Jetzt wird es persönlich / Papst Franziskus veröffentlicht seine Autobiografie

DOMRADIO.DE: Man hat vorab gelesen, dies sei in der Geschichte die erste Autobiographie eines Papstes zu Lebzeiten. Aber gibt es nicht schon ein Buch mit autobiografischen Ausführungen von Papst Franziskus?

Severina Bartonitschek (KNA-Redakteurin in Rom): Das ist die erste, die ausdrücklich als solche veröffentlicht wurde. Aber natürlich gibt es ganz viele Bücher vom Papst und über den Papst. 

Letztes Jahr ist beispielsweise ein Buch erschienen, das auch schon ganz viele autobiografische Elemente hatte. Ganz interessant ist, dass auch Johannes Paul II. schon eine Autobiografie veröffentlicht hat. Das war 1996, so knapp zehn Jahre vor seinem Tod.

DOMRADIO.DE: Meist erscheinen Autobiografien eines Papstes erst nach seinem Tod, wenn überhaupt. Warum hat sich Franziskus hier anders entschieden?

Bartonitschek: Der Co-Autor des Buches schreibt in seinem Nachwort, dass das ursprünglich auch so geplant war. Man konnte den Papst dann aber doch aufgrund der heutigen Weltlage und auch aufgrund des Heiligen Jahres, was ja jetzt gerade läuft, irgendwie umstimmen.

DOMRADIO.DE: Wie präsentiert sich der Papst in seinem Buch?

Bartonitschek: Es ist auffällig, dass das Buch sehr persönlich ist. Franziskus scheut sich darin überhaupt nicht, Emotionen zu zeigen. Er erzählt beispielsweise von verschiedenen Anlässen, bei denen er weinen musste, oder wann oder warum er ein schlechtes Gewissen hatte. Er sagt, dass Melancholie zum Beispiel ein Teil seiner Seele ausmacht. 

"Er erzählt frei von seinen Besuchen bei einer Psychiaterin."

Er spricht auch ganz offen über seine Neurosen, sagt auch, dass man die pflegen müsse. Eine von ihm ist, dass er sehr an seiner Umgebung hängt und nicht gerne in Urlaub fährt. Er geht auch ein bisschen auf seinen Charakter ein und erzählt, dass er Pünktlichkeit sehr liebt und wahnsinnig ungeduldig ist. Er berichtet, dass es an seiner Ungeduld lag, wenn er mal gestolpert ist und er auch schlecht abwarten konnte, dass Prozesse immer ein bisschen Zeit brauchen. 

Er erzählt auch ganz frei von seinen Besuchen bei einer Psychiaterin. Das war während der Zeit der Militärdiktatur in Argentinien. Da ist er für ein knappes Jahr einmal die Woche zu einer Psychiaterin gegangen. Er sagt, dass er von ihren Ratschlägen noch heute profitiert.

DOMRADIO.DE: Er beschreibt auch seine Liebe zum Fußball, schon als Kind. Er war und ist begeistert von diesem Sport. Aber er war selbst kein begnadeter Fußballer, oder?

Bartonitschek: Nein, offenbar nicht. Er sagt zwar, dass dies für ihn immer die schönste Sache der Welt war und er auch ganz viel mit seinen Freunden damals in Buenos Aires in seinem Viertel gespielt hat. Aber er stand häufig im Tor, weil er, wie er selbst sagt, kein großer Ballkünstler war und auch zwei linke Füße hat.

"Sehr schöne Kindheitserinnerungen."

Füße sind sowieso ein Thema in diesem Buch. Er spricht über seine orthopädischen Schuhe, weil er leichte Plattfüße hat. Das ist offenbar ein Thema. 

Aber zurück zum Fußball. Als Zuschauer war er in seiner Kindheit ganz oft mit seinem Vater und seinen Brüdern bei dem Verein San Lorenzo im Stadion. 

Danach gab es immer pikante Schnecken und Pizza. Er berichtet darüber sehr ausführlich. Das waren offenbar sehr schöne Kindheitserinnerungen. Er ist immer noch Fan von diesem Fußballverein, aber interessanterweise hat er seit 30 Jahren kein Spiel mehr gesehen, weil er in den Neunzigern ein Gelübde abgelegt hat, dass er kein Fernsehen mehr schauen will. 

