Methoden zum Reflektieren des Lernens

Methoden zum Reflektieren des Lernens

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Reflektieren des Lernens heisst Nachdenken über das eigene Tun und Empfinden, über Erfolgsfaktoren, Sackgassen, Fehlannahmen, über Vorgehensweisen, Strategien, Arbeitsbedingungen, Wohlbefinden und Zusammenarbeit – und über den Einfluss all dessen auf das eigene Lernen. Reflektieren gehört zum Kompetenzerwerb wesentlich dazu. So wird im Lehrplan LeRUKa als eine Anforderung für kompetenzorientierte Aufgabenstellungen genannt: «sie ermöglichen das Nachdenken und die Reflexion über die Welt und über das Lernen».

Innerhalb der BEIZ hat Reflexion unterschiedliche Funktionen. In der Phase Z dient sie zum Rückblick auf den ganzen Lernprozess und zum Registrieren und Benennen des Lernerfolges resp. der Kompetenzerweiterung. Auf diese Weise merken die Kinder und Jugendlichen, dass sich das Lernen «lohnt», also, dass sie durch die aufgewendete Lernzeit und Lernanstrengung kompetenter werden. In den anderen Phasen der BEIZ helfen Reflexionsfenster, sich über den Arbeits- oder Lernstand zu verständigen, zu überprüfen, ob der eingeschlagene Weg der richtige ist und für die weiteren Lernschritte die richtigen Weichen zu stellen (z. B. Organisieren von Material oder Hilfestellungen, Justieren des Zeitmanagements, Repetieren von noch nicht Verstandenem, Zusammentragen von Zwischenergebnissen, …).

Fokus für die Lernenden

individuell

Bei der individuellen Reflexion üben die Lernenden, sich selbst wahrzunehmen und das eigene Tun einzuschätzen. Mit der Zeit sind sie im Stande, die für sie selbst optimalen Lernbedingungen zu benennen und sich entsprechend einzurichten. Dazu helfen Fragen wie: Wann arbeite ich besser allein, wann mit anderen zusammen? In welcher Umgebung kann ich gut nachdenken? Welche Strategien kann ich anwenden, wenn ich mir etwas nicht zutraue? Wo stehe ich im Lernprozess, welche nächsten Schritte stehen an?

gemeinsam

Bei der gemeinsamen Reflexion im Gruppenverband kommen einige weitere Herausforderungen hinzu. Solche Reflexionsgespräche dienen dazu,

  • die Selbst- und Fremdeinschätzung miteinander zu vergleichen,
  • wahrzunehmen, dass eine Situation von unterschiedlichen Personen unterschiedlich erlebt wird,
  • die Einschätzung anderer zu verstehen,
  • die eigene Einschätzung zu verbalisieren, also sprachlich auszudrücken
  • und so miteinander über das Lernen zu lernen.

Fokus für die Lehrperson

Wie alles andere will auch Reflektieren gelernt und geübt sein. Das Nachdenken über das eigene Lernen ist eine anspruchsvolle Tätigkeit. Neben der eigentlichen Reflexionskompetenz braucht es für den Austausch darüber auch eine hohe Sprachkompetenz. Aus diesem Grund sollte in den ersten Jahrgängen des Zyklus 1 immer spielerisch und mit Symbolen gearbeitet werden. Ausserdem ist für sie die Reflexion jeweils auf einen ausgewählten Aspekt einzuschränken.

Besonders anspruchsvoll sind Reflexionsgespräche in der Gruppe. Wenn sie gelingen, können sie aber auch besonders wertvoll sein für das gemeinsame Lernen. Es liegt an der Lehrperson, die Lernenden hierbei anzuleiten und zu unterstützen.

