In die Röhre geguckt – Die #LaTdH vom 18. Dezember

In die Röhre geguckt – Die #LaTdH vom 18. Dezember

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Herzlich Willkommen …

… zu den letzten #LaTdH im Jahre 2022! Am kommenden Sonntag ist Weihnachten und die #LaTdH pausieren. Bis dahin aber ist das Programm in der Kirche so voll wie sonst nie im Jahr: Krippenspielproben, Weihnachtsliedersingen und -Feiern, Konzerte und Oratorien, Gottesdienste in Pflegeheimen, Andachten auf Marktplätzen, lebendige, audio-visuelle und leckere Adventskalender und dann: Die Heilige Nacht.

In den vergangenen Tagen wurde im Anschluss an den neuen Religionsmonitor der Bertelsmann-Stiftung erneut über den Bedeutungsverlust der Kirchen diskutiert. Wie immer pünktlich zu Weihnachten steht auch die Institution Kirche – selten ist es geworden – im Fokus einer interessierten Öffentlichkeit (s. Debatte).

Bei allen Zukunftssorgen, bei aller notwendigen Kritik und gerade in einer Zeit, die von vielen Menschen als krisenhaft erlebt wird, ist es nicht übertrieben optimistisch, sondern nur realistisch daran zu erinnern, dass auch an diesem Heiligen Abend die Gute Nachricht von der Geburt des Heilands wieder weitergesagt wird. In Gefängnissen und Flüchtlingslagern, in Hospizen und an Krankenbetten, in kleinen Dorfkirchen und in Kathedralen, am Nordpol, in den Städten und auf den Straßen: Es wird nicht finster bleiben.

Eine gute Woche wünscht
Philipp Greifenstein


PS:
Noch bis Dienstag läuft unsere #LaTdH-Leser:innenbefragung. Wir freuen uns über das Feedback! Das Ausfüllen des Fragebogens dauert keine fünf Minuten. Hier entlang! Ganz sicher werden wir die neugewonnenen Erkenntnisse in die Gestaltung der #LaTdH im kommenden Jahr einfließen lassen. An dieser Stelle schon einmal einen herzlichen Dank an alle Teilnehmer:innen!

Ein Ergebnis der Befragung aber wollen wir hier gerne schon präsentieren: 50 % der Teilnehmer:innen geben an, (noch) keine Eule-Abonnent:innen zu sein. Das lässt sich ändern! Mit einem Eule-Abo unterstützt Du die Arbeit der Redaktion und unserer Autor:innen, die wir gerne alle fair bezahlen wollen. Schon mit 3 € im Monat leistest Du einen Beitrag zum Fortbestand der Eule und damit zur Stimmenvielfalt in den Kirchen. Hier findest Du weitere Informationen und hier kannst Du ein Eule-Abo abschließen.


Debatte

Am Donnerstag veröffentlichte die Bertelsmann-Stiftung einen kompakten Einblick in ihren neuen Religionsmonitor (PDF), der seitdem in der Presse einigen Widerhall gefunden hat (Pressemitteilung hier). Nicht alle Erkenntnisse sind neu, aber vor dem Weihnachtsfest ist nun einmal auch ein traditioneller Termin, um überhaupt noch über die Kirchen zu berichten.

Dabei kreuzen wie üblich auch unterschiedliche religionssoziologische Schulen die Klingen: Die einen führen den Rückgang von Mitgliedschaft und Bedeutung der Kirchen auf die Säkularisierung zurück, die anderen auf die Individualisierung. Hübsch einfach komplex machen es sich wieder andere, die Individualisierungs- und Säkularisierungsthese einfach „verschränken“. Be that as it may, es lohnt sich jedenfalls, gut zu prüfen, ob Akteur:innen anlässlich des Festes und neuer Veröffentlichungen nur abermals ventilieren, was sie ohnehin schon immer wussten und ihnen in ihr Theorieetui passt. Schön beobachten lässt sich das übrigens in der aktuellen „scobel“-Sendung von 3sat „Hirten ohne Herde“. Übrigens auch, wie abgedroschen die Sprache ist, in der in der Presse über die Kirche berichtet wird.

