Kirchenhistoriker: Missionare im 16. Jahrhundert waren friedliebend

Kirchenhistoriker: Missionare im 16. Jahrhundert waren friedliebend

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Der Besuch des Papstes in Kanada hat nicht nur die Fehler der jüngeren Kirchengeschichte in den Mittelpunkt gerückt. Auch die Frage des Kolonialismus ab dem 16. Jahrhundert wurde wieder thematisiert. Es sei eine historische Entwicklung, die noch tiefgründiger aufgearbeitet werden sollte, und dazu sei die Arbeit der Kirchenhistoriker wichtig, so der in der Schweiz dozierende Kirchenhistoriker Mariano Delgado gegenüber Radio Vatikan.

Mario Galgano – Vatikanstadt

Mariano Delgado ist seit 1997 Professor für mittlere und neuere Kirchengeschichte und auch Direktor des Instituts für den interreligiösen Dialog an der Universität Fribourg in der Schweiz. Er gilt im deutschen Sprachraum als einer der wenigen und wichtigsten Kirchenhistoriker, die sich mit der Zeit des Kolonialismus in Amerika beschäftient.

Die Christianisierung in Amerika bzw. in der Neuen Welt beginnt mit der sogenannten Entdeckung dieser Gegend 1492 durch Christoph Kolumbus, so Delgado. Papst Alexander VI. habe nach dem Brauch jener Zeit dem König von Spanien und auch für die weitere Zeit, das heißt für die Erben des spanischen Königshauses, in einer Bulle vom 4. Mai 1493 die entdeckten Inseln und die noch zu entdeckenden Gebiete des Festlandes geschenkt und übertragen. „Alexander VI. hat dies zugleich mit der Verpflichtung verbunden, diese der spanischen Könige auch zur Evangelisierung und zur Mission übertragenen neuentdeckten Völker zu missionieren, und zwar von guten Gelehrten und tadellosen Männern“, präzisiert der Kirchenhistoriker. Die Missionare hätten die Aufgabe gehabt, diese Menschen „in allen guten Sitten zu erziehen und ihnen natürlich das Evangelium zu predigen“. Damit beginne die Missionsgeschichte Amerikas insgesamt.

Indigene bei einer Begegnung mit Papst Franziskus letzte Woche in Québec

Indigene bei einer Begegnung mit Papst Franziskus letzte Woche in Québec

Missionare protestierten gegen Misshandlung der Eingeborenen

Die Unterschiede, was den Kolonialismus zwischen Süd-, Mittel- und Nordamerika betreffe, seien zwar durch die verschiedenen Kolonialmächte geprägt worden. Man müsse aber beachten, dass die damaligen päpstlichen Bullen – also gerade jene von Alexander VI. – ganz Amerika den Spaniern übertragen hätten. „Doch die Realpolitik der europäischen Mächte hat dann dazu geführt, dass ein Teil dieser Neuen Welt, namentlich das, was wir heute Nordamerika nennen, vor allem von den Engländern und auch von den Franzosen kolonisiert wurde“, erinnert Delgado. Also gebe es Unterschiede zwischen der katholischen und der protestantischen Art der Mission in der neuen Welt.

Die Katholiken, vor allem die Spanier, und später in Québec die Franzosen, seien ähnlich vorgegangen. „Die haben versucht, das Land zu sichern, das heißt, die Territorien im Grunde zu erobern und dort mehr oder weniger nach Art der alten Römer einfach ihre Religion und Lebensart auszubreiten“, erläutert der Kirchenhistoriker. „Und die Mission – jedenfalls im spanischen Weltreich – war eigentlich nie gewaltsam“, fügt er an. Die Missionare hätten bereits schon 1511 gegen die Misshandlung der Eingeborenen protestiert und auch gegen die Verquickung von Mission und Zwang.

Franziskus nimmt letzte Woche an einer Wallfahrt der First Nations in Kanada teil

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Gegen strikte Trennung

Die Probleme mit der Gewalt seien vor allem politischer Art gewesen, präzisiert Delgado. Was man aus der damaligen Zeit für die heutige Theologie lernen könne, sei die Bedeutung der Wissenschaftler für die Kirche, so der frühere Dekan der Theologischen Fakultät in Fribourg. „Denn die Theologen sollten bereit sein, auch harte Einschnitte zu untersuchen, Fehlentwicklungen zu erforschen und darauf hinzuweisen, dass manchmal Kurskorrekturen bitter nötig sind“, so Delgado.

Ein weiterer Unterschied zwischen den verschiedenen christlichen Konfessionen, die in Amerika das Christentum verbreitet hätten, betraf die Einstellung zu den Eingeborenen. Während die spanische Politik eine Vermischung mit den Einheimischen vorsah, hätten vor allem die puritanischen Einwanderer aus dem englischen Sprachraum eine strikte Trennung gefördert. So sei das Resultat heute, dass der Katholizismus gerade im lateinamerikanischen Raum bis jetzt tiefer verbreitet worden sei. Die Vermischung der Völker könne man gerade im mittel- und südamerikanischen Raum wortwörtlich „in den heutigen Gesichtern“ der Menschen sehen.

Franziskus mit einem Häuptling der First Nations

Franziskus mit einem Häuptling der First Nations

Als Experte des Missionars Bartolomé de las Casas könne er sagen, dass gerade ein solches Beispiel dafür stehe, dass damals im 16. Jahrhundert auch „klarsichtig manche Fehlentwicklungen“ gesehen wurden. „Er hatte nicht nur die friedliche Mission vertreten, sondern auch die Gewalttätigkeit der Eroberer gegenüber den Eingeborenen, den Indianern bitter angeklagt. Im Grunde hat er dafür gesorgt, dass die Öffentlichkeit, wie wir heute sagen, auch darüber informiert wurde. Er hat sich für Gerechtigkeit und Recht gegenüber den indianischen Völker engagiert. Und er hat ein Verständnis entwickelt auch für die Logik der indianischen Kulturen und Religionen, die nicht einfach so des Teufels sind, sondern auch viel Gutes und Schönes enthielten.“

Und gerade hier könne das Christentum in der heutigen Zeit anschließen, fügt der aus Spanien stammende Kirchenhistoriker: „Denn es wäre schon wichtig, wenn die Kirche auch bei Heiligsprechungen gerade nach solchen Menschen Ausschau hält, die für die heutige Zeit wirklich Vorbilder sein könnten“.

(vatican news)

Religion

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August 1, 2022 at 02:45PM