„Redet miteinander!“ / Vatican News sieht Kommunikationsproblem mit Deutschland

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DOMRADIO.DE: Wie ungewöhnlich ist das überhaupt, dass der Vatikan unangekündigt und ohne Absender in so wenigen Zeilen ein nationales Reformprojekt kritisiert?

Stefan von Kempis (Leiter der deutschen Abteilung von Vatican News/Radio Vatikan): Es ist schon ungewöhnlich, das wird ja verschiedentlich hervorgehoben – ich kann mich an keinen direkt vergleichbaren Fall erinnern. Mein Eindruck ist allerdings nicht, dass da, wie verschiedentlich zu hören ist, eine Art anonymes Schreiben verschickt wurde, sondern die Form könnte ja auch bedeuten: Das hier ist nicht nur die Haltung eines bestimmten vatikanischen Büros oder eines bestimmten Kardinals, sondern das ist die Haltung des Heiligen Stuhls generell.

Vielleicht geht man nicht fehl in der Annahme, dass das auch über den Schreibtisch von Papst Franziskus gegangen sein könnte. Ich würde auch nicht unbedingt nur einen negativen Tenor in dieser Erklärung sehen: Sie weist zum einen auf die Grenzen des Synodalen Wegs hin, das ist richtig – aber auch im Vatikan dürfte man wissen, dass dasselbe auch in den Statuten des deutschen kirchlichen Reformprojekts steht. Aber die Erklärung bleibt ja gar nicht stehen bei diesem Hinweis, sondern fügt die Einladung hinzu, die deutschen Anliegen in den weltweiten synodalen Prozess einzuspeisen. Und eine solche Einladung ist doch eigentlich eine positive Sache.

Der Begriff „Synodaler Weg“ verweist auf das griechische Wort Synode. Es bedeutet wörtlich „Weggemeinschaft“; im kirchlichen Sprachgebrauch bezeichnet Synode eine Versammlung von Bischöfen oder von Geistlichen und Laien.

In ihrem Reformdialog auf dem Synodalen Weg wollen die deutschen katholischen Bischöfe und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) über die Zukunft kirchlichen Lebens in Deutschland beraten. Ein Ziel ist, nach dem Missbrauchsskandal verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen.

DOMRADIO.DE: Warum lädt Papst Franziskus nicht direkt die Vertreter des Synodalen Wegs ein – Bischof Georg Bätzing und Irme Stetter-Karp – und bespricht sich mit ihnen?

von Kempis: Das kann ich leider nur schwer beantworten, dafür müsste ich in der Haut von Papst Franziskus stecken. Aber es gibt ja zumindest einen guten Gesprächskontakt zwischen Bischof Bätzing und Papst Franziskus. Der Papst spricht auch immer wieder mal mit Gesprächspartnern aus Deutschland über den Synodalen Weg, zum Beispiel mit Bischof Wilmer von Hildesheim oder mit Politikern, die ihn besuchen. Also, es ist nicht so, als ob der Papst sich nicht aus erster Hand über den Synodalen Weg informieren würde.

Man hört allerdings immer wieder mal von Gesprächspartnern, dass Franziskus sich wundert, dass Anregungen seines Briefs an die deutschen Katholiken von Ende Juni 2019 beim Synodalen Weg nicht stärker beachtet worden sind. Der Papst ist jedenfalls für das direkte Gespräch immer zu haben. Ich glaube nicht, dass er davor zurückscheut. Richtig ist aber auch, dass viele im Vatikan die Sorge umtreibt, dass der Synodale Weg in Deutschland in die falsche Richtung geht.

DOMRADIO.DE: Prallen da vielleicht zwei Mentalitäten aufeinander? Die vatikanisch-italienische, nach der man vielleicht erst einmal auf informellem Weg miteinander spricht, und die deutsche, die auf formale schriftliche Schwarz-auf-Weiß-Zusagen aus ist? 

von Kempis: Ganz sicher, ja! Es gibt diesen starken Mentalitätsunterschied zwischen Deutschen und Italienern – und Italiener sind nun mal an der römischen Kurie besonders zahlreich vertreten. Wir Deutsche treten immer gerne so auf, als ob wir Rezepte für die ganze Welt hätten. Wir haben vielleicht das Weltkirchliche nicht genug im Blick, sondern gehen davon aus, dass die anderen so denken werden wie wir.

DOMRADIO.DE: Der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, ist persönlich nicht so gut im Vatikan vernetzt wie sein Amtsvorgänger Kardinal Marx oder auch der konservative Augsburger Bischof Bertram Meier. Bischof Bätzing hat weder in Rom studiert, noch kann er Italienisch. Spielt das womöglich auch eine Rolle?

von Kempis: Es könnte schon sein, dass das eine Rolle spielt, ja. Andererseits kann man aber Bischof Bätzing sicher nicht absprechen, dass er sich geduldig darum bemüht, Kontakte aufzubauen und die deutschen Positionen immer wieder zu erklären. Keiner weist so oft darauf hin wie er, dass es den Katholiken in Deutschland nicht um einen Sonderweg geht, und dass sie keine Los-von-Rom-Bewegung sind.

DOMRADIO.DE: Wenn Sie den Synodalen als Kommunikationsberater einen Tipp geben sollten, wie sie künftig einen möglichst konstruktiven Umgang mit dem Papst und dem Vatikan gestalten können – was würden Sie raten?

von Kempis: Ich hätte da auch keine Zauberformel. Ich würde einfach sagen: Redet miteinander, sucht kontinuierlich und auch hartnäckig das Gespräch, erklärt, erklärt, erklärt. Und hört auch den anderen und ihren Standpunkten zu. Dieser Punkt, das Zuhören, ist ja etwas, das auch der Papst immer wieder hervorhebt. Darum geht es ja auch im weltweiten synodalen Prozess derzeit. Der Vatikan wünscht ja explizit, dass sich die Deutschen da einbringen. Das ist keine Drohung, das ist eine Einladung.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.

Religion

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July 25, 2022 at 02:33PM