Das Fundament der Institution Kirche ist erschüttert – Benjamin Lassiwe (Nordkurier)

Die drängenden Fragen im Anschluss an die Bertelsmann-Veröffentlichung stellt Benjamin Lassiwe (@lassiwe) im Nordkurier. Welche Rolle kann die Kirche angesichts ihres Schrumpfens in der Gesellschaft spielen? Und: Wird sie überhaupt vermisst? Lassiwe befürchtet:

Wer wird künftig das ethische Gewissen der Gesellschaft sein? Wer wird jungen Menschen Werte vermitteln, wer wird öffentlich Einhalt gebieten, wenn Grenzen überschritten werden? Auch die Gesellschaft wird sich Gedanken machen müssen, wie sie sich bei kleiner werdenden Kirchen neu aufstellt. Schon deswegen hat es der neue Religionsmonitor der Bertelsmann-Stiftung verdient, wirklich ernst genommen zu werden.

Als Grund für den Verfall wird neben den religionssoziologischen Großtrends auch das Versagen der Kirchen bei der Aufarbeitung der Missbrauchsverbrechen genannt. „Den verheerenden Vertrauensverlust haben sich die Kirchen weitgehend selbst zuzuschreiben“, meint u.a. Reinhard Bingener (@RBingener) in der FAZ:

[In der römisch-katholischen Kirche] wurde die Empörung über die jahrzehntelange sexualisierte Gewalt durch Kirchenvertreter inzwischen durch das Entsetzen darüber abgelöst, dass deren Aufarbeitung zum Schlachtfeld des ungelösten innerkatholischen Richtungsstreits geworden ist. Die evangelischen Kirchen sehen dem Gemetzel in der Schwesterkirche mit Befremden, aber auch tatenlosem Schweigen zu. Die evangelischen Bischöfe wissen, dass sie gesellschaftlich wie politisch in einer ökumenischen Haftungsgemeinschaft mit den Katholiken stehen, erkennen aber nicht, wo der Nutzen einer schärferen öffentlichen Distanzierung läge. Ein Ausweg aus dieser verfahrenen Lage ist derzeit nirgends in Sicht.

In vielen Artikeln erscheint die Missbrauchskrise erneut als Fass ohne Boden und die Ratlosigkeit ist groß. Wenn man aus dieser fatalistischen Haltung, die im Übrigen auch von tatsächlicher Verantwortungsübernahme entlastet, nicht endlich herausfindet, wird sich am tatsächlichen Missstand der Verschleppung von Prävention, Aufklärung, Entschädigung und Aufarbeitung nichts ändern. Der Skandal des Missbrauchs und das Leid der Betroffenen dürfen nicht zur bequemen Ausrede für das Versagen von Kirchenleitungen werden.

Vom Niedergang im Scheinwerferlicht und vom Neubeginn im Abseits – Christian Wolff (wolff-christian.de)

Der ehemalige Pfarrer an der Leipziger Thomaskirche und regelmäßige Blogger Christian Wolff setzt sich weitgehend affirmativ mit den Ergebnissen des Religionsmonitors auseinander. Wesentlich weniger Zuneigung bringt er der realexistierenden Kirche entgegen, wenn er schreibt:

Kirche beschäftigt sich zunehmend mit sich selbst. Kirche ist ein Mitarbeiter*innen orientiertes Unternehmen, das zunehmend die Kundschaft, sprich: die Menschen aus den Augen verloren hat. Der seit Jahren andauernde und nicht enden wollende Prozess von strukturellen Veränderungen hat in seiner Außenwirkung vor allem eine Botschaft produziert: Wir müssen sparen, ohne den institutionellen Charakter von Kirche samt ihrer bürokratisch-hierarchischen Verwaltung anzutasten. Das führt dazu, dass sich Kirche und was von ihr übrigbleibt nur noch selbst verwaltet. Dabei wird sie der Menschennähe verlustig.

