Philosophieren mit jungen Menschen

Philosophieren mit jungen Menschen

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Junge Menschen haben Fragen, die ihr Leben, ihre Beziehungen zu anderen, ihre Entscheidungen betreffen. Die Philosophie darf nicht missverstanden werden. Sie ist keine Ratgeberin: Sie stellt Fragen und umkreist Antworten, klärt Begriffe und regt die Fantasie an.

Nicht Gedanken, sondern denken lernen[1]

Beim Philosophieren soll Jugendlichen die Möglichkeit gegeben werden, sich im Unterricht selbstdenkend zu betätigen. Idealerweise werden Fragen, die sie selbst aufwerfen, aufgegriffen, um Gespräche und Gedankengänge zu entfalten. Die Grundannahme ist, dass die Philosophie keine Lehre, sondern eine Tätigkeit ist. Die Jugendlichen sollen nicht Gedanken, sondern denken lernen.

Das Ziel ist die Förderung der eigenen Reflexionskompetenz, dazu gehört insbesondere das Einüben logisch argumentativer Fähigkeiten: Sich bewusstwerden, welche Meinung man zu einer bestimmten Frage vertritt und wie diese Meinung begründet werden kann. Ohne Begründung endet das Gespräch in einer Stammtischdiskussion, wo nur Behauptungen aufgestellt werden und die Emotionen hochkochen.

Die Lehrperson hält sich in einem solchen Gespräch mit der eigenen Meinung zurück. Sie sollte nicht das Gefühl haben, den Jugendlichen die richtige Antwort geben zu müssen, was im Übrigen bei philosophischen Fragen gar nicht möglich ist. Sondern sie sollte eine behutsame und zurückhaltende Leitung einnehmen, um allen die Beteiligung am Gespräch zu ermöglichen.

Am Schluss eines solchen Gespräches müssen nicht konsensfähige Resultate stehen. Für Jugendliche ist es wichtig auch mit dem Dissens umgehen zu können, die Meinung des anderen zu respektieren. Darin steckt auch ein Stück weit politische bzw. demokratische Bildung.

Drei Methoden des Philosophierens mit Jugendlichen[2]

Es gibt verschiedene Methoden, um mit Jugendlichen zu philosophieren. Eine wurde bereits erwähnt und ist das Gespräch bzw. die dialektische Methode. «Dialegesthai» aus dem Griechischen übersetzt, bedeutet, sich unterhalten.

Im Gespräch geht es darum, (zu zweit oder mit mehreren Personen) Fragen zu einem bestimmten Sachverhalt zu beantworten. Zum Beispiel: Was macht ein Leben zu einem lebenswerten bzw. glücklichen Leben? Im Gespräch sollen Widersprüche offengelegt werden, die zu einem Prozess reflexiven Nachdenkens führen. Häufig wird keine eindeutige Antwort gefunden. Hier ist der Weg das Ziel, der Prozess, der dabei ausgelöst wird, ist wertvoller als die Resultate.

Eine zweite Methode ist die analytische. Hierbei werden philosophische bzw. abstrakte Begriffe wie schön, gerecht, gut in ihrem Sprachgebrauch untersucht und reflektiert. Was meinen wir, wenn wir einen Menschen als gut bezeichnen, wann ist etwas schön. Die Begriffsanalyse ist schon sehr alt und wurde bereits vom antiken Philosophen Sokrates angewendet. Er stellte seinen Gesprächspartnern in Athen gezielt Fragen, um Begriffe zu definieren. Jugendliche haben unterschiedliche Vorstellungen von Begriffen wie böse oder gerecht. Sie sollen gemeinsam über diese Begriffe nachdenken und zu klären versuchen.

Abstrakte Begriffe kommen aber nicht nur in wissenschaftlichen Texten vor, sondern auch personifiziert in Märchen. Denken wir an den gerechten König oder die gute Fee. Biblische Geschichten eignen sich hierfür ebenfalls. Was ist ein gerechter König aus alttestamentlicher Sicht. Solche Geschichten können helfen, abstrakte Begriffe zu definieren.

Eine letzte Methode, die hier erwähnt werden soll, ist die spekulative. Beim Philosophieren soll nicht nur nachgedacht und argumentiert, sondern auch die Fantasie entwickelt werden.

Das Spiel der Fantasie wird in der Philosophie seit der Antike durch Gedankenexperimente angeregt. Es geht darum, in Gedanken eine Idee durchzuspielen, indem man eine neue (unerwartete) Perspektive einnimmt. Als Beispiel kann man ein bekanntes Gedankenexperiment zum Umgang mit Tieren anfügen: Man stelle sich vor, dass Aliens auf die Erde kommen und uns Menschen wie Tiere behandeln… Wie würden wir darauf reagieren? Wie lassen sich solche Übergriffe seitens der Aliens überhaupt rechtfertigen?

Fazit

Philosophieren mit Jugendlichen ist eine grosse Herausforderung, aber eine, die sich lohnt. Denn selber denken zu lernen, und damit mündige und kritische Büger:innen zu werden, ist nicht nur eine politische, sondern auch eine religiöse Aufgabe. Ganz im Sinne Paulus’: «Prüft alles, das Gute behaltet.» (1 Thess 5,21)


[1] Vgl. Benthaus, B. & Duncker, L.: Philosophieren mit Kindern oder Philosophieunterricht für Kinder? Eine schultheoretische Ortsbestimmung, in: Uhlig, B. & Duncker, L. (Hrsg.), Fragen – Kritik – Perspektiven. Theoretische Grundlagen des Philosophierens mit Kindern. München: kopaed, 2016, S. 13-33.

[2] Vgl. Brüning, B.: Philosophieren mit Kindern. Eine Einführung in Theorie und Praxis. Berlin: LIT Verlag, 2015, S. 39-67.

Religion

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March 15, 2023 at 05:25PM