Religionsfreiheit darf kein Menschenrecht zweiter Klasse werden

Das katholische Hilfswerk KIRCHE IN NOT hat einen neuen Bericht zur weltweiten Religionsfreiheit veröffentlicht. Die Lage habe sich in vielen Ländern verschlechtert, – vor allem in Afrika.

Zwei Drittel der Weltbevölkerung leben in Ländern mit ernster oder sehr ernster Verletzung der Religionsfreiheit. Zu diesem Ergebnis kommt der Bericht „Religionsfreiheit weltweit 2023“ von KIRCHE IN NOT, der alle zwei Jahre erscheint und 196 Länder untersucht. „Religionsfaktor ist ein Indikator dafür, wie es um die anderen Menschenrechte im Land bestellt ist“, sagt Geschäftsführer Florian Ripka. Die Religionsfreiheit sieht der Bericht in 61 Ländern (31 Prozent) verletzt. In 36 Ländern würden die Täter selten oder nie durch die Justiz verfolgt.

In 47 der untersuchten Länder habe sich die Situation der Religionsfreiheit verschlechtert. „Darunter in großen Nationen wie Indien, China, Pakistan, aber auch in zahlreichen afrikanischen Ländern. Betroffen sind nicht nur religiöse Minderheiten, sondern auch Mehrheitsreligionen“, erklärt Mark von Riedemann, Direktor für Religionsfreiheit bei KIRCHE IN NOT International. Nur in neun Staaten seien zaghafte Verbesserungen eingetreten, zum Beispiel in Ägypten, Jordanien oder Katar. „Religionsfreiheit darf kein Menschenrecht zweiter Klasse werden“, warnt Ripka.

Die Täter sind laut KIRCHE IN NOT vor allem autoritäre Regierungen (Nordkorea, Iran, Vietnam), aber auch islamistischer Extremismus (weite Teile Afrikas) und ethno-religiöser Nationalismus (Indien, Myanmar). Die internationale Gemeinschaft setze diesen Entwicklungen aus wirtschaftlichen und geostrategischen Interessen zu wenig entgegen. Unterdrückt werden religiöse Minderheiten durch: Terroranschläge, Massenüberwachung, Anti-Konversions-Gesetze, finanzielle Einschränkungen, Angriffe auf kulturelles Erbe, Wahlrechtseinschränkungen und Manipulation von Melderegistern. Zahlen zu religiösen Anhängern werden laut KIRCHE IN NOT als Mittel zum politischen Machterhalt künstlich in die Höhe getrieben. Das geschehe durch: Verschieben von Volkszählungen auf unbestimmte Zeit (Libanon, Indien, Malaysia) oder Erfassen falscher Daten zur Religionszugehörigkeit von Neugeborenen.

Nigeria: Todesfälle um 70 Prozent gestiegen

Besonders Afrika leidet unter der Ausbreitung dschihadistischer Aktivitäten, erklärt von Riedemann. In Nigeria habe sich die Zahl der Todesfälle im Berichtszeitraum um 70 Prozent erhöht. Muslimische Fulani-Milizen haben laut Kirche in Not in der Diözese Makurdi allein 2022 93 Dörfer angegriffen und 325 Menschen getötet. Zwei Millionen überwiegend christliche Bauern befänden sich dort auf der Flucht.

In Nigeria machen Muslime und Christen je rund 46 Prozent der Bevölkerung aus. Die politische Macht liegt aber nach Angaben von KIRCHE IN NOT zu 95 Prozent in muslimischer Hand. Die daraus resultierenden Spannungen würden die demokratische Entwicklung des Landes bremsen. Das habe schwerwiegende Folgen, da Nigeria für die Entwicklung des afrikanischen Kontinents von entscheidender Bedeutung ist. Mit einer Bevölkerung von rund 200 Millionen Menschen (in 20 Jahren voraussichtlich 400 Millionen) sei es ein „wirtschaftliches Kraftzentrum“.

Kirche bleibt auch in kaputten Staaten

Burkina Faso ist laut KIRCHE IN NOT ein weiteres Hauptgebiet dschihadistischer Operationen. Dort seien 2022 3.600 Menschen getötet worden, – zehn am Tag. Dschihadisten kontrollieren 40 Prozent des Landes, sagt von Riedemann. „Wenn der Staat kaputtgeht, verlassen die UNO und die Diplomaten das Land, aber die Kirche bleibt“, erklärt Riedemann. „Sie ist dann die einzige Institution, die noch Schutz bieten kann.“ Kirche in Not hilft zum Beispiel Priestern in Mosambik damit, Flüchtlinge zu beherbergen und mit Essen zu versorgen. In Pakistan unterstützt das Hilfswerk christliche Schulen, an denen Christen und Muslime gemeinsam lernen. Das präge die Zukunft religiöser Minderheiten positiv, ist Riedemann überzeugt.

Der Bericht von KIRCHE IN NOT kritisiert neben gewaltvoller auch die „höfliche Verfolgung“. Den Begriff hat Papst Franziskus eingeführt. Er bezeichnet vorwiegend in westlichen Ländern eingeführte Gesetze, die vor allem das Recht auf Verweigerung aus Gewissensgründen beschneiden und dies als Fortschritt darstellen würden. So würde zum Beispiel Mitarbeiter des Gesundheitswesens mit dem Verlust des Arbeitsplatzes gedroht, wenn sie Behandlungen wie Sterbehilfe und späte Abtreibungen nicht mittragen.

Als positiv wertet der Bericht die wachsende Zahl von Initiativen zum religiösen Dialog und das Erstarken religiöser Feste und Wallfahrten nach der Covid-19-Pandemie. In der Einführung des Berichts weist Regina Lynch, Präsidentin von KIRCHE IN NOT, darauf hin, was jeder Einzelne für die Religionsfreiheit tun kann: Beten, Informieren, Stimme in Gemeinden und sozialen Medien erheben, Politik einschalten und informiert bleiben.

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Date: June 22, 2023 at 04:46PM
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