Predigt in der Friesgasse am Tag nach dem Begräbnis, 27.4.2025.
Was für ein unvergleichlich stark inszenierter Abgang aus dieser Welt: Noch segnet er von der Loggia aus, auf der er nach der Wahl die Menge mit einem erfrischenden „bona sera“ und segnet mich begrüßt hatte, mit gebrechlicher Stimme urbi et orbi, die Welt und den Erdkreis. Dann verlässt er in aller Stille am Ostermontag die dergestalt gesegnete Welt.
Er war ein Jahrhundertpapst, titelt die neue FURCHE. Er war ein Mann mit einer unübertrefflichen Menschlichkeit und, ein Wort das er sehr liebte, mit berührender Zärtlichkeit: zur Schöpfung, zu den Menschen am Rand, den Gefängnisinsassen, der Obdachlosen, den Kindern.
Eugenio Scalfari war Chefredakteur der italienischen Zeitung „La Reppublica“. Schon bald nach dem Amtsantritt des Papstes fragte er diesen um ein Interview an. Papst Franziskus rief ihn umgehend an. Die erste Frage des Mannes, der erklärtermaßen nicht an einen Gott glauben konnte, war: Welche Aufgaben sehe er als Mann der Kirche in der Welt? Darauf der Papst: „Die größten Übel, die die Welt in diesen Jahren plagen, sind die Jugendarbeitslosigkeit und die Einsamkeit, der man die Alten überlässt.“ (Interview in La Repubblica, Oktober 2013) Der Papst war ein Kümmerer, ein Besorgter, erfüllt von der Leidenschaft Gottes für die Welt.
Manche fragen, was von ihm bleiben wird? Er hatte harte Gegner. Diese haben sich längst verbündet, um die Kirche wieder auf den rechten Weg zurückzubringen, was immer das bedeutet. Ich glaube aber nicht, dass dies gelingen kann. Vieles kann nicht mehr rückgängig gemacht werden-
Leidenschaft für die Welt
Das halte ich für eine wichtige Aussage des Papstes über unsere Kirche: „Eine Kirche, die um sich selbst kreist, ist krank.“ Damit unterstrich er, dass zu den unumgänglichen Aufgaben der Kirche der Einsatz für die zerrissene und taumelnde Welt gehört: Auf dem Soldatenfriedhof in Redipuglia sprach er zum 100. Jahrestags des Beginns des 1. Weltkriegs. „Heute sei ein dritter Weltkrieg auf Raten in Gang. Er litt mit der verwundeten Schöpfung und schrieb dazu die erste Ökologieenzyklika Laudato si. Ihn bedrängte die Hoffnungslosigkeit der vielen Armen der Welt. Der Papst hörte ihren Schrei. Er gab den Armen Ansehen und Würde. Den Politikern redete er ins Gewissen: Es müsse (so in FT) mehr getan werden, dass die Menschen in ihrer Heimat in Würde leben können und es nicht nötig haben, diese zu verlassen. Wenn sie aber gehen müssen, haben sie ein Recht, als Mitglieder der einen Menschheit auf dieser einen Welt anderswo – also auch bei uns – einen Platz zu einem menschenwürdigen Leben zu finden. Wie das Zweite Vatikanische Konzil lehrte, solle die Kirche in einer zerrissenen Welt Einheit stiften – untereinander, weil mit dem einen Gott.
Pastoralkultur
Organisationsentwickler betonen, dass die Kraft einer Organisation weniger aus ihren Strukturen komme, sondern aus ihrer Organisationskultur. Genau an dieser Pastoralkultur hatte der Papst gearbeitet. Er hat die Akzente verschoben, von der Zollstation zum Feldlazarett, von der Sünde zur Wunde, vom Gesetz zum Gesicht, vom Moralisieren zum Heilen. Dazu half ihm der Grundsatz seines Namensgebers, der heilige Franz von Assisi: Vangelo senza glossa. Der Papst hat den Duft des Evangelium in der Kirche und durch ihr Tun in der Welt verbreitet. Nicht nur die Hirten sollten nach der Herde riechen, sondern die Kirche nach dem Duft des Evangeliums, den sie in der Welt verbreitet. Daher trug seine Regierungserklärung von 2013 den Titel Evangelii gaudium.
Il carnevale e finito!
Als ihm nach der Wahl zum Papst in der Kammer der Tränen der Zeremoniär die hermelinbesetzte Mozetta umhängen wollte, soll Franziskus zu ihm gesagt haben: Schenk ich Dir. Il carnevale e finito. Der Fasching ist vorbei. Prunk is out, steht auf einem Papst-Cartoon. Dabei ging es nicht nur um Kleidung, schlichtes Wohnen, einfaches Auto, keine roten Schuhe, einfaches Brustkreuz. Alle diese Gesten waren der Versuch des Papstes, zu leben, wovon er sprach. Er gehörte zu den Bischöfen, die sich dem von lateinamerikanischen Bischöfen am Ende des Konzils in der Katakombe der heiligen Domitilla geschlossenen Katakombenpakt angeschlossen haben. Dessen Herzstück: Wenn wir nach dem Konzil nur mit Papier heimkommen, wird sich nichts ändern. Nur wenn wir selbst arm und einfach leben, werden uns die Menschen zuhören. Papst Franziskus redete nicht nur von den Armen, sondern lebte mit ihnen und für sie. Er sah sie an und gab ihnen Ansehen.
Die Chefin von ORF_Religion, Barbara Krenn, rief mich dieser Tage an, ob ich, sobald der weiße Reich aufgestiegen sei, schnell ins Studie kommen könne. Seitdem bereite ich mich vor und studiere mögliche Kandidaten, die selbst von Börsianern gehandelt werden. Ganz oben stand gestern Kardinal Schönborn, was dieser in einem Interview eher als guten Scherz ansah. Dann komm Pietro Parolin, unter Franziskus Staatssekretär. Ein erfahrener Kirchenmann, politisch versiert, sehr umgänglich. Gehandelt wird Kardinal Matteo Zuppi von Bologna, der Friedensgespräch in der Ukraine und in Moskau führte. Es werden zwei Kardinäle aus Afrika genannt (Peter Turkson und Ambongo Besungu Fridolin), einer aus den (Philippinen Lois Antonio Tagle). Die Kathpress berichtete, dass auch Kardinal Gerhard Müller versucht, ihm Gleichgesinnte für einen Papst zu gewinnen, der die Kirche wieder normalisiert und, wie er sagt, auf den rechten Weg zurückführt. Diese kleine Gruppe erfreut sich kräftiger finanzieller Unterstützung durch traditionsbesorgte amerikanische Kreise.
Man sagt, dass jeder für den stimmen soll, den der Heilige Geist erwählt. Aber das zu erkennen, ist durch Macht unter Interessen manchmal getrübt. Und am Ende wird es weißen Rauch geben. Vielleicht nicht so schnell wie bei Benedikt oder Franziskus. Aber er wird aufsteigen und es wird wieder heißen: „Annuntio vobis gaudium magnum: Habemus Papam!“ Wir können hoffen, dass sich am Ende der Heilige Geist durchsetzt. Beten wir inständig darum in den nächsten Tagen.
Title: Hommage an Papst Franziskus
URL: https://zulehner.wordpress.com/2025/04/27/hommage-an-papst-franziskus/
Source: REL ::: Paul M. Zulehner
Source URL: https://zulehner.wordpress.com
Date: April 27, 2025 at 10:20AM
Feedly Board(s): Religion