DRESDEN. In Sachsen fehlen mindestens 1.400 Vollzeit-Lehrkräfte, um den Unterricht abzudecken. Der Kultusminister schlägt nun ein Maßnahmenpaket vor, das den Ausfall halbieren soll. Unter anderem sollen ältere Pädagogen mehr unterrichten. Die Lehrkräfteverbände laufen Sturm.

Der Unterrichtsausfall an sächsischen Schulen soll mit einem Bündel an Maßnahmen halbiert werden. Das kündigte Kultusminister Conrad Clemens (CDU) an. Gerade auf dem Lande sei der Unterricht mitunter nur zu 70 oder 80 Prozent abgedeckt. «So wie es jetzt ist, darf es nicht weitergehen. Trotz aller Bemühungen der vergangenen Jahre fällt noch immer zu viel Unterricht aus.»
In Sachsen fehlen mindestens 1.400 Lehrer mit Vollzeit-Jobs
Laut Kultusministeriums fehlen in Sachsen derzeit mindestens 1.400 Vollzeit-Lehrer. Im ersten Schulhalbjahr 2024/2025 habe der Anteil ausgefallener Unterrichtsstunden am gesamten Stundensoll bei 9,4 Prozent gelegen. Je nach Schulform und Region gebe es aber deutlich mehr Ausfall. Clemens zufolge sollen die Maßnahmen dazu beitragen, die Oberschulen zu stärken, Lehrer zu entlasten und Bürokratie abzubauen.
Sachsen habe schon in der Vergangenheit Schritte gegen den Ausfall von Unterricht unternommen, betonte Clemens und verwies auf die Verbeamtung von Lehrern, die bessere Einstufung von Grundschullehrern, den Einsatz von Assistenzkräften und mehr Studienplätze für das Lehramt. «Aber man muss heute sagen, es reicht immer noch nicht, den Unterricht in unseren Schulen abzudecken.»
Regelungen zur Altersermäßigung sollen erst später gelten
Um das Arbeitsvermögen der Lehrer effizienter einzusetzen, sollen bisherige Regelungen wie die sogenannte Altersermäßigung geändert werden. Bislang wurde Lehrkräften ab dem 58. Lebensjahr eine Wochenstunde erlassen, ab 60 zwei und ab 61 drei Wochenstunden. Künftig soll diese Regelung erst ab 63 Jahren beginnen. Aktuell würden bereits 92 Prozent der Lehrkräfte mit 63 Jahren in Rente gehen, hieß es.
Bereits im Lehramtsstudium sollen die künftigen Lehrkräfte mehr im Schulalltag mitwirken können. Abordnungen von Lehrkräften an das Ministerium und das Landesamt für Schule und Bildung werden auf deren pädagogische Notwendigkeit überprüft. Allein im Landesamt sind rund 200 Lehrer beschäftigt.
Künftig weniger Klausuren und Klassenarbeiten geplant
Weitere Punkte der insgesamt 21 Maßnahmen betreffen den Unterricht. So sind mehr Unterricht in digitalen Formaten und mehr fächerübergreifender Unterricht vorgesehen. Klausuren und Klassenarbeiten sollen reduziert werden, um den Korrekturaufwand zu verringern. Auch bei den Prüfungen gerade in der Oberschule plant man Erleichterungen. Der Unterricht in den Klassen für Kinder aus Migrantenfamilien soll gestrafft werden.
Clemens: «Wir haben in Sachsen im Vergleich zu anderen Bundesländern eine sehr besondere Situation. Wir haben an den Kitas zu wenig Kinder und an den Schulen zu wenig Lehrer.» Wenn nicht gegengesteuert werde, werde immer mehr Unterricht ausfallen. Nach weiteren Beratungen sollen die Maßnahmen Ende Mai beschlossen und dann im neuen Schuljahr wirksam werden.
Gewerkschaften kritisieren Maßnahmenpaket
Das Echo auf die Pläne fiel unterschiedlich aus. Der Philologenverband Sachsen reagiert enttäuscht: «Die angekündigten Maßnahmen sollen das System Schule entlasten. Stattdessen werden sie aber unsere Kolleginnen und Kollegen weiter belasten und vor allem demotivieren», erklärt Verbandschef Thomas Langer.
Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und der Sächsische Lehrerverband (SLV) zeigen sich empört. GEW-Chef Burkhard Naumann spricht von einem «schweren Angriff» auf die Lehrkräfte. «An vielen Stellen trifft es ausgerechnet die älteren Kolleginnen und Kollegen, die seit vielen Jahren die politischen Fehler des CDU-geführten Kultusministeriums ausbaden müssen. Über 15 Jahre wurden kaum Lehrkräfte eingestellt und die Politik manövrierte sehenden Auges in den Lehrkräftemangel.»
Neben den Einschnitten bei der Qualitätssicherung – die Anzahl der Anrechnungsstunden von Fachberaterinnen und Fachberatern wird auf maximal vier statt bisher sechs Wochenunterrichtsstunden reduziert – und den Verschlechterungen für den Unterricht in der Sekundarstufe II – es werden nur noch pauschale Anrechnungsstunden für Unterricht in der gymnasialen Oberstufe zugewiesen – kritisiert die GEW vor allem die «De-facto-Abschaffung“ der Altersermäßigung für viele Lehrkräfte.
Naumann: «Neun von zehn Lehrkräften gehen vorzeitig in den Ruhestand und nehmen Einbußen bei der Rente in Kauf. Sie sind nicht mehr bereit, die volle Belastung des Berufs auf Kosten ihrer Gesundheit zu ertragen. Das Versprechen an diese Altersgruppe und auch an die jüngeren Lehrkräfte wird nun gebrochen.» Die Altersermäßigung in den meisten Bundesländern beginne mit dem 58. Lebensjahr, in einigen sogar mit dem 55. Lebensjahr. Mit der Verschiebung auf 63, bei dann nur einer Stunde Ermäßigung, wäre Sachsen laut Gewerkschaft bundesweit Schlusslicht.
Naumann prophezeit: «Der Schuss geht nach hinten los, wenn die Attraktivität des Berufs und die Qualität des Unterrichts weiter sinken. Dann werden sich noch weniger Menschen für diesen Beruf entscheiden und ältere Lehrkräfte noch schneller in den Ruhestand gehen.»
Der SLV stößt ins gleiche Horn. «Erneut werden die Stellschrauben angezogen, ohne die eigentlichen Probleme zu lösen. Jahrzehntelange Versäumnisse und das kurzfristige Denken in Legislaturperioden führen jetzt wieder zu drastischen Einschnitten für das schulische Personal», betont Landesvorsitzender Michael Jung. Statt zukunftsfähige Konzepte zu entwickeln, würden die Lasten einmal mehr auf dem Rücken der Lehrkräfte abgeladen.
Besonders empört zeigt sich der SLV über die geplante Neuregelung der Altersermäßigungen und die Kürzung der Anrechnungsstunden. «Die Generation, die das Schulsystem in Sachsen trotz aller politischen Fehlentscheidungen aufrechterhalten hat, wird erneut benachteiligt. Lehrkräfte, die bereits unter Zwangsteilzeit und Gehaltsverlusten litten und nie die Chance auf Verbeamtung hatten, sollen nun im Alter auf die Möglichkeit einer Teilzeitbeschäftigung verzichten – das ist nicht hinnehmbar», meint Jung.
Auch die angekündigten Änderungen in der Lehrerausbildung stoßen auf Unverständnis. Jung: «Statt den Nachwuchs zu stärken und bestmöglich auf den Beruf vorzubereiten, wird hier auf Kosten der Qualität gespart. Das sogenannte ‚Optimieren‘ der Referendarausbildung dient einzig der kurzfristigen Stundengewinnung und gefährdet die Zukunft unseres Bildungssystems.»
Aus Sicht der Linken im Landtag schlägt das Kultusministerium viele richtige Schritte vor. Bei anderen gebe es aber Diskussionsbedarf, erklärt die Abgeordnete Luise Neuhaus-Wartenberg. Es sei unverständlich, dass die Staatsregierung die Integration von Kindern mit Migrationsgeschichte erschweren wolle. Die Grünen sehen Licht und Schatten. «Die Lehrkräfte sollen weiterhin die verfehlte Bildungspolitik der CDU ausbaden. Die Devise sollte aber sein: Mehr Unterstützung statt mehr Druck», betont Bildungspolitikerin Christin Melcher. Die SPD-Fraktion kündigte eine Prüfung der Vorschläge an.
Sachsen wird von einer schwarz-roten Regierung ohne parlamentarische Mehrheit regiert. Um die Maßnahmen umzusetzen, müssen Oppositionsabgeordnete zustimmen. News4teachers / mit Material der dpa
Lehrermangel: Kultusminister legen neue Prognose vor – „eine sehr herausfordernde Situation“ (aber…)
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Date: March 11, 2025 at 05:02PM
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