Jedes Kind ein Fan

Der Clip ist kaum zehn Sekunden lang: Eine junge Frau packt ein Paket aus, darin eine Sektflasche und ein Dirndl.

Kurz danach sieht man sie im Dirndl, sie ist außer sich vor Freude: „Guckt euch das mal an, wie süß das ist! Ich will jetzt auf die Wiesn!“ Der Herstellername des Dirndls wird im Titel des Videos genannt und prangt prominent auf dem Paket, ein eingeblendeter Link führt direkt zur Produktseite. Ganz oben rechts in winziger Schrift, kaum zu erkennen, wenn man nicht danach sucht: Das Wort „Anzeige“.

Das kurze Video der Influencerin Julia Beautx ist eines von unzähligen, die jeden Tag gepostet und von tausenden Menschen geklickt werden – viele davon Kinder und Jugendliche.

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„Influencer sind schon für viele Grundschulkinder ein Thema, spätestens ab der weiterführenden Schule hat dann schon fast jedes Kind einen Lieblingsinfluencer“, sagt Maya Götz, Leiterin des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen IZI. Sie forscht seit Jahren zu Jugend und Social Media. Influencer seien wichtige Personen für die Identitätsbildung von Kindern und Jugendlichen, so Götz: „Influencerinnen und Influencer bieten ihnen einen Blick in eine andere, ältere und scheinbar perfektere Welt. Sie bieten Antworten auf Fragen, die sich Kinder auch stellen: Wie ziehe ich mich an? Wie schminke ich mich? Wie gehe ich mit anderen um? Oder mit Problemen?“

Zwischen Reflexion und Naivität

Influencer oder Influencerin ist schon längst zu einem richtigen Beruf geworden. Gleichzeitig gebe es auf Tiktok, Youtube, Instagram oder Twitch mittlerweile immer mehr Mikro-Influencer mit verhältnismäßig wenigen Fans, die aber zusammengenommen einen starken Einfluss hätten, erzählt Götz: „Jede Plattform und jedes Thema hat seine eigenen Influencer, die man als Außenstehender oft gar nicht wirklich wahrnimmt“. Gleichzeitig seien Jugendliche nicht so naiv, wie viele Erwachsene vielleicht meinen: „Zumindest die Jugendlichen sind sich schon darüber im Klaren, dass Influencer ihren Lebensunterhalt vor allem mit Werbung verdienen. Und viele sagen selbst, dass sie sich in ihren Kaufentscheidungen dadurch beeinflussen lassen.“ Die Werte, die Influencer implizit vermitteln, würden von den Jugendlichen allerdings weniger reflektiert, etwa Schönheitsideale oder die Art, wie sich Jugendliche im Netz selbst inszenieren.

Dass all das auch Thema im Schulunterricht sein sollte, dem würde Maya Götz zustimmen. Allerdings sei es ein Thema, das Fingerspitzengefühl erfordere: „Lehrkräfte sollten das Thema nicht von oben herab angehen, sondern bereit sein, selbst etwas zu lernen.“ Genauso sieht das auch die Medienpädagogin Kim Beck, die viel mit Schülerinnen und Schü- lern zu diesem Thema arbeitet. „Man sollte von dem reinen Problemfokus auf das Thema wegkommen, den viele Erwachsene haben“, sagt sie. Influencern zu folgen, sei nicht grundsätzlich etwas anderes, als ein Fan von Musikern oder Filmstars zu sein. Dennoch sei bei Influencern Vorsicht geboten.

Die Inszenierung durchschauen

Laut Beck berührt das Thema Influencer vor allem drei wichtige Lernbereiche, die Lehrkräfte aufgreifen können: zum einen die Frage, was real ist und was nicht. „Kinder sehen nur einen winzigen Ausschnitt aus dem Leben der Influencer, können aber nicht immer einschätzen, wie ausschnitthaft und inszeniert diese Einblicke sind.“ Zweitens sei es wichtig, die Werbekompetenz der Kinder und Jugendlichen zu schärfen, also das Bewusstsein dafür, wie Influencer ihr Geld verdienen und welche Inhalte werblich sind. Und drittens eignen sich Influencer, um die Informationskompetenzen der Schülerinnen und Schüler zu trainieren: „Influencer machen keine Nachrichtenmeldungen, aber sie verbreiten trotzdem Informationen. Kinder und Jugendliche müssen lernen einzuschätzen, wie vertrauenswürdig diese Informationen sind.“ Ihrer Erfahrung nach sind Jugendliche an diesen Aspekten durchaus interessiert und können Influencer auch kritisch betrachten – außer es gehe um die, die sie selbst am liebsten mögen. „Aber auch dafür lassen sie sich sensibilisieren,“ versichert Beck.

Lehrkräfte können dieses Interesse ausnutzen. „Das Gute ist, dass Jugendliche selbst unheimlich gerne über Influencer sprechen – weil ihnen da sonst kaum ein Erwachsener zuhört“, so Beck. Auf keinen Fall sollten Lehrkräfte abwertend über das Thema reden, auch wenn ihnen die Inhalte nicht gefallen. Um sich dem Thema nähern zu können, empfiehlt Beck Lehrkräften und auch Eltern, sich selbst ein wenig auf Social Media umzuschauen, welche Influencer es so gebe: „Man kann der Klasse dann ganz simple Fragen stellen, etwa, ob man Werbung für ein Produkt machen würde, das man gar nicht mag. Dann kommt vielleicht die Antwort: Ja, wenn es dafür genug Geld gibt. Und dann ist man schon mitten im Thema.“

Dieser Artikel ist zuerst im mobile.schule Magazin Ausgabe 1/2025, S. 40-42 erschienen.


Title: Jedes Kind ein Fan
URL: https://bildungsklick.de/schule/detail/jedes-kind-ein-fan
Source: bildungsklick
Source URL: https://bildungsklick.de
Date: February 5, 2025 at 02:50PM
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