„Miteinander statt gegenüber“ / Pastoraltheologe Hartmann fordert Umdenken im Arbeitsrecht

„Miteinander statt gegenüber“ / Pastoraltheologe Hartmann fordert Umdenken im Arbeitsrecht

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DOMRADIO.DE: Sie sind Pastoraltheologe und beschäftigen sich intensiv mit dem kirchlichen Arbeitsrecht. Inwiefern?

Prof. Dr. Richard Hartmann (Lehrstuhl für Pastoraltheologie und Homiletik der Theologischen Fakultät Fulda): In der Weise, dass natürlich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wissen wollen, wo sie dran sind, wenn sie in der Kirche arbeiten. Spätestens seit dem Hashtag #OutInChurch gibt es da sehr viel Veränderungswünsche und -bedarfe und dem versuchen auch die Bischöfe nachzukommen.

DOMRADIO.DE: Im kirchlichen Dienst gibt es keine Gewerkschaften, es gibt Mitarbeitervertretungen und gestreikt werden darf offiziell auch nicht. Welches Selbstbild einer kirchlichen Dienstgemeinschaft steckt denn dahinter?

Hartmann: Sie haben den Begriff „Dienstgemeinschaft“ schon genannt, der ja im Übrigen eine sehr schwierige Vorgeschichte hat, denn der stammt aus Verordnungen im Dritten Reich. Da war unter Dienstgemeinschaft noch etwas anderes verstanden worden. Dieser Begriff ist auch nirgendwo ordentlich gefüllt, auch nicht mit den neuen Vorlagen.

Gemeint ist damit vielleicht – und dann wäre er auch positiv zu verstehen –, dass es in der Kirche nicht das Gegenüber von Arbeitgeber und Arbeitnehmern geben dürfte, sondern dass wir alle gemeinsam unterwegs sind und damit eine gewisse Gleichheit besteht. Allerdings wird genau diese Gleichheit in vielen Punkten nur vorgespiegelt und stimmt in Wirklichkeit nicht ganz.

DOMRADIO.DE: Jetzt gibt es gerade im Erzbistum Köln einige kirchliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die in einem Loyalitätskonflikt zu ihrem Arbeitgeber stehen. Was darf der Arbeitgeber denn an Loyalität einfordern und wann ist öffentlich geäußerte Kritik erlaubt?

„Was gehört denn jetzt zu den Grundlinien der Kirche? Heißt das, Rom hat gesagt und die Sache ist erledigt oder der konkrete Bischof hat gesagt und die Sache ist erledigt? Oder sitzen wir nicht in einer Situation, wo wir miteinander aushandeln müssen und immer wieder neu versuchen, einander zu verstehen?“

Hartmann: Zunächst muss man ja festhalten: Das noch geltende Arbeitsrecht – elf Generalvikare haben es in ihren Diözesen ausgesetzt – verlangt vor allem, dass alles in Sachen Ehe, Familie und Sexualität so ist, wie es die strenge moraltheologische Lehre verlangt. Das ist in dem neuen Entwurf so viel wie gar nicht mehr drin, fast sogar ganz versteckt.

Aber man erwartet natürlich, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht öffentlich gegen die Grundlinien der Kirche angehen. Und genau darüber muss man streiten. Was gehört denn jetzt zu den Grundlinien der Kirche? Heißt das, Rom hat gesagt und die Sache ist erledigt oder der konkrete Bischof hat gesagt und die Sache ist erledigt? Oder sitzen wir nicht in einer Situation, wo wir miteinander aushandeln müssen und immer wieder neu versuchen, einander zu verstehen?

DOMRADIO.DE: Priester versprechen bei der Weihe ihrem Bischof und dessen Nachfolgern Ehrfurcht und Gehorsam. Heißt das, Widerworte sind nicht erlaubt?

„Man muss dann über den Begriff des Gehorsams noch einmal nachdenken.“

Hartmann: Das wird ja noch schärfer für die Professoren, die das vor ihrer Berufung noch einmal verstärkt schwören müssen. Man muss dann über den Begriff des Gehorsams noch einmal nachdenken. Mir ist da immer ein Wort von John Henry Kardinal Newman ganz wichtig. Der hat gesagt: Wenn ich einen Toast auf den Papst ausspreche, dann zuallererst auf die Freiheit, die von Gott her kommt.

Ähnliches verlangt ja auch Ignatius von Loyola von seinen Leuten, dass sie im Sinne seiner Anweisung arbeiten, aber nicht in einem Gehorsam, wie er vielleicht beim Militär manchmal erwartet wird. Das heißt also, auch hierüber kann gestritten werden.

Ich habe unseren Studierenden immer gesagt: Ihr müsst verantworten, was ihr tut, und ihr dürft nicht anfangen, es zu verstecken, sondern ihr müsst das auch öffentlich tun. Wenn dann der Bischof sagt: Nein, so nicht! dann beginnt ein Gespräch mit ihm und daraus wird man sehen, wie es weitergeht. Also nicht schwarz-weiß.

Die Regeln für die rund 790.000 Beschäftigten der katholischen Kirche und der Caritas in Deutschland sollen sich grundlegend ändern. Am Montag veröffentlichte die Deutsche Bischofskonferenz den Entwurf für eine neue „Grundordnung des kirchlichen Dienstes“. Demnach soll die private Lebensgestaltung, „insbesondere Beziehungsleben und Intimsphäre“ der Beschäftigten, keinen Anlass mehr für Kündigungen bieten, falls diese nicht im Einklang mit der kirchlichen Lehre stehen. 

DOMRADIO.DE: Glauben Sie, dass Dinge wie die persönliche Lebensführung oder auch Einforderung von Loyalität im kirchlichen Arbeitsrecht in Zukunft eine andere, geringere Rolle spielen als bisher?

Hartmann: Das sieht im Moment so aus. Allerdings frage ich mich schon, ob es überhaupt notwendig ist, in dieser Weise ein neues Arbeitsrecht zu schaffen, ob wir uns nicht in vielen Bereichen mit Dienstvereinbarungen und Compliance-Vereinbarungen besser täten und ansonsten vieles der Rechtsprechung in Europa und in Deutschland überlassen würden. Ich bin mir noch nicht sicher, dass wir damit weiterkommen, weil es doch eine sehr ungleiche Machtverteilung ist.

DOMRADIO.DE: Kann man schon abschätzen, wie lange die Überprüfung des kirchlichen Arbeitsrechts dauert, bis dann irgendwann tatsächlich die neuen Fakten geschaffen sind?

Hartmann: Da kann ich im Moment nichts genaues zu sagen. Es war ja so, dass der erste Entwurf im Ständigen Rat der Bischofskonferenz da war. Ich vermute mal, dass die sich wünschen würden, dass das bei der Herbstvollversammlung der Bischofskonferenz in Fulda Ende September schon spruchreif ist. Aber so, wie ich im Moment die öffentlichen Diskussionen und Stellungnahmen aus Rom, die es von einzelnen Vertretern gibt, sehe, vermute ich, dass man da noch nicht so weit ist.

Das Interview führte Dagmar Peters.

Religion

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August 18, 2022 at 07:24AM