Santa Lucia. Warum die sizilianische Heilige in Schweden das Licht bringt

Horst Heller
Dieser Beitrag als PDF
Hier geht’s zum neusten Blogbeitrag

In Schweden wird am 13. Dezember der Tag der Sankta Lucia gefeiert. Die Familien freuen sich darauf, und in den Dörfern und Städten finden Umzüge statt. Ein Mädchen ist Lucia. Sie trägt ein langes weißes Kleid mit roter Schärpe und eine Kerzenkrone. Damit führt sie den Zug durch den Ort an. Weitere Mädchen, seit einiger Zeit auch Jungen, folgen ihr, auch sie tragen weiße Gewänder und eine Kerze.

In einem Land, in dem die Winternächte lang sind, kommt einem Lichterfest eine besondere Bedeutung zu. Aber überall sind Menschen angesichts der Kommerzialisierung des Weihnachtsfestes offen für ein warmes Licht in der dunklen Zeit. Von Schweden aus hat die Lucia-Tradition deshalb einen Siegeszug um die Welt angetreten. Nicht nur in Skandinavien, auch in Amerika und zunehmend in Mitteleuropa erfreuen sich die Menschen an den Bildern blonder Mädchen, deren Gesicht vom Kerzenlicht beschienen wird, und feiern das Fest der Sankta Lucia.

Vor einigen Jahren stellte ich bei einer Reise nach Sizilien fest, dass Lucia eine historische Person ist. Sie wurde Ende des dritten Jahrhunderts n. Chr. in Syrakus geboren und starb jung ebenfalls in Syrakus. Sie war die Tochter einer wohlhabenden römischen Familie und wurde Opfer der Christenverfolgung des Kaisers Diokletian.

Die Reliquien der Hl. Lucia waren im Dezember 2014 einige Tage lang zu Gast im Dom von Syracus.

Warum sie als Märtyrerhin sterben musste, ist legendhaft überliefert, aber Legenden haben ja bekanntermaßen einen historischen Kern. Ihr Vater Lucio war früh gestorben. Die Mutter Eutychia drängte deshalb darauf, dass sich die Tochter bald vermählen sollte. Doch Lucia war eine Christin und lehnte den von der Mutter ausgewählten nicht-christlichen Ehemann ab. Lange konnte sie die Mutter aber nicht umstimmen.

Dann wurde Eutychia krank. Lucia beschloss, zusammen mit ihrer Mutter am Grab der heiligen Agathe im sechzig Kilometer nördlich gelegenen Catania zu beten. Die Mutter wurde gesund und schrieb die Genesung ihrer Pilgerreise zu. Sie ließ sich ebenfalls taufen und erlaubte ihrer Tochter nun, die Verlobung zu lösen. Da wurde der junge Mann zornig. Seine Ehre war verletzt und die Hoffnung auf das Vermögen, dass Lucia in die Ehe einbringen sollte, war dahin. Lucia und ihre Mutter bauten mit dem Geld der Familie eine Sozialstation und kümmerten sich dort um die Pflege der Kranken. Aus Rache denunzierte der junge Mann seine Verlobte beim Präfekten, der sie inhaftierte, denn in diesen Jahren konnte die Zugehörigkeit zur christlichen Gemeinde noch mit der Todesstrafe geahndet werden. An einem 13. Dezember starb sie, noch nicht 30 Jahre alt.

Der Märtyrertod der jungen Frau gilt als historisch gesichert. Die Legende berichtet von Qualen, die ihr zugefügt wurden, die so grausam sind, dass sie hier nicht beschrieben werden können. Dargestellt wird sie mit einem Schwert, das ihr in die Kehle gestoßen wurde.

Das Patronatsfest in Syrakus wird jedes Jahr eine Woche lange begangen. Am Tag vor dem 13. Dezember wird die ihr geweihte Seitenkapelle des Doms von Syrakus geöffnet. Nach einem feierlichen Gottesdienst am nächsten Tag wird sie ihre Statue auf die Piazza del Duomo hinausgetragen. 30 Männer tragen das schwere Podium, auf dem die Heilige mit einer Krone würdevoll steht. Es beginnt eine Festwoche mit Umzügen und Feierlichkeiten, an deren Ende sie in einer letzten Prozession in den Dom zurückgebracht wird.