Wolff problematisiert im Weiteren die „Illusion“, „dass Traditionen des Glaubens sich schon irgendwie von einer Generation zur anderen“ übertragen würden, und fragt, wo und wie die Kirche den Kontakt zu den Menschen wieder herstellen könnte. Der Religionssoziologe Michael Ebertz sieht derweil im Domradio (@domradio) noch „Wachstumspotential“ für die Kirche. An dieser Stelle eine Erinnerung an die Erkenntnisse des Eule-Live-Abends mit Viola Schrenk, die u.a. forderte, man müsse sich endlich von den Wachstumsmetaphern freimachen.

Bei Christian Wolff spielen die jungen Erwachsenen, bei denen die Kirche besonders in die Röhre guckt, wenigstens noch eine Rolle. In anderen Beiträgen kommen sie, wie auch im Programm der Kirchen, überhaupt nicht vor. Eine Grafik des Religionsmonitors illustriert das Problem auf heftige Weise:

Auch dieses Problem ist nicht neu und es gibt gelegentlich bereits gute Ansätze, ihm zu begegnen. Auf Ebene der Kirchenleitungen aber wird es nach wie vor eher als Partikularproblem einer Generation wahrgenommen, die man ja eh nicht mehr „kriegen“ wird. Was eigentlich schon irre ist, weil es sich dabei ja um die gleichen Menschen handelt, die in der kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit zu hunderttausenden aktiv sind – nur halt ein bisschen älter.

Ein beredtes Beispiel für diese Perspektive der arrivierten (und honorigen) Kirchenobrigkeit ist der launische Bericht von zeitzeichen-Chefredakteur Reinhard Mawick über eine Tagung zur Zukunft der Kirche an der Evangelischen Akademie Tutzing (@EATutzing). Vieles darin enthaltene stimmt und gibt Anlass zum geruhsamen Nachdenken, aber es verströmt halt auch den Eros eines verendenden Gnus.

Das Fazit des ehemaligen Hallenser und Heidelberger Ethikers Klaus Tanner ist wenigstens diskussionswürdig:

Tanner [riet] dann zur Gelassenheit. Sicher müsse organisatorisch in den Kirchen einiges geändert werden, aber das gehöre wie bei einem guten Unternehmen in das „Backoffice“ und nicht ins Schaufenster. Dass es zahlenmäßig bergab gehe und man darüber so bestürzt ist, sei eine deutsche Besonderheit. Anderorts habe es die Kirche noch nie so dicke gehabt. Hierzulande schmerze es, dass „der Wohlstandsbauch“ nun deutlich abzuschmelzen beginne.

Damit könne, so Tanners letzter Punkt, die evangelische Kirche deutlich besser umgehen als die katholische, da für den Protestantismus die sichtbare Kirche ein „weltlich Ding“ sei. Dies bekräftigend zitierte er Martin Luther: „Die Summe dieser und aller Ordnungen ist, sobald ein Missbrauch daraus werde, dass man sie flugs abtue und eine andere mache.“

EHRENSACHE (6): Das Ehrenamt verstehen – Lisa Menzel im Gespräch mit Ann-Sophie Markert (Die Eule)

Eine andere Kirche wird ganz sicher nur mit Ehrenamtlichen gebaut werden können, da sind sich Forscher:innen und Praktiker:innen einig. In der evangelischen Kirche sind darum „Backoffice“ und „Schaufenster“ nicht voneinander zu trennen. Gut so. In der sechsten Folge unseres (immer noch) neuen Podcasts „EHRENSACHE“ spricht Lisa Menzel (@papierfliege) mit Ann-Sophie Markert, die am Fachbereich Theologie der FAU Erlangen-Nürnberg über das Ehrenamt in der Kirche forscht. Im Gespräch kommen so ziemlich alle gegenwärtigen Kirchenprobleme zur Sprache, weil sie auf die ein oder andere Weise mit dem Ehrenamt zu tun haben.