Dafür ist von besonderer Bedeutung:

  1. Die Grundhaltung des Reflektierens ist eine positive Neugier. Die vergangene Arbeitsphase wird selbst zum Lerngegenstand. Dabei geht es nicht darum Fehler aufzuspüren, sondern Schätze zu heben. Was kannst du selbst und was können wir als Gruppe aus dieser Erfahrung lernen? Welchen Schatz / welche Erkenntnis nehmen wir mit in die weitere Arbeit?
  2. Reflektieren geschieht nicht um seiner selbst Willen, sondern um daraus etwas zu erfahren, also etwas zu lernen. Reflexionsfragen sind darum so zu stellen, dass die erwarteten Antworten den gewünschten Erkenntnisgewinn überhaupt liefern können. Reflektiert werden können inhaltliche, lerntechnische, methodische, emotionale oder soziale Aspekte.
  3. Ein «intensiver Eindruck erleichtert und fordert intensiven Ausdruck.»(Köhler & Weiß, S. 13.) Je intensiver die Arbeitsphase, je involvierter die einzelnen Lernenden, desto einfacher fällt die Reflexion und desto mehr gibt es darüber zu sagen.
  4. Die Lehrperson kann das Reflektieren nur dann angemessen begleiten, wenn sie selbst kompetent ist. Sie muss sich inhaltlich im Stoffgebiet auskennen und den gesamten Lernprozess überblicken. Je besser sie die einzelnen Kinder oder Jugendlichen kennt, desto besser kann sie sie bei der Reflexion unterstützen.
  5. Wie immer hilft eine klare Anleitung auch in der Reflexionssituation: Was wird reflektiert? Was wollen wir daraus lernen? Welche Methode wird angewendet? Wie viel Zeit steht zur Verfügung?
  6. Ein Reflexions-Wortschatz hilft Kindern beim Formulieren ihrer Gedanken. Mögliche Begriffe wären z. B.: abgelenkt, ängstlich, anstrengend, gestresst, kompliziert, konzentriert, langweilig, lustig, mutig, neugierig, spannend, stolz, überfordert, überrascht, verzweifelt, wütend, zufrieden.
  7. Hilfestellungen im Gespräch: Kannst du das in eigenen Worten sagen / wiederholen? (So zum Beispiel, wenn ein Kind einfach sagt «Ich finde das gleiche.») Hast du dafür ein Beispiel? Wann ist es dir auch schon so ähnlich gegangen? Wie hast du dich dabei gefühlt? Warum ist das so?

Reflexionsmethoden

Wenn ein längerer Lernschritt oder -prozess reflektiert wird – etwa in der Phase Z –, soll dieser vor dem eigentlichen Reflektieren noch einmal vergegenwärtigt werden. Dies kann geschehen, indem die entsprechenden Unterlagen noch einmal angeschaut werden, die Kinder / Jugendlichen gemeinsam die durchlaufenen Schritte benennen oder die Lehrperson die Lernenden in einer Art Phantasiereise noch einmal durch den Ablauf hindurch führt.

Individuelle Methoden

Einschätzung

  • Die eigene Stimmungslage mit einem passenden Smiley- oder Wetterbild kennzeichnen.
  • Auf einer Skala den passenden Wert ankreuzen: Wie schwierig war die Aufgabe? 1) einfach, 2) mittel, 3) schwierig. Möglich sind auch Einschätzungen zwischen 1-10, die Skala kann z. B. als Thermometer gestaltet werden, als Batterieladestand oder mit einer Schnur auf dem Boden.
  • Als Skala kann auch eine „Zielscheibe“ dienen. Hier können verschiedene Reflexionsfragen eingetragen werden, je näher an der Mitte desto positiver ist die Einschätzung, der Mittelpunkt bezeichnet also den Wert „genau richtig“. Mögliche Reflexionspunkte: So gut konnte ich mich konzentrieren. So gut konnte ich zusammenarbeiten. So spannend war das Thema. So viel Freude hat mir die Arbeit gemacht.
  • Das „Spinnennetz“ ist eine Variante der Zielscheibe. Hier werden die verschiedenen Punkte miteinander verbunden und ergeben so ein charakteristisches Feld.

Schriftlich

  • Vielleicht haben die Lernenden ein „Spurenheft“, in welchem sie jeweils ihre Lernspuren eintragen.
  • Satzanfänge fertigschreiben. Z. B.:
    • Ich fand am schwierigsten, …
    • Mir hat besonders gefallen … , weil …
    • Mein Tipp: …
    • So bin ich vorgegangen: …
    • Ich habe gelernt, dass …
    • Als nächstes werde ich …
    • Zuerst dachte ich … jetzt aber denke ich …
    • Das kann ich besser als früher: … weil …
    • Damit mir das Arbeiten leichter fällt, werde ich beim nächsten Mal …
  • Drei Wörter aus dem Reflexions-Wortschatz auswählen und dazu je einen wahren Satz aufschreiben.
  • Schriftliche Reflexion / Standortbestimmung auf einem Arbeitsblatt entlang der Lernphasen im Lernprozess BEIZ.