Unwillkürlich ist man versucht zu glauben, dass es sich bei Santa Lucia (Italien) und Sankta Lucia (Schweden) um zwei verschiedene Frauen handeln müsse. Zu unterschiedlich sind die Gebräuche, zu groß ist die geografische Entfernung. Doch es gibt auffällige Ähnlichkeiten. Beide Frauen tragen eine Krone, die sieben Kerzen erinnern an das siebentägige Fest in Syrakus. Das lange weiße Kleid der schwedischen Lucia steht für die Keuschheit der jungen Frau aus Syrakus, die rote Schärpe für ihr Martyrium.

Wie kommt eine Märtyrer-Tradition von Sizilien nach Schweden und wird dort zum Lichterfest?

Lucia wurde für ihr mit großer Tapferkeit ertragenes Martyrium, aber auch für ihr Engagement zugunsten der Armen und Kranken nicht nur in Syrakus, sondern auch schon früh in ganz Italien verehrt. Die Städte Venedig, Mantua und Toledo (Spanien) machten sie zu ihrer Schutzheiligen. Ihre Reliquien wurden nicht nur in Syrakus, sondern auch in Venedig und seit dem 10. Jahrhundert auch in Metz (Lothringen) verehrt. Von dort aus verbreitete sich die Verehrung der Lucia auch in Mittel- und Nordeuropa. Als der christliche Glaube im 10. Jahrhundert nach Skandinavien kam, wurde ihr Gedenktag auch dort eingeführt.

Eine Heilige, deren Namen vom lateinischen Wort für Licht (lux) hergeleitet ist, war in Nordeuropa als Lichtbringerin hoch willkommen. Ein Zufall der Geschichte begünstigte aber, dass sie anders als andere katholische Heilige ein populärer Teil der religiösen Tradition wurde. Weil am 13. Dezember In Nordeuropa bereits ein Fest gefeiert wurde, dessen Name ähnlich wie Lucia klang, machten es den Menschen in Skandinavien leicht, den Tag der Sankta Lucia in ihren Festkalender aufzunehmen.

Der 13. Dezember galt in ganz Europa nach dem alten julianischen Kalender als Tag der Wintersonnenwende. Es war der kürzeste Tag des Jahres. Im skandinavischen Volksglauben war diese Nacht angstbesetzt. In der langen Dunkelheit, so fürchtete man, könnten Unglücke geschehen. Man glaubte, ein weiblicher Troll sei in dieser längsten Nacht des Jahres unterwegs. Der Name dieses Wesens war Lussi, auch sie war eine Königin. Sie jagte den Menschen zwar Angst ein, aber sie brachte auch das Licht zurück. Die Nächste wurden nun wieder kürzer.

Jahrhundertelang existierten die vorchristliche und die christliche Tradition nebeneinander, bis sie schließlich ihre typisch schwedische Gestalt bekam. Dass schwedische Mädchen am Fest der Heiligen Lucia aber eine Kerzenkrone tragen, ist erst seit etwa 100 Jahren nachweisbar.

Dazu singen die Menschen ein Lied, dessen Melodie weder in Schweden noch in Sizilien komponiert wurde. Santa Lucia entstand in den 1850er Jahren in Neapel. Sein italienischer Text besingt auch nicht die Heilige aus Syrakus, sondern das Stadtviertel am Hafen von Neapel, das nach ihr benannt ist. Den schwedischen Text dichtete Arvid Rosén im Jahr 1928.

Blogbeiträge auf http://www.horstheller.de
26.09.2021: “Warum dienst du nicht dem Herrn?” Als Franziskus von Assisi merkte, dass der mächtige Papst nur ein Knecht war.
26.06.2022: Ohne die katholische Kirche wäre Rom heute eine unbedeutende Kleinstadt, behauptete einst mein Lateinlehrer. Warum er Unrecht hatte
26.06.2022: Ohne die katholische Kirche wäre Rom heute eine unbedeutende Kleinstadt, behauptete einst mein Lateinlehrer. Warum er Unrecht hatte
28.08.2024: „Dürft ihr Evangelischen ohne Trauschein mit einem Mädchen zusammenleben?“ Als Johann Wolfgang von Goethe in Perugia mit einem katholischen Offizier über die evangelische Freiheit sprach


Title: Santa Lucia. Warum die sizilianische Heilige in Schweden das Licht bringt
URL: https://horstheller.wordpress.com/2024/12/12/santa-lucia-in-schweden/
Source: Horst Heller
Source URL: https://horstheller.wordpress.com
Date: December 12, 2024 at 05:58AM
Feedly Board(s): Religion