Mit dieser „EHRENSACHE“-Episode geht die Pilotstaffel zu Ende. Einen Überblick über alle bisher erschienenen Folgen haben wir hier zusammengestellt. Wir freuen uns auch hier über das Feedback der Eule-Hörer:innen und -Leser:innen!

nachgefasst I: Belarus, Ukraine und der Papst

Menschenrechtler und Katholik: Wenn der Friedensnobelpreisträger im Gefängnis sitzt – Oliver Hinz (KNA, Domradio)

Bereits am Sonnabend letzter Woche hat der belarussische Menschenrechtsaktivist Ales Bjaljazki den Friedensnobelpreis erhalten. Auch die russische Menschenrechtsorganisation Memorial und das Zentrum für Bürgerfreiheiten in Kiew wurden dieses Jahr ausgezeichnet. Bjaljazkis Frau Natalja Pintschuk nahm den Preis in Oslo entgegen, denn Bjaljazki selbst sitzt seit anderthalb Jahren im Gefängnis. Erst im November ’22 wurde offiziell Anklage erhoben. Für die KNA (@KNA_Redaktion) und das Domradio berichtet Oliver Hinz (@OliHinz) über Bjaljazki, der in den 1990er Jahren auch als katholischer Publizist unterwegs war.

In den 90er Jahren beteiligte sich der Katholik an der Herausgabe Dutzender religiöser Publikationen und übersetzte liturgische Bücher in die Landessprache. Die Zeitschriften „Christlicher Gedanke“ und „Glaube“ baute Bjaljazki mit auf. Er machte sich dafür stark, dass Gotteshäuser den Kirchen zurückgegeben und christliche Feiertage eingeführt werden. Eine Zeit lang leitete er einen Pfarrausschuss in Minsk.

2012, als Bjaljazki schon einmal im Gefängnis saß, wurde er vom Vatikanbotschafter Claudio Gugerotti besucht, der ihm den Segen des damaligen Papstes Benedikt XVI. mitbrachte. „Das größte Ereignis in meinem Leben“, wie Bjaljazki meinte. Wie der derzeitige Papst zu Bjaljazki und den anderen über Tausend politischen Gefangenen in Belarus steht, ist hingegen nicht ganz klar.

Durch den Sondergesandten Gugerotti ließ er [der Papst] Lukaschenko im Dezember 2020 seine Besorgnis über die Lage in dem Land mitteilen. Seither kritisiert der Vatikan die Unterdrückung von Demokratie- und Menschenrechtlern aber kaum in der Öffentlichkeit […] Kein Wort auch zur dauerhaften Zwangsschließung der sogenannten Roten Kirche, obwohl der katholische Sakralbau zu den Wahrzeichen Minsks zählt.

Der aktuelle Papstbotschafter in Belarus, Erzbischof Ante Jozic, ist laut Menschenrechtlern zwar bereit, politische Gefangene zu besuchen. „Aber unter der Bedingung, dass es nicht öffentlich wird“, sagt die belarussische Theologin Natallia Vasilevich von der Organisation „Christian Vision for Belarus“. Auch mindestens ein Weihbischof kooperiere mit ihnen, aber ebenfalls geheim, weil er dafür bestraft werden könnte. Viele Katholiken in Belarus fühlen sich von Franziskus im Stich gelassen.

Diese wenigen Eindrücke aus Belarus stehen im starken Kontrast zum Umgang des Vatikans mit dem Ukraine-Krieg. Papst Franziskus schließt die Opfer des Krieges regelmäßig in seine öffentlichen Gebete und Stellungnahmen ein. Ein Vatikan-Gesandter befindet sich gerade eben wieder auf dem Weg nach Kiew. Die steckengebliebene Revolution in Belarus ist merklich in den Schatten des Krieges geraten, auch wenn hierzulande z.B. die Präses der EKD-Synode, Anna-Nicole Heinrich (@AnnaHeinr), regelmäßig mit Soli-Aktionen an das Schicksal der Aktivist:innen erinnert. Wird der Friedensnobelpreis an Ales Bjaljazki daran etwas ändern?

