Nicht von dieser Welt – Die #LaTdH vom 8. Juni

Herzlich willkommen …

… zur 398. Ausgabe der #LaTdH. „Veni creator spiritus“, „Komm, Schöpfer Geist“ rufen und singen Christ:innen zu Pfingsten. In Kirche, Politik und Kultur geht das Ding mit der Schöpfung nicht ohne Spannung aus: Überwiegt die „Bewahrung der Schöpfung“ für die wir gelegentlich noch den Beistand des Höchsten erflehen? Vor allem dann, wenn es kirchlich, politisch und gesellschaftlich nicht so recht vorangehen will mit Umwelt- und Klimaschutz. Oder steht „das Neue“ im Fokus? Neues entsteht (fast) nie aus dem Nichts. Kann Bewahrung nicht auch ein kreativer, schöpferischer Vorgang sein? Braucht die „Bewahrung der Schöpfung“ nicht mindestens neue, kreative Strategien (auch wenn die seeeehr evangelisch wirken)? Was bedeutet das schöpferische Wirken des Menschen angesichts der göttlichen Verheißung / Drohung „Siehe, ich mache alles neu!“ (Offenbarung 21,5)?

Vielleicht bedeutet das Warten auf den Schöpfergeist Gottes ja zuweilen auch, sich selbst zurückzunehmen, dem Geist zwischen all der menschlichen Bertriebsamkeit überhaupt mal Platz zu machen, sichnicht ganz innerweltlich aufzuhalten. Dafür sind gesetzliche Feiertage herrlich – wunderbar zweckfreie wie der Pfingstmontag ganz besonders. Dank des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU, evangelisch-lutherisch) und NRW-Staatskanzleiminister Nathanael Liminski (CDU, römisch-katholisch) bleibt der Pfingstmontag uns ja zum Glück erhalten! So können wir uns an den Feiertagen fragen, wie wir aus der Wiederholung des Immmergleichen, vor allem natürlich der immergleichen Fehler (und Feiertagsdebatten) aussteigen. Und uns kritisch befragen, ob das, was wir als Neuigkeit oder Neuerung gerade zu Markte tragen, den Aufwand und das Bohei wirklich wert ist.

Klingt zum Freudenfest Pfingsten ein bisschen pessimistisch? Mag sein. Aber Feuer über den Häuptern muss ja nicht zwangsläufig bedeuten, gehyped durch die Gegend zu steppen. Mich erfreut seit Jahr und Tag, wie spektakulär unspektakulär die Geschichte der Apostel:innen nach dem Event des Pfingstwunders, inklusive Massentaufe, weitergeht:

Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet. Es kam aber Furcht über alle, und es geschahen viele Wunder und Zeichen durch die Apostel. Alle aber, die gläubig geworden waren, waren beieinander und hatten alle Dinge gemeinsam. Sie verkauften Güter und Habe und teilten sie aus unter alle, je nachdem es einer nötig hatte. Und sie waren täglich einmütig beieinander im Tempel und brachen das Brot hier und dort in den Häusern, hielten die Mahlzeiten mit Freude und lauterem Herzen und lobten Gott und fanden Wohlwollen beim ganzen Volk. Der Herr aber fügte täglich zur Gemeinde hinzu, die gerettet wurden. (Apostelgeschichte 2, 42-47)

Unspektakulär wie auch unsere Kirchen zuweilen sind: Predigt, Gemeinschaft, Gastfreundschaft, Abendmahl und Abendessen, Beten und Singen. Vielleicht auch noch der gute Rufe von Christ:innen und Kirchen „beim ganzen Volk“, glaubt man der Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung. Spektakulär, was in unseren Kirchen (vermeintlich) ausbleibt: Wunder und Zeichen, Gütergemeinschaft, gottgemachtes Wachstum der Gemeinde. Gibt’s da womöglich einen Zusammenhang?

Frohe Pfingsten wünscht
Philipp Greifenstein

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Debatte

Nach einer untypisch langsamen religionspolitischen und kirchennachrichtlichen Woche nun also Pfingsten, das Fest der neuen Begeisterung. In der Eule enthalten wir uns ja Zeit des Bestehens dieses Magazins der immer wiederkehrenden Erklärungen, was es mit dem Pfingstfest auf sich hat und legen in sturer Beharrlichkeit einen Text wieder auf, den ich 2016 noch für theologiestudierende.de geschrieben habe: Warum Pfingsten nicht der „Geburtstag der Kirche“ ist. 2020 haben wir den aufgehübscht und der lieben Freude wegen im vergangenen Jahr noch einmal. Mit der Geburtstags-Rede ist …

… viel zu häufig nicht die Ermächtigung der vormals Nicht-Gemeinten und das freie Walten des Geistes gemeint. Vielmehr wird suggeriert, dass sich Nachfolge Christi in den bestehenden Formen und Hierarchien der Kirche abzuspielen hat, weil nur dort der Geist zu finden sei, der Jesus und seine Jünger:innen verbunden hat. Pfingsten ist das Fest des Geistes, der weht, wo er will, und das Fest derjenigen, die wir auch heute allzu häufig nicht als Teil der Kirche wahrnehmen.

Trotz all des guten Zuredens hören die Kirchen und ihr medienschaffendes Personal freilich nicht auf, von Pfingsten als Geburtstag der Kirche zu sprechen. Die Floskel gehört zu Pfingsttexten so selbstverständlich dazu wie die Erklärung, dass das griechische Pentekoste auf Deutsch „fünfzigster Tag“ bedeutet – und ja. Hier zur Illustration ein Beispiel der Evangelischen Landeskirche in Württemberg (ELKWUE).

Auf dem evangelischen Portal evangelisch.de finden Besucher:innen heute – getreu dem Slogan „Mehr als Du glaubst“ – gleich vier Erklärungen dessen, was Pfingsten bedeuten soll: Mit Playmobil-Figuren „einfach erklärt“, für Kinder erklärt („Happy Birthday!“), das „Fragen und Antworten“ des epd und ganz vorne drauf eine dahergeplauderte, cringy Episode des „Pfarrer & Nerd“-Podcasts vom Partnerportal indeon (EKHN). Da es sich bei alldem en passant um eine Leistungsschau der evangelischen Publizistik handelt, werde ich mal biblisch: „Meine Augen fließen und können’s nicht lassen, und es ist kein Aufhören da.“ (aus den Klageliedern)

Welchen Sinn hat Pfingsten heute? – Thorsten Dietz (Fokus Theologie)


Title: Nicht von dieser Welt – Die #LaTdH vom 8. Juni
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Source: REL ::: Die Eule
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Date: June 8, 2025 at 06:59PM
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