SPREMBERG. Sind die am Wochenende bekannt gewordenen körperlichen Angriffe eines Schülers auf eine Lehrerin an der Berufsorientierenden Oberschule (BOS) im brandenburgischen Spremberg nur die Spitze des Eisbergs? An der BOS sollen rassistische Beleidigungen, Hitler-Grüße und rechtsextreme Provokationen zum Alltag gehören. Der Rundfunk Berlin-Brandenburg hat mit Betroffenen gesprochen, die anonym bleiben wollen. Eltern, Schüler und sogar Lehrkräfte berichten von einem Klima der Angst.

„Ein Telefonat mit einem Elternteil. Die Stimme nervös, aufgebracht. Das Kind, erfahren wir, besucht die BOS in Spremberg. ‚Die Situation an der BOS ist seit Jahren so. Es gibt rassistische Beleidigungen, Pöbeleien, selbst Lehrerinnen werden als ‘polnische Schlampen’ beschimpft. Ohne dass etwas passiert.‘ (…) Eltern und Schüler haben Angst, wir sollen jeden Hinweis auf die Identität unserer Gesprächspartner unterlassen.“ So berichtet der Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) über die Berufsorientierende Oberschule im brandenburgischen Spremberg.
Dort war unlängst eine Lehrerin massiv körperlich von einem Schüler angegriffen worden – zwei Mal binnen weniger Minuten (News4teachers berichtete). Die Pädagogin erlitt dabei Blutergüsse und Prellungen. Zudem soll die in Russland geborene Frau von dem Siebtklässler rassistisch beleidigt worden sein. Sie selbst gibt das an – die Schulleitung widerspricht öffentlich: „Die anderen Schüler haben herabwürdigende Sätze, die sich auf die Herkunft beziehen, nicht gehört.“
Es gibt laut rbb allerdings weitere Vorwürfe, die auf ein übles Schulklima hindeuten – auch aus dem Kollegium der Schule: So soll ein Lehrer immer wieder mit rassistischen Äußerungen auffallen. „Der Kollege bezeichnet Schüler und Schülerinnen mit Migrationshintergrund als Kanaken“, heißt es. Auch den anderen Lehrkräften sei das bekannt, aber niemand unternehme etwas dagegen.
„Dann heben sie auf Kommando alle den rechten Arm und sagen: Schauen Sie mal, da oben fliegen Vögel“
Provokationen gebe es auch aus der Schülerschaft. Immer wieder würden Hitler-Grüße gezeigt. Mitunter schreite eine Lehrerin ein. „Dann heben sie auf Kommando alle den rechten Arm und sagen: Schauen Sie mal, da oben fliegen Vögel.“ Weiter heißt es in dem rbb-Bericht: „Niemand will seinen Namen nennen, die Angst vor den mutmaßlich rechtsextremen Schülern ist groß.“ Die Schulleitung soll die Probleme ignorieren – und behaupten, dass es keine Gewalt, keinen Rassismus, keine Diskriminierung an der Schule gebe.
Die Geschichten rund um die BOS erinnerten an die Vorgänge vor zwei Jahren im nur knapp 50 Kilometer entfernten Burg. Dort hatten an der Oberschule rechtsextreme Schüler Mitschüler bedroht und eingeschüchtert. Dazu gab es im gesamten Schulgebäude immer wieder Hakenkreuz-Schmierereien, Hitler-Grüße im Klassenzimmer, Mobbing gegen die wenigen Schüler und Schülerinnen mit Migrationshintergrund. Der Fall wurde nach einem Brandbrief von zwei Lehrern öffentlich und sorgte bundesweit für Schlagzeilen (News4teachers berichtete).
Dass die Lausitz – wie auch einige andere Regionen –, ein dezidiertes Problem mit Rechtextremismus habe, das sei kein neues Phänomen, sagte seinerzeit die Rechtsextremismusforscherin Prof. Heike Radvan von der BTU Cottbus. „Das zeigen schon Forschungen von Kolleginnen und Kollegen aus den 90er Jahren. Zudem kenne ich Pädagog:innen, die damals für das Landesprogramm ‘Tolerantes Brandenburg’ Fortbildungen an Schulen durchgeführt haben. Sie haben mir erzählt, wie schwer es in dieser Zeit war, das Thema Rechtsextremismus an Lehrerkollegien heranzutragen und eine Auseinandersetzung herbeizuführen. Es gibt natürlich immer engagierte Lehrkräfte, aber gerade Rechtsextremismus ist ein Thema, bei dem sich auch immer Leute entscheiden, eher wegzugucken und es eben nicht zu thematisieren oder auch Lehrkräfte, die rechte Einstellungen selbst vertreten“, erklärte sie. Deshalb hätten sie die Meldungen nicht überrascht.
„Schüler kleben sich Klebestreifen als Hitler-Bart auf und machen Hitlergrüße und die anderen grüßen zurück“
Zu diesen Meldungen gehörten auch Berichte aus Spremberg – vom örtlichen Gymnasium. In einem TV-Beitrag des ARD-Magazins „Kontraste“ hatten Schüler dort von rechtsextremen Vorfällen im Umfeld der Schule berichtet. „Schüler kleben sich Klebestreifen als Hitler-Bart auf und machen Hitlergrüße und die anderen grüßen zurück“, wurde etwa ein Neuntklässler im Bericht zitiert. Schüler sollen Hakenkreuze an Wände geschmiert und in Tische geritzt haben, wie weitere Jugendliche erzählen, mit denen „Kontraste» und ein Recherche-Team des rbb gesprochen haben.
