Medien-Studie: Jugendliche sind beim Datenschutz nachlässig – TikTok auf dem Vormarsch

Medien-Studie: Jugendliche sind beim Datenschutz nachlässig – TikTok auf dem Vormarsch

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Lächelnde Frau mit Kopfhörern, die Musik auf dem Handy hört

ZÜRICH. Weniger aber dafür tiefere Freundschaften, soziale Medien, „Free-to-play-Games“ und eine überfordernde Komplexität beim Datenschutz. Eine Schweizer Studie gibt Einblicke in das Medien- und Freizeitverhalten von Jugendlichen. Jugendschützer fordert mehr Engagement von Eltern beim Schutz vor sexueller Belästigung im Internet und Cybermobbing.

Bei den breit genutzten sozialen Netzwerken setzen Mädchen die Trends. Männliche Jugendliche gamen dafür häufiger. Besonders beliebt sind Gratis-Games. Jugendliche pflegen zudem weniger, jedoch qualitativ hochwertigere Freundschaften als vor zehn Jahren. Dies sind Kernergebnisse der aktuellen Erhebungsrunde 2022, der JAMES-Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) und Swisscom. Problematisch sei, dass die Jugendlichen beim Datenschutz nachlässiger würden und sexuelle Belästigungen weiter zugenommen haben. Für die Studie «Jugend, Aktivitäten, Medien – Erhebung Schweiz» (JAMES) befragen seit 2010 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler alle zwei Jahre über 1000 Jugendliche im Alter von 12 bis 19 Jahren in den drei großen Sprachregionen der Schweiz zu ihrem Medien- und Freizeitverhalten.

Lächelnde Frau mit Kopfhörern, die Musik auf dem Handy hört
Vielen Jugendlichen bereiten die Datenschutzeinstellungen Probleme. Foto: Shutterstock

Mädchen stiegen früher auf neuen Netzwerken ein als Jungen und würden damit zu Trendsetterinnen. So nutzen sie aktuell beispielsweise TikTok und Pinterest deutlich stärker, 2014 war dies auch schon bei Instagram der Fall. «Wenn sich dieser Trend fortsetzt, können wir die weibliche Nutzung von sozialen Netzwerken in Zukunft als Indikator für alle Jugendlichen heranziehen», prognostiziert Co-Studienleiter Gregor Waller von der ZHAW.

TikTok weiter auf dem Vormarsch

Soziale Netzwerke zählen weiterhin zu den wichtigsten medialen Elementen des Alltags von schweizer Jugendlichen. Fast alle nutzen WhatsApp zur Kommunikation (97 Prozent der Nutzerinnen und Nutzer mindestens mehrmals pro Woche). Zudem werden Instagram (81 Prozent) und Snapchat (76 Prozent) weiterhin am häufigsten genutzt und sind über die Jahre stabil geblieben. Eine rasante Zunahme zeigt sich bei TikTok: 67 Prozent der Jugendlichen nutzen die Plattform regelmäßig (2018: 8 Prozent), wobei Mädchen die App häufiger nutzen als Jungen. Dafür sind die Jugendlichen praktisch von Facebook verschwunden: nur noch 5 Prozent nutzen das Netzwerk täglich oder mehrmals pro Woche (2014: 79 Prozent).

Die Tätigkeiten in sozialen Netzwerken sind konstant geblieben. Am häufigsten werden regelmäßig Beiträge anderer angeschaut (56 Prozent) und gelikt (55 Prozent) oder es werden per Chat persönliche Nachrichten geschrieben (57 Prozent). Deutlich seltener posten die Jugendlichen eigene Beiträge, und wenn dann eher zeitlich limitierte Storys oder Snaps.

Gratis-Games sind beliebt

Videogames sind weiterhin beliebt: 79 Prozent spielen zumindest ab und zu, wobei Jungen deutlich häufiger gamen (93 Prozent) als Mädchen (65 Prozent). Im Vergleich zu den Vorjahren hat die Anzahl der gamenden Mädchen jedoch zugenommen. Zudem vergnügen sich die jüngeren mehr damit als die älteren Jugendlichen. Am häufigsten werden Gratis-Games gespielt (60 Prozent). Kostenpflichtige Videospiele nutzen hingegen nur 35 Prozent.

Für Lilian Suter, Mitautorin der Studie, ist dies problematisch: «Free-to-play-Games sind oft nicht wirklich kostenlos, denn entweder werden die Gamerinnen und Gamer mit Werbung eingedeckt oder sie bezahlen mit ihren Daten». Oft seien In-Game-Käufe sogar unerlässlich für den weiteren Spiel-Fortschritt. Die Anzahl Jugendlicher, die regelmäßig In-Game-Käufe tätigen, hat sich denn auch in zwei Jahren von 3 Prozent auf aktuell 8 Prozent mehr als verdoppelt. 23 Prozent der jugendlichen Gamerinnen und Gamer geben an, Altersempfehlungen regelmäßig zu ignorieren.

