Kein Handy im Klassenraum – auch für Lehrer! Bildungsforscher Zierer fordert radikalen und einheitlichen Schnitt

DÜSSELDORF. Die Diskussion um ein Handy-Verbot an Schulen flammt immer wieder auf, und noch ist kein Ende in Sicht. Während einige Bundesländer strikte Vorgaben zur Nutzung planen, überlassen andere die Entscheidung den Schulen selbst – ein Fehler, mahnt Pädagogikprofessor Klaus Zierer. Im Interview mit dem Online-Nachrichtenmagazin „Spiegel“ fordert er: „Die privaten Geräte müssen ausnahmslos raus aus dem Klassenzimmer“ – auch die der Lehrkräfte.

In der Debatte um Handy-Verbote an Schulen fordert Bildungsforscher Klaus Zierer einen radikalen Schnitt. Symbolbild: Shutterstock/oxinoxi

Inmitten der bundesweiten Debatte über Handyverbote an Schulen spricht sich Klaus Zierer, Professor für Schulpädagogik an der Universität Augsburg, für eine konsequente und einheitliche Regelung aus. Private Mobiltelefone hätten im Schulalltag nichts zu suchen, betont der Professor im Gespräch mit dem „Spiegel“ – und geht damit deutlich über viele der bislang diskutierten oder bereits umgesetzten Landesregelungen hinaus.

„Das ist absolut sinnvoll“, sagt Zierer mit Blick auf entsprechende Verbote. Private Handys im Schulkontext seien „einfach nur überflüssig“. Studien zeigten klar, dass sie das Lernen nicht nur behinderten, sondern in seinen Augen sogar verhinderten. Die digitalen Begleiter lenkten Kinder und Jugendliche massiv ab und stünden einer konzentrierten Auseinandersetzung mit Unterrichtsinhalten entgegen.

Studie: Smartphone-Verbot verbessert soziales Klima

Erst Ende des vergangenen Jahres hatte Zierer gemeinsam mit einem Forschungskollegen der Universität Augsburg eine Studie zu den Auswirkungen eines Smartphone-Verbots an Schulen veröffentlicht (News4teachers berichtete). Demnach verbessert ein Smartphone-Verbot vor allem das soziale Klima an Schulen und führt zu einem höheren Wohlbefinden der Schüler:innen. Gleichzeitig konnten sie hinsichtlich der Lernleistungen ebenfalls positive Effekte feststellen, wenn auch in geringerem Maße.

Auf den Einwand, dass Schulen doch pädagogisch begleiten sollten, wie junge Menschen mit den allgegenwärtigen Geräten umgehen, reagiert Zierer mit deutlicher Kritik an der derzeitigen Ausrichtung des Bildungssystems. Er spricht von einem „massiven gesamtgesellschaftlichen Problem“: Die spielebasierte Kindheit sei durch eine bildschirmbasierte ersetzt worden – mit weitreichenden Folgen. „Schule hat sich hier in den vergangenen Jahren viel zu sehr als Problemlöser und Reparaturbetrieb verstanden und auf Entwicklungen reagiert, anstatt selbst zum Mitgestalter von Gesellschaft zu werden.“

Gegen Smartphones an Grundschulen

Besonders vehement wendet sich der Pädagoge gegen den Einsatz privater Mobilgeräte an Grundschulen. Die Vorstellung, dass Lehrkräfte bereits mit Kindern im frühen Schulalter einen bewussten Umgang mit digitalen Medien einüben sollten, weist er entschieden zurück. „Aus pädagogischer Sicht ist das völliger Nonsens“, betont Zierer. Die neurobiologische Forschung habe längst gezeigt, dass Grundschulkinder gar nicht in der Lage seien, sinnvoll mit einem Smartphone umzugehen. Allerdings: Zierer will die digitalen Medien nicht vollständig aus dem Schulkontext verbannen. Vielmehr plädiert er für den gezielten und didaktisch begründeten Einsatz schulischer Geräte. Entscheidend sei jedoch: „Die privaten Geräte müssen ausnahmslos raus aus dem Klassenzimmer.“

Kritisch sieht der Bildungsforscher die bisherigen Regelungen in vielen Bundesländern, die Schulen in der Handhabung weitgehende Freiheiten lassen. Diese föderale Uneinheitlichkeit könne zu einem Flickenteppich führen, warnt Zierer. „Wenn es da nicht von vorneherein klare Vorgaben vonseiten der Ministerien gibt, bleiben solche Erlasse nur ein bildungspolitisches Feigenblatt.“ Es brauche klare und verbindliche Regelungen für alle, um eine einheitliche Linie durchzusetzen.

Bundesländer uneinig

Einen einheitlichen gesetzlichen Rahmen plant aktuell die schwarz-rote Landesregierung von Hessen – und hat eine entsprechende Novelle des Schulgesetzes in den Landtag eingebracht. Diese sieht ein weitreichendes Handy-Verbot ab dem kommenden Schuljahr vor – mit einigen Ausnahmen (News4teachers berichtete). „Das entschlossene Vorgehen ist gerade mit Blick auf die jüngeren Schulkinder geboten. Sie sollen in den Pausen wieder gemeinsam spielen und nicht alleine in der Ecke vor sich hin oder übereinander chatten. In der Schule lernt man nicht nur den Unterrichtsstoff, sondern auch das soziale Miteinander. Das kann nicht durch den Blick auf den Bildschirm ersetzt werden. Die ständige Online-Präsenz schadet den Beziehungen und verhindert echte Begegnungen“, erklärte Armin Schwarz (CDU), hessischer Bildungsminister, in diesem Zusammenhang.

Auch in Rheinland-Pfalz spricht sich die oppositionelle CDU-Fraktion für eine entsprechende Änderung des Schulgesetzes aus (News4teachers berichtete). Schulen müssten geschützte Lern- und Sozialräume sein, betonte die bildungspolitische Sprecherin Jenny Groß. Dafür brauche es eine landesweite Regelung. Die Landesregierung aus SPD, Grünen und FDP zeigt sich jedoch nicht überzeugt. Sie plädiert dafür, dass die Schulen weiterhin selbst regeln, wie sie mit Smartphones umgehen wollen – gemeinsam mit der Schulgemeinschaft und den Eltern. Diesen Weg bevorzugt auch Nordrhein-Westfalen, will den Schulen allerdings mit Leitlinien Orientierung bieten (News4teachers berichtete). Für die somit verantwortlichen Schulen bedeutet dies allerdings oftmals einen aufwändigen Aushandlungsprozess, um die unterschiedlichen Wünsche aller Beteiligten in einem Kompromiss zu vereinen.

Forderung nach einem Verbot auch für Lehrkräfte

Während der Fokus der Bundesländer auf der Frage liegt, ob es einheitliche Regelungen braucht, die Handynutzung der Schüler:innen regelt, geht Zierer einen Schritt weiter und fordert: Ein generelles Verbot müsse auch für Lehrkräfte gelten. „Das private Gerät lenkt natürlich auch die Lehrkraft ab – deshalb sollten auch die Erwachsenen keine Handys im Klassenzimmer dabeihaben, nicht mal in der Tasche.“ Der Professor unterstreicht die Vorbildfunktion der Lehrpersonen. Nur wenn diese sich selbst an das Verbot hielten, könne eine glaubwürdige und wirksame Umsetzung erfolgen. News4teachers / mit Material der dpa

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Date: April 16, 2025 at 02:33PM
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