Zudem lagen den Redaktionen Screenshots aus dem internen Whatsapp-Chat einer Klasse vor. In der Gruppe teilten Schüler etwa ein Hitler-Meme mit der Aufschrift: „Du bist lustig, dich vergas ich zuletzt“. Sie stimmten darüber ab, ob Weiße das N-Wort sagen dürften – eine früher gebräuchliche rassistische Bezeichnung für Schwarze. Nicht nur war die Mehrheit der an der Umfrage Teilnehmenden dafür, ein Drittel stimmte für die wohl mindestens genauso rassistische Antwortoption „monkey“, also „Affe“.
Inzwischen hat sich das in Spremberg angesiedelte Bündnis „Schule für mehr Demokratie“ der Vorgänge an der BOS angenommen. In einem Brief an das Schulamt Cottbus und mehrere Medien fordert das Bündnis vom Schulleiter ein „kollegiales und verantwortungsvolles Handeln“ für alle Lehrkräfte, Schüler und Eltern der Schule, wie der rbb berichtet. Zudem brauche es jetzt ein „klares Bekenntnis zu den alltäglichen, rassistischen Vorfällen und daraus resultierenden Handlungserfordernissen“, heißt es in dem Schreiben weiter. Das Team vom Bündnis „Schule für Demokratie“ kündigt an, dass man an dem Fall BOS dranbleibe und auf Veränderungen setze, die wirksam seien und eine demokratische Haltung zeigten.
Das Bildungsministerium Brandenburg teilte gegenüber dem rbb mit, dass an der BOS keine Vorfälle mit rassistischem, diskriminierendem oder rechtsextremistischem Hintergrund bekannt seien. News4teachers
Das Spremberger Bündnis „Schule für mehr Demokratie“ besteht nach eigenen Angaben aus engagierten Lehrkräften, Sozialarbeiter:innen, Eltern, Schüler:innen, lokalen Organisationen und Bildungsexperten, „die ihre Kräfte vereinen, um eine inklusive Bildungsumgebung zu schaffen“. Besonders die Vermittlung demokratischer Werte in der Bildung will die Gruppe fördern. Ihre Ziele und Forderungen im Wortlaut:
- Schulung von Lehrkräften: Es ist uns ein Anliegen, Lehrkräfte umfassend zu schulen und zu unterstützen. Neben der Ansprache des Themas im Unterricht müssen sie in der Lage sein, angemessen auf diskriminierende Vorfälle zu reagieren und betroffene Schüler:innen von Rassismus, Sexismus und Homofeindlichkeit zu stärken. Dazu gehören verpflichtende Fortbildungen, demokratische Leitbilder, Schutzkonzepte, ein effektives Beschwerdemanagement und eine verlässliche Kooperation mit der Polizei.
- Förderung der Schulsozialarbeit: Wir setzen uns dafür ein, dass an allen Schulen qualifizierte Schulsozialarbeitende als Ansprechpartner:innen zur Verfügung stehen. Ihre Expertise und Präventionskompetenz im Umgang mit Rechtsextremismus sind von entscheidender Bedeutung, um Schüler:innen Sicherheit und Unterstützung zu bieten.
- Vermittlung demokratischer Werte im Unterricht: Unser Fokus liegt darauf, demokratische Werte ins Zentrum des Unterrichts zu rücken. Schüler:innen sollen lernen, dass Vielfalt eine Stärke ist und dass jeder Mensch das Recht hat, sein Leben nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. Demokratie bedeutet für uns, dass alle Stimmen gehört werden und dass jeder Mensch gleiche Rechte besitzt. Die Vermittlung dieser Werte ist unsere wichtigste Aufgabe.
- Haltung zeigen und entschieden handeln: Wir fordern das Bildungsministerium, die Schulämter und alle Schulleitungen auf, klar Position gegen Rechtsextremismus und Diskriminierung zu beziehen. Eindeutiges Einschreiten bei Ausgrenzung und Gewalt sowie der Schutz der Betroffenen sind dabei unerlässlich. Wir setzen uns für eine pädagogische Auseinandersetzung mit den verantwortlichen Schüler:innen und der gesamten Gruppe ein.
- Nachhaltiges Handeln und ausreichende Ressourcen: Das Schulamt muss sicherstellen, dass Schulen ausreichende finanzielle und personelle Ressourcen haben, um präventive Maßnahmen gegen Rassismus, Sexismus und Homofeindlichkeit umzusetzen und im Fall von Vorfällen schnell und angemessen zu reagieren. Nachhaltigkeit in unserem Handeln ist der Schlüssel für eine langfristige Veränderung.
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Title: Hitler-Grüße, Pöbeleien, Lehrerinnen als “polnische Schlampen” beschimpft – wenn Rechtsextremismus eine Schule prägt
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Date: March 25, 2025 at 12:18PM
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