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Am 9. April 1945 wurde Dietrich Bonhoeffer im KZ Flossenbürg hingerichtet. An seinen 80. Todestag erinnern in diesen Tagen Familienmitglieder, Theolog:innen und Kirchenvertreter:innen. Der Streit um den neuen Bonhoeffer-Film, der seit Mitte März auch in Kinos in Deutschland zu sehen ist, war hier in den #LaTdH bereits am 27. Oktober 2024, am 1. Dezember 2024 und am 16. März 2025 Thema. Die Kritik am Film und an der Vereinnahmung Bonhoeffers durch rechte Evangelikale in den USA nahm auch rund um den Jahrestag wieder breiten Raum ein, wie z.B. in diesem Interview von Josefine Janert mit dem Bonhoeffer-Großneffen Tobias Korenke oder in diesem DLF-Interview von Christoph Reimann mit Ruggero Schleicher-Tappeser.
„Warum der Theologe 80 Jahre nach seiner Ermordung noch inspiriert“, erklärte im Interview beim Deutschlandfunk die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Anna-Nicole Heinrich. Sie nahm auch einer internationalen Jugendbegegnung im KZ Flossenbürg teil, bei der auf Einladung der Evangelischen Jugend und der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB) junge Menschen aus Kirchen aus Polen, Schweden, Ungarn und Palästina/Jordanien eine Woche lang zu Bonhoeffer arbeiteten (s. hier & hier auf dem Instagram-Account von Heinrich).
In der Online-Kolumnenserie bei den zeitzeichen (€) habe ich am Freitag darüber geschrieben, wie eine Aneignung des evangelischen Theologen und Widerstandskämpfers ohne Authentizitätsfimmel gelingen kann. Bonhoeffer der Heilige, der Märtyrer, das „unerreichte Vorbild“ (Wolfgang Huber in den zeitzeichen (€)) – ich finde diese Zuschreibungen, schreibe ich in meiner Kolumne, „ein bisschen too much„. Nicht, weil sie nicht stimmen würden, sondern weil ich vermute …
… dass wir, indem wir Bonhoeffer als Helden verehren, auch die politischen Bedingungen, die ihn zu seinem Denken und Handeln zwangen, voreilig historisieren – so als ob uns derartige Bedrängungen nur noch als Zuschauer:innen auf der Leinwand, aber nicht im real life begegnen können.
Im DLF-Interview kommt Anna-Nicole Heinrich auch auf die Unterschiede unserer politischen Situation zu derjenigen zu sprechen, in der Bonhoeffer lebte. Sie ist anders! „Dem Rad in die Speichen fallen“ – das beginnt nicht erst mit dem Widerstand gegen (staatlich verübtes) Unrecht, sondern ist zunächst ein Plädoyer zur Politik. Unter den Bedingungen des demokratischen Rechtsstaates haben wir in der Tat Gerichte zur Rechtsdurchsetzung und die Möglichkeit, durch persönliches Engagement, Wahlen, Willensbekundungen und Positionierungen in Wort und Tat an der Gesetzgebung mitzuwirken.
Darum schauen wir in der „Debatte“ dieser #LaTdH auf den Koalitionsvertrag, den CDU/CSU und SPD „fertig“ verhandelt haben. Kommen die Kirchen und ihre Anliegen in den Regierungsplänen der wahrscheinlich neuen Bundesregierung vor? Wie steht es um die Eigeninteressen der Institution Kirche?
Eine gute Karwoche wünscht
Philipp Greifenstein
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Debatte
Die Koalitionär:innen von CDU, CSU und SPD haben sich in dieser Woche auf einen Koalitionsvertrag für ihre Regierungszeit geeinigt. „Verantwortung für Deutschland“ ist das Papier (PDF) überschrieben. Die CSU hat bereits zugestimmt. In der SPD läuft vom 15. bis 29. April ein Mitgliedervotum, bei dem alle Parteimitglieder über den Koalitionsvertrag abstimmen können. In der CDU stimmt der Bundesausschuss („Kleiner Parteitag“) am 28. April über den Vertrag ab. Als möglicher Termin für die Wahl des Bundeskanzlers steht im Moment der 7. Mai im Raum.
Die sich nun doch ein wenig hinziehende Regierungsbildung hat ganz praktisch schon mal Auswirkungen auf den Evangelischen Kirchentag, der vom 30. April bis 4. Mai in Hannover stattfindet. Die eigentlich für den Samstagmorgen angekündigte Bibelarbeit mit dem CDU-Vorsitzenden und wahrscheinlichen neuen Bundeskanzler, Friedrich Merz, musste abgesagt werden. Am 3. Mai wird in Halle 4 der Messe nun Margot Käßmann über „Mut zum Aufbruch“ sprechen.
Mehr Licht als Schatten: Der Koalitionsvertrag aus kirchlicher Sicht – Steffen Zimmermann (katholisch.de)
Bei katholisch.de ordnet Hauptstadtkorrespondent Steffen Zimmermann die Inhalte des Koalitionsvertrages ein. Positiv hält er fest, dass die Union sich mit ihrer Forderung nach der Abschaffung des Entwicklungshilfeministeriums nicht hat durchsetzen können (wir berichteten hier & hier). Auch einen Beauftragten für Religionsfreiheit der Bundesregierung wird es weiterhin geben. Zimmermann notiert auch, dass Streitthemen der Kirchen, wie „die Ablösung der Staatsleistungen, die Reform des kirchlichen Arbeitsrechts oder die Forderung einer weitgehenden Freigabe von Schwangerschaftsabbrüchen“, im Regierungsprogramm von Union und SPD fehlen.
Entscheidend für den jetzt eingeschlagenen Kurswechsel dürften die weltpolitische Großwetterlage – andere Themen sind zurzeit einfach wichtiger – und der Wiedereintritt der traditionell eher kirchenfreundlichen Union in die Bundesregierung sein.
Und doch gibt es im Koalitionsvertrag natürlich auch Themen, die den Kirchen weniger schmecken dürften. Neben der Ankündigung, dass erst seit gut zwei Jahren geltende und auch von den Kirchen unterstützte Lieferkettengesetz abschwächen zu wollen, dürfte dies vor allem für das große Thema Migration gelten.
Streitthema Migration
Da hat Zimmermann Recht und es verwundert, dass er insgesamt trotzdem „mehr Licht als Schatten“ sehen will, wie übrigens auch die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, die ebenfalls bei katholisch.de ausführlich zitiert wird. Die Koalition hält an den europarechtlich und humanitär zweifelhaften Rückweisungen an den deutschen Grenzen fest, will den Familiennachzug für Menschen mit subsidiärem Schutz (wir berichteten) für zwei Jahre aussetzen, auch nach Syrien und Afghanistan abschieben und „Pull-Faktoren“ abstellen (wird schwer, weil Mythen sich halt nicht einfach in Luft auflösen). Auch die Einbürgerungsregeln, die von der Ampel-Regierung gerade erst ein wenig gelockert wurden, will die Union wieder verschärfen.
Title: Mut zur Zukunft? – Die #LaTdH vom 13. April
URL: https://eulemagazin.de/mut-zur-zukunft-die-latdh-vom-13-april/
Source: REL ::: Die Eule
Source URL: https://eulemagazin.de
Date: April 13, 2025 at 05:30PM
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