DÜSSELDORF. Der Unterrichtsausfall wird sich durch stetige Überlastung verschärfen, es gibt einen Teufelskreis aus hoher Belastung und hohen Krankenständen – betont der Philologenverband NRW. Er fordert deshalb: „Schulen mit hohem Krankenstand nicht an Pranger stellen“. Der Anlass: Das Schulministerium hat die Ausfallquote jeder einzelnen Schule im Land einsehbar gemacht.
Wie viel Unterricht fällt an Schulen in Nordrhein-Westfalen aus? Das will das Schulministerium genauer wissen und lässt dies von den Schulen seit dem Schuljahr 2023/2023 erfassen. Über den Gesamtbericht hinaus veröffentlicht das Ministerium seit dieser Woche auch die Einzelergebnisse – schulbezogen. Die Detailauswertung ist für alle Bürgerinnen und Bürger einsehbar (über die Schulsuche).
Schulministerin Dorothee Feller (CDU) appelliert zwar an alle, verantwortungsvoll mit den Daten umzugehen. Sie sagt: „Wenn an einer Schule vermehrt krankheitsbedingt Unterricht ausfällt, so lässt dies ausdrücklich keine Rückschlüsse auf die Qualität der schulischen Arbeit zu. Uns geht es darum, auf der Grundlage von schulbezogenen Daten gemeinsam Lösungen zu finden, um die Unterrichtssituation zu verbessern und die Schulen dabei zu unterstützen. Die Schulaufsicht unterstützt und berät die Schulen eng.“
„Wir befürchten, dass durch die Veröffentlichung falsche Rückschlüsse auf die Qualität von schulischer Arbeit gezogen werden könnten“
Warum die Daten denn überhaupt schulscharf veröffentlicht werden? Der Schulministerin ist nach eigener Aussage wichtig, für die Eltern Transparenz herzustellen. „Die Eltern wissen, dass Unterricht ausfällt, aber jetzt haben sie noch einmal eine genaue Übersicht: wie viel ist es denn wirklich”, sagte Feller im WDR-Interview. Auch für die Schulen selbst könnten die Zahlen nützliche Informationen liefern. Zum Beispiel, um sich an den Nachbarschulen umzusehen und sich gegebenenfalls auszutauschen, wie Unterricht gut vertreten werden kann. Keinesfalls solle daraus ein Ranking im Schulvergleich erwachsen.
Der Philologenverband hält das für Wunschdenken – und blickt entsprechend sorgenvoll auf die Neuerung. „Wir befürchten, dass durch die Veröffentlichung falsche Rückschlüsse auf die Qualität von schulischer Arbeit gezogen werden könnten“, sagt Vorsitzende Sabine Mistler. In der Vergangenheit seien Zahlen zum Unterrichtsausfall beispielsweise von Lokalmedien genutzt worden, um in einzelnen Kommunen regelrechte Schulrankings zu erstellen. „So gesehen ist es richtig, dass die Schulministerin einen verantwortungsvollen Umgang mit der Statistik fordert. Es darf nicht sein, dass Schulen und Kollegien an den Pranger gestellt werden.“
Das scheint tatsächlich bereits zu passieren. Schlagzeilen von lokalen Medien aus den vergangenen Tagen:
- „Unterrichtsausfall: Diese Düsseldorfer Schule ist Spitzenreiter“,
- „An einigen Kölner Schulen fiel jede zehnte Stunde ersatzlos aus“,
- „Unterrichtsausfall: An dieser Schule fallen kaum Stunden aus“.
Der Philologenverband begrüßt zwar ausdrücklich, dass Zahlen zum Ausfall von Unterrichtszeit erhoben werden, weist aber darauf hin, dass die Statistik in der Vergangenheit einen geringen Erkenntnisgewinn gebracht hatte. Mistler: „Bislang wurden etwa die ausgefallenen Stunden überhaupt nicht in Relation gesetzt zu der Zahl der unbesetzten Stellen, dadurch war die Aussagekraft der Statistik stark begrenzt.“
Dass mit der Erhebung des Unterrichtsausfalls noch nichts gewonnen ist, liege auf der Hand. „Eine Statistik allein generiert keine Stellen oder gar Lehrkräfte“, stellt Mistler fest. „Das Grundproblem ist hinlänglich bekannt, es ist der eklatante Mangel von Lehrerinnen und Lehrern in einzelnen Fächern und an bestimmten Schulen, vor allem an Sek-I-Schulen wie Gesamtschulen, aber auch an Gymnasien.“ Ein Umstand, der sich in den kommenden Jahren noch fortsetzen, wenn nicht sogar verschlimmern dürfte. Gründe dafür sind an den Gymnasien etwa die Rückkehr der Schulen mit gymnasialer Oberstufe von G8 zu G9.
„Die Belastungsgrenzen der Lehrkräfte sind seit langem massiv überschritten“
„Diese wird dazu führen, dass auch Gymnasien beim Personal in Unterhang geraten“, sagt Mistler. Und das trotz der Rückkehr der vorab eingestellten Lehrkräfte aus Vorgriffseinstellungen, die bis zum Ausbau von G9 an andere Schulformen abgeordnet sind und derzeit dort den Unterhang mit ausgleichen. „Die Belastungsgrenzen sind seit langem massiv überschritten, und auch wenn wir uns in einem längeren Prozess befinden, was die Verbesserung der Lehrerversorgung angeht, so müssen diese Grenzen vom Ministerium endlich ernst genommen und Lehrkräfte spürbar entlastet werden.“
Die Unterrichtsausfallstatistik würde aktuell der Philologen-Chefin zufolge noch viel schlimmer aussehen, wenn die Lehrkräfte nicht so viele, in der Regel unbezahlte, Mehrarbeit leisteten. Die Krankenstatistiken zeigten derzeit bereits einen deutlichen Anstieg – „ein Teufelskreis, den es dringlichst zu durchbrechen gilt“.
Laut Statistik ist im vergangenen Schuljahr rund jede 20. Unterrichtsstunde in Nordrhein-Westfalen (4,8 Prozent) ersatzlos ausgefallen. Demnach wurden zehn Prozent des Unterrichts in Vertretung erteilt: in veränderten und unveränderten Lerngruppen oder im Distanzunterricht (0,4 Prozent). Auf eigenverantwortliches Arbeiten – in der gymnasialen Oberstufe genutzt – entfallen 1,4 Prozent des Gesamtunterrichts. Zum planmäßigen Unterricht werden aber auch 6,2 Prozent „Unterricht in besonderer Form“ hinzugezählt. Streng nach Stundenplan wurden deshalb nur 77,5 Prozent des Unterrichts erteilt. News4teachers
Schulen am Pranger? Ministerium veröffentlicht Daten zum Unterrichtsausfall – schulbezogen
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Date: December 21, 2024 at 12:54PM
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