MINT-Fächer bei Schülern unbeliebt – Sinus-Studie zeigt: Die Motivation steht und fällt mit der Lehrkraft

BONN. Naturwissenschaftliche Fächer kommen bei Schüler*innen in Deutschland eher nicht so gut an, besonders schlecht schneidet das Fach Mathe ab. Das geht aus der aktuellen Sinus-Studie der Telekom-Stiftung hervor. Dabei haben die eigenen Leistungen in dem Fach anscheinend nur wenig Einfluss auf die Beurteilung. Ausschlaggebend ist – mal wieder – die Lehrkraft.

Bei einem Fünftel der Schüler*innen eher unbeliebt: der Mathematik-Unterricht. Symbolfoto: Shutterstock/Robert Kneschke

Ob Schüler*innen ein Fach mögen oder sich vorstellen können, in einem fächerbezogenen Bereich zu arbeiten, hängt nicht davon ab, wie gut sie in diesem Fach abschneiden. Darauf verweist die Sinus-Studie, zu der eine Umfrage unter knapp 900 Zehn- bis 16-Jährigen gehört. Demnach schätzen beispielsweise 78 Prozent ihre Fähigkeiten in Mathematik als „sehr gut“ oder „gut“ ein, doch nur 36 Prozent geben an, dass ihnen das Fach gefällt. Noch weniger, nämlich gerade mal 29 Prozent können sich einen Beruf vorstellen, in dem Mathematik wichtig ist. Ähnlich unbeliebt sind Physik und Chemie. Lediglich 34 beziehungsweise 29 Prozent der befragten Kinder und Jugendlichen mögen diese Fächer, obwohl die meisten ihre Leistungen als „gut“ bis „sehr gut“ einschätzen (Physik: 71 Prozent, Chemie: 68 Prozent).

Das Fach Technik erfreut sich größerer Beliebtheit

Die Naturwissenschaften an sich sind allerdings nicht das Problem. Das Fach Technik kommt zum Beispiel besser an: 85 Prozent der Schüler*innen halten sich darin für „sehr gut“ oder „gut“, 54 Prozent haben Freude am Fach, und 49 Prozent ziehen einen Beruf mit technischem Schwerpunkt in Betracht. Und auch wenn Fächer themenübergreifend vermittelt werden wie im Sachunterricht, sind sie tendenziell beliebter. Jeweils 50 Prozent der Befragten geben an, diese Fächer zu mögen.

„Für uns ist die große Diskrepanz zwischen Können, Mögen und Machen eine der zentralen Erkenntnisse der Befragung“, macht Jacob Chammon, Geschäftsführer der Telekom-Stiftung, deutlich. „Dieses Thema müssen wir dringend anpacken, wenn es darum geht, mehr junge Menschen in der Schule für MINT zu begeistern. Es muss uns gelingen, mit ansprechendem, zielgruppenorientiertem Unterricht die Schwelle vom Können zum Mögen zu schaffen. Nur dann werden die jungen Menschen auch das Machen überhaupt in Betracht ziehen.“

Lehrkräfte beeinflussen zentral, wie Schüler ein Fach wahrnehmen

Eine wesentliche Rolle dabei nehmen Lehrerinnen und Lehrer ein. „Nichts entscheidet über die Motivation in einem Fach so sehr wie die Lehrkraft“, sagt Silke Borgstedt, Geschäftsführerin des SINUS-Instituts. „Die Lehrkräfte gestalten die Arbeitsatmosphäre in der Klasse. Besonders positiv bewerten Schülerinnen und Schüler ihre Lehrerinnen und Lehrer, wenn diese freundliche Autorität ausstrahlen, Humor zeigen und gut erklären können. Ein ganz zentraler Beurteilungsaspekt ist auch, dass Lehrkräfte offen für Fragen sind. Das ist der Schlüssel für den Aufbau von Vertrauen und erfolgreichen Wissenstransfer.“

