Neuer Job und neue Aufgabe / Charles III. ist „Verteidiger des Glaubens“
Worum es geht, weiß er schon lange – aber jetzt ist es seine Aufgabe: Als Oberhaupt der anglikanischen Kirche von England ist er auch „Defender of the Faith“ – Verteidiger des Glaubens.
Um seine Interpretation dieser Aufgabe brach seit 1994 in unregelmäßigen Abständen aus, was neudeutsch als Shitstorm bezeichnet wird. Wie er diese Rolle ausfüllen will und wie sich das auf den Krönungseid auswirkt, wird mit Spannung erwartet.
Titel „Verteidiger des Glaubens“
Der Titel „Verteidiger des Glaubens“ (Defensor fidei) wurde dem englischen König Heinrich VIII. im Oktober 1521 verliehen. Es war ein Dankeschön von Papst Leo X., der erfreut zur Kenntnis genommen hatte, dass Heinrich sowohl den Papst als auch die katholische Glaubenslehre gegen die Anwürfe eines mittlerweile weitberühmten Mönches namens Martin Luther verteidigt hatte.
Nachdem Heinrich VIII. einige Jahre mit der katholischen Kirche gebrochen hatte, wurde ihm der Titel zwar von päpstlicher Seite aberkannt. 1543 jedoch erhielt er ihn wieder, dieses Mal vom englischen Parlament mit der Aufgabe, den anglikanischen Glauben zu schützen. Seit 1714 findet sich auf den Münzen im Königreich die Abkürzung DF oder FID DEF.
Für die Monarchen war in der Folgezeit klar: Die Verteidigung des Glaubens bezog sich auf die anglikanische Church of England, deren weltliches Oberhaupt sie waren. Zu dieser Zeit war das Land mehrheitlich weiß und protestantisch geprägt. Das änderte sich in der Regierungszeit Elizabeths II. Durch Einwanderung kamen Menschen aus vielen Ländern ins Land, die auch vor Ort ihre Religion praktizierten.
Als Prinz Charles 1994 laut darüber nachdachte, dass er die Bezeichnung „Verteidiger des Glaubens“ als „Verteidiger aller Religionen im Königreich“ verstehe und vielleicht sogar die Krönungszeremonie oder den Krönungseid entsprechend ändern lassen würde, wurde er attackiert. Er war – wie in vielen anderen Dingen auch – einfach seiner Zeit voraus.
Freie Ausübung aller Religionen
2012, zu ihrem 60-jährigen Thronjubiläum, hielt Elizabeth II. eine Rede, in der sie genau das zum Ausdruck brachte, was ihr Sohn schon viele Jahre zuvor angedacht hatte. „Die Aufgabe der Church of England ist nicht, den anglikanischen Glauben zum Nachteil der anderen Religionen zu verteidigen.
Nein, stattdessen hat die Church of England die Pflicht, die freie Ausübung aller Religionen im Land zu beschützen. Tatsächlich hat die Kirche eine Umgebung geschaffen, in der andere Glaubensgemeinschaften und Menschen ohne Glauben frei leben können.“
Mit dieser Grundsatzrede verlieh sie den Gedanken ihres Sohnes die königliche Zustimmung und zeigte, dass sie die Veränderungen im Land klar erkannte. Mittlerweile fühlen sich viele Menschen keiner Religion mehr zugehörig.
Charles, der sich selbst als verankert im anglikanischen Glauben sieht, zeigt eine große Offenheit gegenüber anderen Religionen.
Religion und Spiritualität sind wichtige Themen für ihn. In einem BBC-Interview vom Februar 2015 ging der Prinz noch einmal auf die Frage ein, wie er seine Rolle als „Verteidiger des Glaubens“ sehen würde. Er gab zu, damals hätte er seine Ideen eher unklar vermittelt.
Er wolle bei der traditionellen Formulierung bleiben, verstehe sich aber als Beschützer aller Glaubensgemeinschaften – und bezog sich dabei auf besagte Ansprache der Queen.
Kritik an Charles‘ Lebenswandel verstummt
Mittlerweile ist auch die Kritik an Charles‘ Lebenswandel verstummt, die sich in Zusammenhang mit seiner Beziehung zu Camilla Parker-Bowles entzündete. Damals fragte man sich, wie jemand den Glauben verteidigen könne, der nicht nach den moralischen Grundsätzen der Kirche lebte. Doch seit 2005 sind Charles und Camilla verheiratet; das Thema ist vom Tisch.
Mit dem Tod der Queen stellt sich die Frage nach der Interpretation des Ehrentitels „Verteidiger des Glaubens“ neu. Denn das Land hat sich seit Februar 1952, als Elizabeth II. den Thron bestieg, verändert; und das wird sich auch in der Krönung mit dem Amtseid niederschlagen. Um der veränderten Gesellschaft Ausdruck zu geben, sollen auch Vertreter nicht-christlicher Religionen eine Rolle spielen.
Wahrscheinlich werden auch katholische Bischöfe dabei sein. 1937 und 1953 lehnten sie die Einladung zur Krönung noch ab, da damals ein Thronfolger seine royalen Rechte verlor, wenn er eine Katholikin heiratete. Diese Bestimmung ist erst seit einigen Jahren aufgehoben.
Die anglikanische Kirche entstand zur Zeit der Reformation in England. König Heinrich VIII. brach 1533 mit dem Papst, weil dieser sich weigerte, die Ehe des Königs zu annullieren.
Als Oberhaupt einer neuen Staatskirche setzte sich Heinrich VIII. 1534 selbst ein. In Glaubensfragen blieben die Anglikaner zunächst bei der katholischen Lehre; später setzten sich protestantische Einflüsse durch. 1549 erschien das erste anglikanische Glaubensbuch, das „Book of Common Prayer“
Religion
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September 10, 2022 at 07:04AM