Vielfältigere Freizeitbeschäftigungen

Ein großer Teil der Jugendlichen trifft sich in der Freizeit regelmäßig mit Freundinnen und Freunden (70 Prozent). Im Vergleich zu den Vorjahren zeigt sich jedoch, dass die Anzahl der Freundschaften abgenommen hat. Trafen sich die befragten Jugendlichen 2012 mit sieben Freundinnen und Freunden regelmäßig, sind es 2022 noch fünf. Für Gregor Waller setzt sich damit der Trend des ‚Social Cocooning‘ weiter fort. «Die Jugendlichen treffen weniger Freundinnen und Freunde als noch vor ein paar Jahren. Wenn die Heranwachsenden im Sinne von ‚Beziehungsminimalismus‘ vorgehen, also Qualität vor Quantität stellen, sind die Freundschaften aber insgesamt hochwertiger».

Generell werden die Freizeitaktivitäten der Jugendlichen von Jahr zu Jahr vielfältiger und individueller. Die Bandbreite der beliebtesten Freizeitbeschäftigungen ist sehr groß und reicht von Fernsehen oder Filme schauen, über Sport treiben, Musik hören und gamen bis zu handwerklichen und kreativen Tätigkeiten wie Zeichnen oder Malen oder draußen und in der Natur sein.

Handlungsbedarf beim Jugendmedienschutz

Sexuelle Belästigung im Internet und auch Cybermobbing haben weiter zugenommen: Fast die Hälfte der Jugendlichen wurde bereits mindestens einmal online sexuell belästigt. 2014 waren es noch 19 Prozent. Auch Beleidigungen im Internet haben über die Jahre um fast zehn Prozentpunkte zugenommen. Mädchen sind von sexuellen Belästigungen deutlich häufiger betroffen als Jungen (60 Prozent Mädchen versus 33 Prozent der Jungen). Knapp die Hälfte der Mädchen wurde schon einmal von einer fremden Person aufgefordert, erotische Fotos von sich selbst zu verschicken.

Die Forscherinnen und Forscher sehen dringenden Handlungsbedarf. «Sexuelle Belästigung und Cybermobbing bei Jugendlichen sind Grenzüberschreitungen, die in einer sensiblen Phase der persönlichen und sexuellen Entwicklung passieren», sagt Co-Studienleiter Daniel Süss. Es brauche deshalb weiterhin ein breites und vertieftes Angebot an medienpädagogischen Maßnahmen und Angeboten zur Stärkung der digitalen Selbstverteidigung. Auch Michael In Albon, Jugendmedienschutz-Beauftragter bei Swisscom, findet klare Worte: «Solches Verhalten darf nicht toleriert werden.“ Auch Eltern müssten sich verstärkt mit dem Problem auseinandersetzen und ihre Fürsorgepflicht wahrnehmen. „Genauso wie sie ihre Kinder im Straßenverkehr begleiten, müssen sie es auch im Internet tun.», so In Albon.

Datenschutz und Privatsphäre werden komplexer

Beim Schutz der Privatsphäre im Netz werden Jugendliche nachlässiger: Gaben vor 10 Jahren noch 84 Prozent an entsprechende Einstellungen in sozialen Netzwerken aktiviert zu haben, sind es aktuell nur noch 60 Prozent. Sorgen darüber, dass andere online persönliche Informationen sehen könnten, haben weiter abgenommen (2012: 38 Prozent; 2022: 28 Prozent). Gleichzeitig verhält sich die Mehrheit der Jugendlichen auf sozialen Netzwerken aber eher zurückhaltend und gibt öffentlich wenig von sich preis. «Das Thema Datenschutz und Privatsphäre im Netz hat sich verändert und wird zunehmend komplexer», sagt Lilian Suter. Während zu Anfangszeiten der sozialen Netzwerke darauf fokussiert wurde, welche Informationen oder Fotos man nicht öffentlich teilen sollte, werde das Thema heutzutage von Aspekten wie Cookies, Algorithmen oder Ende-zu-Ende-Verschlüsselung dominiert und stelle Jugendliche vor zusätzliche Herausforderungen. (pm, zab)

News4teachers Bildungs-Podcast: Faszination TikTok – Was Lehrkräfte über die beliebte Social Media-Plattform wissen sollten

Schule

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December 5, 2022 at 11:47AM