Psychische Gesundheit von Schüler:innen: Pandemie macht Versäumnisse deutlich

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Auch wenn psychische Gesundheit gesellschaftlich noch häufig ein Tabuthema ist, hat die Corona-Pandemie das Befinden von Schüler:innen ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Welche Auswirkungen hatten Schulschließungen und Kontaktbeschränkungen?



20.04.2023


Bundesweit

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Sascha Schüler


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Politiker:innen und Zivilakteur:innen verwiesen während der Pandemie nicht selten auf die gefährdete psychische Gesundheit von Schüler:innen als Argument für Lockerungen der Corona-Maßnahmen. Die Diskussion war dringlich, Expert:innen schlugen bereits früh in der Pandemie Alarm: Monatelange Schulschließungen, Distanzunterricht und Kontaktbeschränkungen würden sich negativ auf die soziale und psychische Entwicklung von Kindern und Jugendlichen auswirken. Und tatsächlich: Auch wenn viele Maßnahmen zum jeweiligen Zeitpunkt alternativlos schienen, bestätigen Umfragen und Studien diese Befürchtungen inzwischen zunehmend.

So hat beispielsweise eine im vergangenen Sommer von der Universität Wuppertal veröffentlichte Befragung von Eltern, Lehrkräften, Kindern und Leitungen an Grundschulen ergeben, dass Kinder nach zwei Jahren Coronapandemie bei sich selbst ein erhöhtes Aggressionspotenzial wahrnahmen, besonders in der 3. und 4. Klasse deutliche Defizite im sozialen Lernen aufwiesen und auch Ängste und depressive Symptome zugenommen hatten. Die Studie „Kind sein in Zeiten von Corona“ des Deutschen Jugendinstituts attestiert bei 3- bis 17-Jährigen insbesondere aus Familien in prekären Lebenssituationen für die Jahre 2020 und 2021 einen deutlichen Anstieg an Verhaltensproblemen und emotionalen Reaktionen auf die schwierigen äußeren Umstände.

Eine aktuelle Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) hat sich zudem jüngst explizit auf die Auswirkungen der Schulschließungen in Europa fokussiert. Das Ergebnis: In der Zeit, in denen ihnen der Schulbesuch verwehrt blieb, litten Kinder und Jugendliche zu 75 Prozent häufiger unter generellen Depressionssymptomen im Vergleich zu vor der Pandemie – blieben die Schulen geöffnet, waren es „nur“ 27 Prozent. „Pandemiebedingte Restriktionsmaßnahmen und Schulschließungen haben zu einem Anstieg der Depressionssymptome bei Jungen und bei Mädchen in Europa beigetragen“, resümiert Autorin Dr. Helena Ludwig-Walz. Das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen müsse künftig deutlich mehr im Zentrum stehen. Wichtig sei es dabei, „Angebote wie Familienberatung, Schulsozialarbeit und Therapieplätze auch kurzfristig zugänglich zu machen“.

Die beunruhigenden Entwicklungen sind nicht nur auf die Corona-Pandemie zurückzuführen. Vor allem Depressionen oder Burnouts wurden bereits zuvor immer häufiger bei Kindern und Jugendlichen diagnostiziert. Laut dem Report „Endstation Depression – Wenn Schülern alles zu viel wird“ der Kaufmännischen Krankenkasse beispielsweise hatten psychische Erkrankungen bei Schüler:innen schon 2018 im Vergleich zu vorangegangenen Jahren deutlich zugenommen. Hochgerechnet auf die Gesamtbevölkerung waren damals etwa 1,1 Mio. Kinder in Deutschland betroffen. Der vorrangige Grund laut Studie: steigender Leistungsdruck.

Die vergangenen Pandemie-Jahre haben aus Sicht vieler Expert:innen lediglich noch einmal verdeutlicht, dass die psychosoziale Aufklärung wie auch die damit verbundene Betreuung an Schulen längst hätte ausgebaut werden müssen. „Deshalb gilt es nun, das Thema psychische Gesundheit in allen Bildungsangeboten aufzugreifen“, meint beispielsweise Prof. Dr. Sabine Walper, Direktorin des Deutschen Jugendinstituts. Regelmäßige Online-Sprechstunden, wie sie die hessische Schulpsychologie für Schülerinnen und Schüler ab Klasse 5 in diesem Jahr anbietet, können freilich nur ein Anfang sein. So forderten unter anderem das Deutsche Kinderhilfswerk und die Bundesarbeitsgemeinschaft der Leitenden Klinikärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie jüngst eine stärkere Einbettung der Themen „Psychische Gesundheit“ und „Resilienzförderung“ ins Bildungssystem.

Auf politischer Ebene wurden die Missstände derweil registriert: Anfang des Jahres publizierte eine interministerielle Arbeitsgruppe aus Bundesfamilienministerium und ­Gesundheitsministerium den Bericht „Gesundheitliche Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche durch Corona“. Auch darin ist festgehalten, dass neben bereits bestehenden Maßnahmen die Themen Gesundheit und Gesundheitskompetenz stärker im Unterricht thematisiert werden sollten. Zudem empfiehlt die Arbeitsgruppe die „Vernetzung und Zusammenarbeit mit weiteren Akteuren vor Ort“ sowie den Ausbau von Hilfsangeboten. Nicht zuletzt sollten neue wie bestehende Maßnahmen mittels Monitorings kontinuierlich ausgewertet werden. Ein Gremium aus externen Expert:innen solle Bund und Länder auf Basis der Ergebnisse beraten sowie Empfehlungen abgeben.

Diese Punkte gilt es nun, auf politischer Ebene möglichst zeitnah umzusetzen, auch um den Schulen mehr Handlungsspielraum zu geben. Denn klar ist: Unsichere Zukunftsaussichten durch globale Herausforderungen wie den aktuellen Krieg in der Ukraine oder die Klimakrise werden die psychischen Belastungen für Kinder und Jugendliche auch in Zukunft eher zu- als abnehmen lassen.




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April 20, 2023 at 09:05AM