Menschen auf Leistung reduziert / Kirche kritisiert Arbeits- und Menschenbild im Koalitionsvertrag

Der Landeskirche Baden wendet sich gegen ein aus ihrer Sicht falsches Bild von Arbeit, wonach nur messbare Produktivität zählt. Es sei gefährlich, Menschen nur auf ihre Leistungsfähigkeit für die Gesamtökonomie zu reduzieren, kritisierte der Leiter des "Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt", Jochen Kunath, am Montag bei einem Pressegespräch in Karlsruhe. "Was ist mit Pflegekräften, Kinderbetreuerinnen, Müllarbeitern? Ihre Produktivität dürfte für die Gesamtwirtschaftsentwicklung irrelevant sein, ohne sie würde unsere Gesellschaft aber zusammenbrechen."

Der Pfarrer und Theologe beschrieb Arbeit als existenziell wichtig für Sinnstiftung und Selbstverwirklichung. "Wer arbeitet, erlebt sich als Mitgestalter seiner Umwelt. Arbeit ist ein Spiegel des eigenen Ichs. Umso gefährlicher ist es, wenn die Politik den Wert von Arbeit zunehmend nur noch anhand ihrer vermeintlichen Produktivität bewertet. Dahinter steht ein falsches Bild vom Menschen", sagte Kunath.

Warnung vor gefährlichem Denken

Er kritisierte auch die Abschnitte zur Arbeitspolitik im Koalitionsvertrag der künftigen Bundesregierung. "Unterschwellig wird dort die Botschaft transportiert, wer nicht arbeitet, ist selbst schuld und muss zur Arbeit gezwungen werden." Dahinter stehe letztlich ein gefährliches Schwarz-Weiß-Denken, betonte Kunath. "Weiter gedacht heißt das doch: Den produktiven Fleißigen stehen die nutzlosen Faulen gegenüber. Die einzelne Lebenssituation gerät aus dem Blick. Das ist eine gefährliche Schieflage."

Pfarrer Maximilian Hesslein, der Arbeitnehmer bei Problemen im Beruf berät und begleitet, kritisierte die Debatte um die Zukunft der Grundsicherung. Die Ankündigung der neuen Bundesregierung, auf Arbeitslose mehr Druck auszuüben und unterstützende Leistungen zu kürzen, gehe in eine völlig falsche Richtung, sagte Hesslein: "Ich habe noch nie einen Menschen erlebt, der gesagt hat, er will nicht arbeiten. Deshalb müssen wir vor allem die passenden Rahmenbedingungen schaffen, die es für gute Arbeit braucht."

Hesslein berichtete von einem stark wachsenden Druck in vielen Branchen. "Bei unseren Beratungstelefonen spüren wir: Mobbing nimmt zu, mit dramatischen Folgen für die Betroffenen, die häufig in totale Isolation geraten." Hesslein kritisierte, dass auch der Druck auf ältere Berufstätige zunehme. "Viele Betriebe versuchen offenbar, ältere, vergleichsweise besser bezahlte Beschäftigte loszuwerden."


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Source: DOMRADIO.DE – Der gute Draht nach oben
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Date: April 29, 2025 at 06:23PM
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