Kreativ

  • Auf einem Tuch oder einem A3-Blatt den eigenen Lernprozess legen, mit einer Schnur und / oder anderem Legematerial. Weitere Möglichkeiten: Dem so entstandenen Bild einen Titel geben. Einen Edelstein oder eine Spielfigur auswählen und diese(n) stellvertretend für sich selbst ins Bild hinein legen. Z. B. mit der Frage: Wo ist es gerade am schönsten? Oder: Wo hast du am meisten Kraft?
  • Anhand von Symbolgegenständen die wichtigsten Punkte im Lernprozess beschreiben. Diese Übung kann gut mit Skalierungen verbunden werden, indem die Gegenstände auf eine Skala gelegt werden.
  • Die eigene Stimmungslage resp. Stärken und Schwächen anhand von Tierfiguren ausdrücken.

Kollektive Methoden

Gespräch

Für Reflexionsgespräche in der Gruppe kann ein Sprechstab o. ä. hilfreich sein.

  • Anhand der Fünf-Finger-Methode benennen alle ihre Reflexionspunkte:
    • Daumen: Das lief gut!
    • Zeigefinger: Darauf habe ich besonders geachtet!
    • Mittelfinger: Dieses Problem musste ich überwinden!
    • Ringfinger: Das war besonders wertvoll!
    • Kleiner Finger: Mein kleiner Tipp für mich / für xy …
  • oder
    • Daumen: Das wusste ich schon vorher.
    • Zeigefinger: Das hat mich überrascht.
    • Mittelfinger: Das hätte mich auch noch interressiert.
    • Ringfinger: Darüber möchte ich noch weiter nachdenken.
    • Kleiner Finger: Das war am einfachsten.
    • Ganze Hand: So war die Zusammenarbeit
  • Satzanfänge (s. oben) liegen in der Kreismitte und dienen als Anregung, für die Aussagen im Gespräch.
  • Blitzlicht: Der Reihe nach nennen alle einen Aspekt: z. B. einen „Edelsteinmoment“, einen Tipp für die nächste Lektion, einen Wunsch, eine offene Frage, …
  • In der Kreismitte stehen ein Koffer, ein Abfalleimer und eine Vorratsdose. Alle bekommen drei Zettel und schreiben je ein Stichwort darauf für a) etwas, das sie zur Weiterverwendung in den Koffer packen, b) etwas, das sie dem Abfalleimer übergeben und c) etwas, das sie sich zum späteren Gebrauch in die Vorratsdose legen. Die Zettel werden dann in den entsprechenden Behälter gelegt, evtl. mündlich kommentiert. Tipp: Zu Beginn oder am Ende der nächsten Lektion die Inhalte von Koffer und Vorratsdose sichten und aus jetziger Sicht kommentieren.
  • Philosophieren für Zyklus 2: Alle sitzen im Kreis und blicken anhand von 3 Fragen auf das Thema zurück, z. B.: Was ist das allerwichtigste an diesem Thema? Wozu hast du das gelernt? Was würde fehlen, wenn du in deinem ganzen Leben nie etwas von diesem Thema gelernt hättest? Ein Kind nach dem anderen gibt eine Antwort auf die Frage und legt danach einen Stein oder ein anderes Legematerial auf ein Tuch in der Mitte. In der ersten Runde geht es im Uhrzeigersinn, in der zweiten Runde im Gegenuhrzeigersinn und in der dritten Runde rufen die Kinder einander durch Blickkontakt auf. Am Schluss liegt auf dem Tuch ein Bild aus lauter Steinen. Die letzte Frage lautet: Wer sieht etwas auf diesem Bild, das zu unserem Thema passt?
  • Bei Reflexionsgesprächen im Zyklus 1 kann eine Handpuppe verwendet werden, da Kinder der Puppe manchmal bereitwilliger / einfacher erzählen als einer erwachsenen Person. Bei einem emotional herausfordernden Thema kann jedes Kind von daheim ein Plüschtier mitbringen und diesem erzählen, was es gelernt hat oder wie es ihm geht.