Deutlich zeigt sich das auch in einigen Aussagen der 40 Schüler*innen, die das Sinus-Institut im Auftrag der Deutsche Telekom Stiftung für die Studie vertiefend und leitfadengestützt interviewt hat. „Meine erste Mathelehrerin war nicht so sympathisch, aber meine zweite Mathelehrerin war super, mit der kam ich total gut klar. Eine tolle Frau, die das supergut erklärt hat. Und bei der hat dann irgendwie das Interesse für Mathematik angefangen. Ich glaube, das ist sehr lehrerabhängig, ob man in der Schule Mathematik mag oder nicht“, zitiert der Studienbericht etwa eine 16-Jährige Gymnasiastin. Ein Gymnasialschüler gleichen Alters wünscht sich, dass sich die Lehrkräfte „noch mal zwei bis drei Minuten nehmen, für Schüler, die es vielleicht nicht sofort verstanden haben, was auch öfter der Fall ist“.

Schülerinnen und Schüler wünschen sich mehr Zeit

Mehr Zeit wünschen sich insgesamt viele der befragten Schüler*innen, um die als komplex empfundenen Inhalte in den MINT-Fächern verstehen zu können. Dazu gehört auch die Möglichkeit, nachfragen zu können. Fast die Hälfte der Befragten gibt allerdings an, dass Lehrkräfte zu wenig Zeit haben, um Fragen zu beantworten (49 Prozent). Hinzu kommt, dass sich viele im Schulalltag unter einem hohen Druck fühlen: zu wenig Zeit zum Verstehen, insbesondere in den MINT-Fächern und bei Mathematik im Speziellen, mangelnde Erholungsphasen zwischen den Unterrichtsstunden und ein schneller Wechsel zwischen den Fächern. Dabei empfinden 69 Prozent der Befragten längere Pausen zwischen verschiedenen Fächern als hilfreich, um die zuvor gelernten Inhalte zu verarbeiten.

Gerade in Mathematik sehen viele Kinder und Jugendliche ein Problem darin, dass die Inhalte aufeinander aufbauen und haben die Befürchtung, den Anschluss zu verlieren und auch in Fächern wie Chemie oder Physik nicht mehr mitzukommen. Zudem fehlt vielen Schüler*innen, vor allem denjenigen, die sich nur wenig für Mathematik begeistern können, der praktische Bezug zur Lebenswelt. Im Rahmen der Interviews kritisierten sie häufig, warum sie so viel unnötiges Wissen vermittelt bekommen. Diese Auffassung findet sich auch in den Befunden der Befragung: 54 Prozent der Schüler*innen fehlt im Matheunterricht der Bezug zum Alltag. 53 Prozent geben an, dass sie vieles von dem, was sie in Mathe lernen, im späteren Leben nicht brauchen werden. 39 Prozent sind überzeugt, dank Smartphones und Taschenrechner auch ohne Schulmathe im Alltag zurechtzukommen.

Forderung nach Freiräumen und Entlastung für Lehrkräfte

„Die Studienergebnisse zeigen deutlich, dass neue Wege des Lehrens, Lernens und Prüfens notwendig sind, wenn es darum geht, Kinder und Jugendliche für MINT-Inhalte zu begeistern“, lautet das Fazit zur Sinus-Studie der Telekom-Stiftung. Unterricht müsse entsprechend so weiterentwickelt werden, „dass Kinder und Jugendliche MINT in größeren Zusammenhängen entdecken und lernen können. Das heißt konkret: fächerübergreifendes und projektbasiertes Arbeiten sowie die Auseinandersetzung mit realen Herausforderungen, für die mit MINT-Wissen Lösungen zu entwickeln sind.“ Die Stiftung fordert daher, Freiräume für Lehrkräfte für gemeinsame Unterrichts- und Schulentwicklung und gemeinsames professionelles Lernen. Außerdem: Entlastung für Lehrer*innen von den Tätigkeiten abseits ihrer unterrichtlichen Kernaufgaben, damit sie sich intensiver und geduldiger dem Lernprozess ihrer Schüler*innen zuwenden können. News4teachers

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Date: November 26, 2024 at 12:33PM
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