WTF?! (17): Ukraine-Update mit Regina Elsner

Zwar hat Papst Franziskus das Schicksal der Menschen in der Ukraine im Blick, aber sein Agieren während des Ukraine-Krieges ist nicht ohne Fehler, erläutert Orthodoxie-Expertin Regina Elsner (@reginaelmo) im „WTF?!“-Podcast der Eule. Sie erklärt u.a. die Fallen, in die Franziskus, aber auch weitere Kirchenvertreter aus der Ökumene (und der evangelischen Kirche) bereits im Umgang mit der Russisch-Orthodoxen Kirche und den orthodoxen Kirchen in der Ukraine getappt sind. Über den aktuellen Stand der Kirchenfragen im Land und die Probleme in der Ökumene informiert diese Ausgabe des „WTF?!“-Podcasts umfassend.

nachgefasst II: Missbrauch

Zur Jahreswende lädt die ökumenische Kommunität von Taizé zum 45. Europäischen Jugendtreffen nach Rostock (wir berichteten). Im Vorfeld berichtet Stefan Hunglinger (@shunglinger) im Deutschlandfunk über Vorwürfe, die Kommunität würde die Aufarbeitung von Fällen sexualisierter Gewalt verschleppen, die bereits 2019 öffentlich gemacht wurden. Nach dem DLF-Bericht veröffentlichte die Bruderschaft einen Zwischenbericht (PDF) über die Bemühungen von 2019 bis 2022.

Betroffenenrat zeigt Bischof an: Ohne Druck passiert nichts – Florian Breitmeier (NDR)

Der Betroffenenbeirat der (Erz-)Bistümer Hamburg, Hildesheim und Osnabrück hat gegen den Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode kirchenrechtlich Anzeige wegen seines Umgangs mit sexuellem Missbrauch gestellt, und zwar beim zuständigen Metropoliten der Norddeutschen Kirchenprovinz, dem Hamburger Erzbischof Stefan Heße. Dessen eigenes Rücktrittsgesuch wegen der Vertuschung von Missbrauchsfällen während seiner Zeit im Erzbistum Köln hatte Papst Franziskus im vergangenen Jahr abgelehnt (s. #LaTdH vom 19. September 2021). Bischof Bode gilt als einer der starken Vertreter des Reformerlagers innerhalb der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und ist deren stellvertretender Vorsitzender. An allen seinen Ämtern will er festhalten, obwohl – wie Florian Breitmeier (@breitmeierf) analysiert – „ohne Druck“ auch bei ihm „nichts passiert“.

Ganz gleich wie der Vatikan die Anzeige am Ende bewerten wird, eines ist wieder einmal deutlich geworden: Ohne den Druck der Betroffenen passiert so gut wie nichts. Denn erst nachdem der Betroffenenrat die kirchenrechtliche Anzeige […] erstattet hatte, und diese Anzeige über den Hamburger Erzbischof Stefan Heße sowie den päpstlichen Nuntius an die Glaubens- und Bischofskongregation im Vatikan weitergeleitet wurde, hat sich Bischof Bode dazu entschlossen, den Zwischenbericht der Universität Osnabrück nach Rom zu schicken.

Wohlgemerkt: Das Gutachten liegt seit rund drei Monaten vor. Manch ein Beobachter mag sich da vielleicht fragen: Warum wird der Bericht erst jetzt verschickt? Man stelle sich vor, der Osnabrücker Bischof hätte von sich aus unmittelbar nach der Veröffentlichung des Gutachtens im September den Zwischenbericht an den Vatikan geschickt, versehen mit der Bitte, die ihm in der Studie zur Last gelegten Pflichtverletzungen und Fehleinschätzungen zu prüfen. Frei nach dem Motto: Ich will es jetzt wissen, weil ich als Bischof die Letztverantwortung im Bistum trage. Aber das hat Bischof Bode nicht getan. Er hat deutlich gemacht, dass er im Amt bleiben möchte.