Stimmungsbilder

  • Die Kinder / Jugendlichen zeigen ihre Zustimmung zu einer Reflexionsfrage durch das Hochhalten eines Daumens. Daumen nach oben = ja, Daumen zur Seite = naja / vielleicht, Daumen nach unten = nein.
  • Ähnliches kann auch mit mehr Bewegung erreicht werden: Alle, die … wechseln den Platz
    • … die Aufgabe gern gelöst haben …
    • … nächstes Mal daran weiterarbeiten möchten …
    • … etwas Neues gelernt haben …
    • … die Aufgabe schwierig fanden …
  • Die Kinder / Jugendlichen stellen sich entsprechend ihrer Einschätzung im Raum auf. Dafür kann am Boden mit Schnur oder mit Klebeband eine Skala / eine Zielscheibe / ein Fadenkreuz markiert werden. Beim Fadenkreuz werden zwei Aspekte miteinander kombiniert, z. B. könnte die X-Achse heissen „So gerne habe ich die Aufgabe gelöst“ und die Y-Achse „So anspruchsvoll war die Aufgabe“. Da hier zwei Aspekte gleichzeitig bedacht werden sollen eignet sich die Methode für ältere Kinder ab Zyklus 2. Am Anfang von Zyklus 1 kann eine einfache Skalierung mit zwei Polen verwendet werden: Am einen Ende einer Schnur ist ein Bild mit einem sehr müden Gesicht, am anderen Ende eines, das vor Energie sprüht. Die Kinder stellen sich gemäss ihrer eigenen aktuellen Energie näher zum einen oder zum anderen Bild.

Tipp: Ein zusätzliches Gesprächsmoment kann auf zwei Arten hinzugenommen werden: a) wer jeweils nah beisammen steht, tauscht sich kurz aus, b) die Lehrperson befragt einige Kinder / Jugendliche, warum sie gerade dort stehen, wo sie sind.

Tipp: Wenn der Platz für solche Aufstellungen nicht reicht oder wenn die Stellungnahmen anonym bleiben sollen, dann können stellvertretend Gegenstände auf ein Plakat gelegt werden.

  • Ein kreatives Klassen- oder Gruppen-Stimmungsbild lässt sich mit einer Landkarte erstellen. Zuerst werden verschiedene Situationen und Emotionen gesammelt, die in Lernprozessen typischerweise vorkommen. Diese werden in einer Landkarte dargestellt oder als Stichworte auf eine bestehende Landkarte hinzugefügt. (Eine Bildsuche im Internet nach „Landkarte des Lernens“ kann dazu einige Ideen liefern). Auf dieser Landkarte positionieren sich die einzelnen Lernenden oder Lerngruppen mit einer Figur und berichten, weshalb sie gerade hier stehen und welche Ausrüstung sie für die weitere Wanderschaft benötigen. Bei viel Platz und Zeit kann die Landschaft auch gelegt werden oder auf dem Pausenplatz gezeichnet. Dann können sich die Lernenden direkt selbst in der Landkarte bewegen. Diese Methode eignet sich für die Reflexion komplexer und langer Lernprozesse, z. B. als Aufgabe in der Lernphase Z.

Feedback als Hilfe zur Reflexion

Noch anspruchsvoller sind Reflexionsformen, bei denen sich die Lernenden gegenseitig Feedback geben. Solche Formen sind gleichzeitig eine sehr gute Übung für die Schulung von Selbst- und Sozialkompetenz. Tipps zu Feedbackmethoden finden sich im entsprechenden Beitrag dieser Reihe.

 

Literatur

Weber, Karolin. (2022), Denkbilder. Mit Kindern das Lernen reflektieren (3 ed.). Bern: Schulverlag.

Köhler, Katja, & Weiß, Lorenz. (2017), Mit Kindern kompetenzorientiert über Lernen sprechen. Reflexionsmethoden für die Grundschule. Weinheim, Basel.

Zum Wahrnehmen und Reflektieren von Gefühlen eignet sich „Voll Gfühl“ von Margrit Egger: http://margritegger.ch/voll-gefuehl/, auf reli.ch beschreibt Margrit Egger die Verbindung zur Kompetenz 1A-2: „Eigene Bedürfnisse wahrnehmen, verstehen und ausdrücken» https://www.reli.ch/den-gefuehlen-auf-der-spur/

Religion

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June 14, 2022 at 07:01AM