie zu bestreiten.


Title: Gotteshimmel, Wolkenhimmel, Sky und Heaven. 10 Fragen und 10 Antworten zum Lernen in der Gottesfrage
URL: https://horstheller.wordpress.com/2024/08/20/lernen-in-der-gottesfrage/
Source: Horst Heller
Source URL: https://horstheller.wordpress.com
Date: August 20, 2024 at 06:04AM
Feedly Board(s): Religion