Kreuz als Modetrend?

Pro und Contra

Kreuz als Modetrend?

Seit den Tagen der Urkirche haben die Christen Erkennungszeichen am Körper getragen: einen Fisch oder das Kreuz. Heute schmücken sich Menschen auch aus modischen Gründen mit einem Kreuz. Ist das ein Hoffnungszeichen für wachsende Bindung oder bloße Aneignung? Die Redaktion streitet darüber. Anja Weiffen setzt auf innere Wirkung, Johannes Becher ärgert sich über die Show.


Warum tragen Menschen ein modisches Kreuz? Bloßer Schmuck oder Zeichen für eine innere Berührung?

 

PRO

Vor gut einem halben Jahr urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass ein Unternehmen Mitarbeitern das Tragen religiöser Symbole untersagen darf, wenn sich das Verbot auf alle Religionen bezieht. Auch über Kreuze in Schulen und Ämtern wird immer wieder diskutiert. Vor diesem Hintergrund mutet es paradox an, wenn Kreuze als „himmlischer“ Modeschmuck Social-Media-Kanäle erobern. Das zentrale christliche Symbol kommt wie durch die Hintertür wieder hinein in den zunehmend säkularen Raum.
Das Kreuz also als Verkaufsschlager? Der frei zugängliche Verkauf von Devotionalien ist nichts Neues, er kann regelrecht erblühen: Fahren Sie mal nach Lourdes! Beim Modeschmuck wird die Vermarktungsspirale allerdings auf die Spitze getrieben, weil das Kreuz inhaltsleer und austauschbar erscheint. Aber spricht ein Kreuz nicht durch sich selbst, ein über Kontinente hinweg bekanntes Symbol einer Weltreligion, ein spirituelles Zeichen auch über das Christentum hinaus?
Ein Symbol ist dazu da, es überhaupt erst einmal zu sehen und sich dann davon ansprechen zu lassen. Ob Mode-Firmen sich mit spirituellen Sehnsüchten (junger) Menschen beschäftigten, sei dahingestellt. Aber wenn dieser Trend Erfolg hat, sagt das auch etwas über Menschen aus. Wer sich mit christlicher Ästhetik schmückt, muss damit rechnen, ja, legt es vielleicht darauf an, danach gefragt zu werden. Wo klassische religiöse Sozialisation zunehmend verloren geht, finden eben neue Suchbewegungen statt. Solange Designer ein Symbol nicht verunstalten oder verunglimpfen, warum sollten sie nicht aus der Formensprache der Menschheit schöpfen? Schlimm finde ich es aber, wenn Kollektionen, des Profits wegen, immer schneller getaktet werden, wenn Mode an Ausdruck verliert und Menschen überfordert, wenn Wegwerf-Mentalität und Ressourcenverschwendung dominieren. Das ist der eigentliche Skandal.

Anja Weiffen, Redakteurin

 

CONTRA

Ja, sollte man sich als katholischer Christen-mensch denn heutzutage nicht freuen, wenn noch jemand öffentlich sichtbar ein Kreuz trägt? Schließlich muss man sich doch häufig als zurückgebliebener Spinner rechtfertigen für seine Mitgliedschaft im Club der Ewiggestrigen.
Sicher: Solidarische Signale sind gerne gesehen. Wenn sie von Herzen kommen. Aus Überzeugung. Ein Kreuz ist ein Credo. Ich glaube.
Klar, man kann auf dem Standpunkt stehen: Wem schadet das denn, wenn Menschen sich ein religiös verortetes Geschmeide um den Hals hängen obwohl sie nichts mit dessen Symbolik verbindet? Stimmt, „schaden“ tut das niemandem. Es schmeckt aber schal. „Euer Ja sei ein Ja!“, predigt die Bibel. Und: „Wenn du lau bist, will ich dich ausspeien!“ In einer Welt, in der doch alles authentisch sein soll …
Als bekennender Ministrant hatte ich einst einen überdimensionalen Rosenkranz mit dunklen Holzperlen in meinem Jugendzimmer an die Wand gehängt. Stammte aus Lourdes, sah gut aus, hatte sonst keiner. Aber er passte nicht zu mir: Rosenkranz beteten meine Oma und Mama, XXL-Devotionalien waren viel zu üppig für meinen kleinen Glauben. Als mir das dämmerte, habe ich den Protzschmuck wieder abgehängt.
Nicht von ungefähr wird darüber diskutiert, was wer noch darf: Ist es noch erlaubt, Karl May zu lesen, obwohl der weder Cowboy noch Indianer war; ist es möglich seine Haare in Rastalocken auszutragen, auch wenn man nicht qua Geburt dazu ermächtigt wurde; soll bei den Sternsingern einer schwarz angemalt werden?
Oder in unserer ModeSchmuck-Frage: Lassen sich Kreuz oder Rosenkranz als bloßes Accessoire – sprich: nicht notwendiges Beiwerk – am Körper tragen? Wann beginnt eine sakrale Aneignung und was ist glaubwürdiges Bekenntnis? Ein zur Schau gestelltes Kreuz ist eben bloße Fassade. Schade.

Johannes Becher, Redaktionsleiter



Title: Kreuz als Modetrend?
URL: https://www.kirchenzeitung.de/kreuz-als-modetrend
Source: Bonifatiusbote – Der Sonntag – Glaube und Leben
Source URL: https://www.kirchenzeitung.de
Date: April 21, 2023 at 10:51AM
Feedly Board(s): Religion