Im Vatikan löst er das jetzt so, dass er sich einmal die Woche von einem Schweizergardisten die Ergebnisse von San Lorenzo und die aktuelle Tabelle bringen lässt.

DOMRADIO.DE: Dienstliche Stationen beschreibt er auch. Darunter auch die dramatischen Ereignisse während seiner Reise in den Irak. Das war 2021. Was erfährt man da?

Bartonitschek: Man erfährt zum einen, dass Papst Franziskus diese Reise trotz aller Sicherheitsbedenken unbedingt machen wollte. Die waren offenbar angebracht, denn in dem Buch erzählt er, dass der Vatikan am Vortag seiner Ankunft davon erfahren hat, dass eine Frau mit einem Sprengstoffgürtel und auch ein mit Sprengstoff beladener Lieferwagen auf dem Weg nach Mossul sind. 

Er ist dann trotzdem geflogen. Passiert ist am Ende – Gott sei Dank – nichts. Er hatte dann wohl, wie er erzählt, bei einem Sicherheitsbeamten nachgefragt, was mit den mutmaßlichen Attentätern passiert ist. Ihm wurde gesagt, dass sie abgefangen wurden und samt Sprengstoff in die Luft gejagt wurden, was den Papst sehr getroffen hat.

DOMRADIO.DE: Papst Franziskus war auch das eine oder andere Mal in Deutschland. Wie kommt unser Land in seiner Autobiografie vor?

Bartonitschek: Gar nicht. Einmal erwähnt er in einem Nebensatz seinen Studienaufenthalt in Sankt Georgen, der Jesuitenhochschule in Frankfurt. Das war 1986. Das erzählt er allerdings nur im Zusammenhang mit dem Tod einer Ordensschwester, die an dem Tag seiner Rückkehr aus Deutschland starb. 

Einmal erwähnt er Georg Gänswein, wenn wir jetzt beim Deutschen sind. Er spricht von dem Tag, als dieser die ihm zugedachte Wohnung im Apostolischen Palast gezeigt hat. Aber die Wohnung hat der Papst ja am Ende auch nicht genommen.

DOMRADIO.DE: Für die katholische Kirche sind es durchaus schwierige Zeiten. Dennoch sieht Franziskus die Zukunft der Kirche optimistisch. Woran macht er das fest?

Bartonitschek: Das ist ganz spannend. Er sagt, dass sich die Kirche weiterentwickeln wird. Sie hat immer eine Zukunft. Herausforderungen hat es immer gegeben. Verweltlichung und Verfolgung sind jetzt nichts Neues für die katholische Kirche. Er sagt auch, dass das Papsttum sich weiterentwickeln wird. 

Seine Vorstellung für eine gute Zukunft der Kirche besteht unter anderem darin, dass sie kreativer wird, dass sie sich dem Dialog öffnen muss, ohne die eigenen Glaubenswahrheiten zu relativieren. Immer wieder sagt er, dass die Kirche rausgehen und unter den Menschen sein müsse. Das betont er während seines Pontifikats immer wieder. Er spricht da von einer Reform der Haltung. Das steht für ihn an erster Stelle. Danach könne man über Struktur und Organisatorisches sprechen.

Das Interview führte Carsten Döpp. 

Information der Redaktion: "Hoffe. Die Autobiografie" ist im Kösel-Verlag erschienen. Aus dem Italienischen übersetzt von Elisabeth Liebl.

Papst Franziskus ist sehr mitteilsam. Regelmäßig gibt das Kirchenoberhaupt Interviews, erscheinen Bücher mit ihm und über ihn. Detaillierte Einblicke in sein Leben gewährt er nun in seiner Autobiografie "Hoffe".


Title: Jetzt wird es persönlich / Papst Franziskus veröffentlicht seine Autobiografie
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Source: DOMRADIO.DE – Der gute Draht nach oben
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Date: January 14, 2025 at 12:03PM
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