Der Betroffenenbeirat hatte demgegenüber festgestellt:

„Bischof Bode hat entgegen klaren päpstlichen Vorgaben gehandelt und bspw. sexualisierte Gewalt gegen Minderjährige noch in diesem Jahr als ‚Beziehung‘ deklariert“, […]. In der Gesamtschau zeige sich ein klares kirchenrechtliches Fehlverhalten Bodes, „der zum einen die Schilderungen der Betroffenen zum Sachverhalt gänzlich falsch eingeschätzt hat, und zum anderen die Anzeige nach Rom verzögerte, begleitet von der unterlassenen kanonischen Voruntersuchung nach c. 1717, die sofort hätte eingeleitet werden müssen, als sich die junge Frau erstmalig gemeldet hat“.

Dem Betroffenenbeirat falle es schwer, Bode als Gegenüber zu sehen, „das sich für ehrliche und konsequente Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch durch Angehörige der katholischen Kirche einsetzt“. Trotz der Fortschritte im Bistum nehmen die Betroffenenvertreter im Handeln des Bischofs „immer noch eine mehr täter- als opferorientierte Haltung“ wahr. Daher habe der Beirat Bode aufgefordert, Konsequenzen zu ziehen.

Unter Traditionalisten und Reaktionären, z.B. beim EWTN-Ableger CNA Deutsch, läuft derzeit eine Kampagne gegen Bode an. Der Vorwurf: Weil es sich bei ihm um einen Reformer handele, würde mit ihm trotz seiner Vergehen gnädiger umgegangen als mit Erzbischof Rainer Maria Woelki von Köln. Doch auch ohne eine solche äußerst selektive moral panic wird man sich fragen dürfen: Warum genau sollte Bode trotz der Vorwürfe unbedingt stellvertretender Vorsitzender der Bischofskonferenz bleiben? Könnte er nicht wenigstens dieses Amt, ganz ohne vatikanische Weisung, ruhen lassen?

Trier

In die länger werdende Reihe der Bistümer, die ihren Umgang mit sexuellem Missbrauch mittels einer Studie untersuchen haben lassen, reiht sich das Bistum Trier ein. Das ist auch insofern interessant, weil neben dem Heiligen Köln das kleine Trier in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche prominente Kirchenmänner hervorgebracht hat (z.B. Kardinal Reinhard Marx).

Die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs im Verantwortungsbereich des Bistums Trier (UAK) und die Universität Trier haben nun einen ersten Zwischenbericht vorgelegt. Demnach wurden im vergleichsweise kurzen Untersuchungszeitraum von 1967 bis 1981, der Amtszeit von Bischof Bernhard Stein, mehr als 200 Kinder von 81 Priestern missbraucht, berichtet u.a. der SWR. Der Schutz der Opfer, deren Perspektive in den untersuchten Kirchenakten fast vollständig fehlt, habe für die Kirche keine Rolle gespielt, „Geheimhaltung“ sei „oberstes Gebot“ gewesen.

Die Vorsitzende der Missbrauchsopfer- und Betroffenen-Initiative MissBiT im Bistum Trier, Jutta Lehnert, fordert im Interview beim Kölner Domradio Konsequenzen:

„Angesichts der Faktenlage muss der Stein-Platz [in Trier] umbenannt werden. Ich denke, das ist völlig klar, dass der Stadtrat so entscheiden muss. Außerdem ist die Frage zu klären, wie viel Bischof Ackermann und Erzbischof Marx angesichts der Aktenlage schon gewusst haben. Wir haben den Eindruck, dass doch verzögert und verschleppt wurde und immer wieder vor sich hergeschoben wurde.“

Erneut tippst eine Studie offenbar auch das Miteinander von Kirche und Strafverfolgungsbehörden an, wie Anna Fries (@graukauz) von der KNA berichtet. Schon im Münchener Missbrauchsgutachten (s. #LaTdH vom 23. Januar) spielte dies eine Rolle. Tatsächlich ist vielen Menschen in Deutschland auch zwanzig (!) Jahre nach den „Spotlight“-Enthüllungen im Erzbistum Boston (USA) immer noch schwer begreiflich zu machen, dass ähnliche Verwicklungen auch hierzulande bestanden haben.

