Knackpunkt Reli-Unterricht / Katholisches Büro Berlin begrüßt neuen Koalitionsvertrag
DOMRADIO.DE Partnerschaftlicher Umgang zwischen Staat und Kirche, das wünscht sich die neue SPD/CDU-Koalition für Berlin. Das ist eine abstrakte Überschrift. Was kann das konkret bedeuten? Was meinen Sie?
„Ich denke, wir als Kirchen bemühen uns, eine möglicherweise auseinander driftende Gesellschaft gemeinsam mit der Politik und mit anderen gesellschaftlichen Playern zusammenzuhalten.“
Gregor Engelbreth (Leiter des Katholischen Büros in Berlin/Brandenburg): Erst mal finde ich die Einordnung, dass Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften bereichernde Partner sind, im Einsatz für den gesellschaftlichen Zusammenhalt – so steht es auch im Koalitionsvertrag – eine sehr schöne Beschreibung. Ich denke, wir als Kirchen bemühen uns, eine möglicherweise auseinanderdriftende Gesellschaft gemeinsam mit der Politik und mit anderen gesellschaftlichen Playern zusammenzuhalten. Da ist Bildung zum Beispiel ein ganz wichtiges Element, um zu einer guten gesellschaftlichen Fortbildung zu kommen.
DOMRADIO.DE: Sie sagen es schon, Bildung. Für die katholische Kirche müsste sich dann auch die Frage für ihre privaten Schulen stellen: Wie groß wird die Unterstützung der Koalition für die katholischen Privatschulen sein? Wünschen Sie sich da eine bessere Unterstützung?
Engelbreth: Ja, ohne Zweifel! Schulen in freier Trägerschaft in Berlin haben mehr als zehn Prozent der Schülerinnen und Schüler und seit einer Sparrunde im Jahre 2002, seit rund 20 Jahren, werden die Personalkosten der freien Schulen nur noch zu einem verminderten Satz erstattet. Sämtliche Sachkosten, also Baukosten, Instandhaltungskosten für die Gebäude, werden überhaupt nicht erstattet. Das führt dazu, dass Schulen in freier Trägerschaft entweder gezwungen sind, relativ hohe Schulgelder zu nehmen, oder es führt dazu, dass bei Trägern wie den Kirchen beträchtliche Beträge aus dem Steueraufkommen zugeschossen werden müssen.
„Hohe Schulgelder, welche die Kirchen nicht nehmen, führen natürlich auch dazu, dass die Schüler sich trennen, nach Schülern aus begütertem Haus und nicht begütertem und das kann auf keinen Fall in unserem Interesse sein und auch nicht im gesellschaftlichen Interesse.“
Beides ist auf Dauer nicht möglich. Hohe Schulgelder, welche die Kirchen nicht nehmen, führen natürlich auch dazu, dass die Schüler sich trennen, nach Schülern aus begütertem Haus und nicht begütertem und das kann auf keinen Fall in unserem Interesse sein und auch nicht im gesellschaftlichen Interesse. Das heißt, eine vernünftige staatliche Finanzierung führt auch dazu, dass wir eine gute Durchmischung der Schülerschaft haben zwischen freien und staatlichen Schulen.
DOMRADIO.DE: Dann ist da noch der Religionsunterricht. Für Berlin muss man wissen, dass es da nur eine Arbeitsgemeinschaft, also eine AG, gibt. Der Religionsunterricht ist also kein Pflichtfach staatlicherseits, richtig?
Engelbreth: Das ist richtig. Der Religionsunterricht ist ein freiwilliges Angebot der Kirchen, was in staatlichen Schulen unterrichtet wird, aber, wie Sie es richtig schon skizziert haben, letztlich nur auf dem Niveau eines Angebots. Das hängt dann auch im Wesentlichen vom jeweiligen Schulleiter ab, wie es gestaltet werden kann, also ob Räume zur Verfügung stehen, ob der Religionsunterricht im Stundenplan so platziert werden kann, dass er attraktiv ist für Schülerinnen und Schüler. Letztlich ist es natürlich auch die Frage des Geldes.
„Der Staat unterstützt zwar den Weltanschauungs- und Religionsunterricht mit Teilbeträgen, aber die Kirchen müssen einen wesentlichen Teil selbst dazu tragen.“
Der Staat unterstützt zwar den Weltanschauungs- und Religionsunterricht mit Teilbeträgen, aber die Kirchen müssen einen wesentlichen Teil selbst dazu tragen. Wenn es jetzt wie geplant ein Wahlpflichtfach geben würde, würde das bedeuten, dass sich Schülerinnen und Schüler entscheiden können, welchen Religions- oder Weltanschauungsunterricht sie besuchen können. Es würde unter staatlicher Kontrolle, also das heißt auch mit einem einheitlichen Niveau über alle Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften hinweg ein Religionsunterricht stattfinden, dessen inhaltliche Verantwortung bei den jeweiligen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften liegt. Das wäre letztlich die Regelung, wie sie in nahezu allen Bundesländern jetzt schon Fakt ist, aber in einigen wenigen Bundesländern nicht eingeführt worden ist.
DOMRADIO.DE: Es gibt dann einen katholischen, evangelischen und auch einen islamischen Religionsunterricht, oder?
Engelbreth: Ja, das gibt es jetzt schon. Es gibt zum Teil Religionsunterricht in ökumenischer Verbundenheit, aber immer in Verantwortung der jeweiligen Kirchen oder Religionsgemeinschaft. Es gibt auch hier in Berlin einen Unterricht, der vom Humanistischen Verband angeboten wird, auch das wird alles fortbestehen. Daneben gibt es einen staatlichen Ethikunterricht. Es wird eine große Wahlmöglichkeit für die Schülerinnen und Schüler geben. Ich denke, für eine säkulare, aber auch religiöse Stadt wie Berlin ist das eine durchaus angemessene und gute Lösung.
DOMRADIO.DE: Jetzt gehen wir mal davon aus, der Koalitionsvertrag ist unterzeichnet. Welche Hürden gilt es da noch zu nehmen, bevor es in Berlin tatsächlich einen staatlich organisierten Religionsunterricht gibt?
Engelbreth: Sicherlich einige administrative, weil es tatsächlich ein Systemwandel ist. Wir müssen dann schauen, dass wir Organisationsformen finden, die auch den bisherigen Religionsunterricht, der in kirchliche Verantwortung gebracht wird, überführen in einen staatlichen Religionsunterricht. Das wird sicherlich ein mindestens ein- bis zweijähriger Prozess sein, bevor es wirklich in dem Format losgeht, wie wir das aus den anderen Bundesländern kennen.
Das Interview führte Florian Helbig.
Der Religionsunterricht in Deutschland ist als einziges Unterrichtsfach im Grundgesetz abgesichert. Als ordentliches Lehrfach ist er in den meisten Bundesländern den übrigen Schulfächern gleichgestellt. Schüler können sich aber aus Gewissensgründen abmelden.
Religion
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April 5, 2023 at 01:38PM