KI für die Predigt?

"Pro und Contra": Wenn der Rechner die Predigt schreibt

KI für die Predigt?

Seit Monaten wird über KI – Künstliche Intelligenz – heftig diskutiert. Im EU-Parlament wird derzeit ein Gesetz vorbereitet, das die Anwendung solch computergenerierter Anwendungen regelt. Aber könnte KI nicht auch in der Kirche helfend zum
Einsatz kommen, zum Beispiel beim Predigen? Die Redaktion streitet darüber. Evelyn Schwab sagt Ja, Anja Weiffen setzt dagegen auf den Faktor Mensch.


Kann man sich das vorstellen? Dass Papst Franziskus ein Predigt hält, die vom Computer stammt?

PRO

KI – Künstliche Intelligenz – durchdringt gerade immer mehr Bereiche des Lebens. Das verändert uns und unseren Alltag. Auch den von Theologie und Kirche. Aufsehen erregte bereits das Programm ChatGPT der Firma OpenAi. Seit Ende November 2022 lässt sich das KI-Tool von jedem kostenlos nutzen. Es ist ein Sprachmodell, das sich mit Menschen unterhalten und Texte formulieren kann. Ihre Bedeutung versteht der Chatbot nicht. Er arbeitet mit Wahrscheinlichkeiten, also in welcher Reihenfolge üblicherweise die Worte in einem Satz aufeinander folgen. Er kann maschinell lernen, durch ständiges Training anhand von Millionen Texten verbessern sich die Ergebnisse. Verblüffenderweise ist oft auf den ersten Blick nicht erkennbar, ob die fertige Arbeit von einem Menschen stammt oder nicht.
Sollte es nun Predigten anhand von künstlich errechneten Ergebnissen geben dürfen? Ich meine, ja. Das Programm sammelt grundsätzlich Informationen aus dem, was bereits irgendwo vorhanden ist. Das erleichtert den vorbereitenden Teil der Arbeit. Beim zweiten Schritt – diese von künstlicher Intelligenz gesammelten Daten zu nutzen – muss man aber gut aufpassen. Der Anwender sollte unbedingt in der Lage sein, fehlerhafte oder unwahre Informationen zu erkennen.
Abgesehen davon braucht es immer noch menschliche Kreativität, um aus dem eher langweiligen Material etwas zu schaffen, das Menschen im Gottesdienst persönlich anspricht.
Ich glaube, es ist sinnvoll, dass sich auch Kirche mit dem Thema KI auseinandersetzt. Ganz einfach, weil es in der Gesellschaft bereits angekommen ist. Weil es wichtig ist, einen kritischen Umgang mit solchen Medien zu erlernen. Weil die Kunst, KI sinnvoll als Inspiration zu nutzen, auch eine Predigt bereichern kann. Wobei am Ende die menschliche Fähigkeit zählt, sorgsam auszuwählen, zu prüfen, zu verwerfen. Und Gott authentisch anderen nahezubringen.

Evelyn Schwab
Redakteurin
 

CONTRA

Man nehme eine Sprach-Software – vom Vatikan zertifiziert –, eine Stelle aus dem Evangelium, ein paar eigene Stichworte, und schwupp, kommt eine Predigt heraus. Verständlich, anregend, von „handgemachten“ Texten nicht zu unterscheiden. Dieses Szenario ist jetzt möglich, fast verlockend, bei all unserer Zeitnot, beim Priestermangel. Haben Politiker nicht auch Redenschreiber? Mathematiker Taschenrechner? Warum sollen sich Menschen beim Texten nicht von einer Maschine helfen lassen, warum nicht auch Theolog:innen? Erste Selbstversuche sind unterhaltsam, doch wirft die Vorstellung einer dauerhaften KI-Nutzung für Predigten Fragen auf. Sollte im Christentum als einer Buchreligion die Kunst der Auseinandersetzung mit der Heiligen Schrift nicht besonders gepflegt werden? Setzt sich ein Mensch wirklich mit dem Wort Gottes auseinander, wenn er maschinell erstellte Texte abnickt? Kann zwischen Nullen und Einsen der Heilige Geist wehen? Abgesehen von möglicher Manipulation, Predigende berauben sich des eigenen Charismas. Sprache ist keine Plackerei, deren Abschaffung unsere Gesundheit schont, im Gegenteil, Sprache ist Schlüsselkompetenz des menschlichen Lebens, Ausdruck unserer Persönlichkeit. Warum die Sprach-Muskeln freiwillig schwächen? Selbst internationale KI-Experten, darunter Elon Musk, haben in einem offenen Brief Zweifel an der KI angemeldet. Sie schreiben unter anderem: „Should we automate away all the jobs, including the fulfilling ones? (Sollen wir alle Jobs automatisieren, inklusive derer, die uns erfüllen?)“ Speziell zur Predigt: Ist sie nicht ein Geschehen zwischen dem Wort Gottes und den Menschen? Gott ist Mensch geworden, nicht Algorithmus. Wenn ich als Hörender nicht weiß, wessen „Handschrift“ eine Predigt wirklich trägt, schafft das nicht gerade Vertrauen. Und um Vertrauen geht es doch beim Glauben.

Anja Weiffen,
Redakteurin



Title: KI für die Predigt?
URL: https://www.kirchenzeitung.de/ki-f%C3%BCr-die-predigt
Source: Bonifatiusbote – Der Sonntag – Glaube und Leben
Source URL: https://www.kirchenzeitung.de
Date: May 16, 2023 at 12:33PM
Feedly Board(s): Religion