Buntes

Synoden-Untersekretärin Becquart erteilt Frauenweihe Absage: „Keine offene Frage“ (KNA, Domradio)

Wie viele Nägel passen noch in den Sarg, in dem die Hoffnungen der synodalen Wegegänger:innen aus Deutschland auf die Weihe von Frauen in der römisch-katholischen Kirche ihrer endgültigen Beerdigung entgegenharren? Die Untersekretärin der Bischofssynode, Nathalie Becquart, die maßgeblich an der Organisation des sog. Synodalen Prozesses (wir berichteten) von Papst Franziskus beteiligt ist, der im Herbst 2023 und Herbst 2024 in zwei Bischofssynoden in Rom kulminieren wird, sagt gegenüber der BBC nochmals deutlich ab, obwohl es das Anliegen wenigstens in das Arbeitsdokument für die sog. Kontinentale Phase des Prozesses (PDF) geschafft hatte.

„Für die katholische Kirche ist es im Moment, von einem offiziellen Standpunkt aus gesehen, keine offene Frage.“ […] „Es geht nicht nur darum, dass man sich zum Priestertum berufen fühlt, sondern es geht immer um die Anerkennung, dass die Kirche einen zum Priester berufen wird.“ Das persönliche Gefühl oder die persönliche Entscheidung reichten nicht aus.

Becquart wurde sogleich von deutschen katholischen Frauenverbänden und vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) für ihr Statement kritisiert, berichtet katholisch.de.

Sensationelle Enthüllungen über Weihnachten! Oder..? – Michael Blume (Natur des Glaubens)

Ein Artikel über das Weihnachtsfest aus der guten Zeit des Bloggens von 2013. Michael Blume (@BlumeEvolution), derzeit Antisemitismusbeauftragter der Baden-Württembergischen Landesregierung und immer wieder im Streit mit Twitter, schreibt über die „Schnappatmung“ der Medien, Weihnachten sei doch nur ein „Mythos“ und räumt mit populären „Verschwindibus-Thesen“ auf.

Theologie

Dritte Ausgabe der Schriftenreihe „Einsprüche“ erschienen (BAG K+R)

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche & Rechtsextremismus (BAG K+R) hat eine neue Ausgabe ihrer Schriftenreihe „Einsprüche“ veröffentlicht. Im aktuellen Heft schreiben Tobias Cremer über „die identitätspolitische Wiederentdeckung der Religion“ sowie Kristin Merle und Anita Watzel über „antigenderistische Ressentiments, rechte hegemoniale Identitätspolitiken und religionsbezogene Kommunikation“. Die Broschüre gibt es als PDF und ab Januar auch als gedruckte Fassung. Auch die beiden Vorgänger-Hefte informieren über aktuelle Vereinnahmungen der Theologie (und Kirche) durch die extreme Rechte – und sind deshalb aufmerksamen Zeitgenoss:innen nur wärmstens zu empfehlen.

Ein guter Satz

„Ihr dürft euch nicht bemühen noch sorgen Tag und Nacht, wie ihr ihn wollet ziehen mit eures Armes Macht.

– aus der 7. Strophe des Adventsliedes „Wie soll ich dich empfangen“ von Paul Gerhardt (eine schöne Aufnahme eines digitalen Chores)

Religion

via REL ::: Die Eule https://eulemagazin.de

December 18, 2022 at 09:39AM