Schockwellen in der größten Protestanten-Kirche der USA / Vertuschung von Missbrauch bei den Southern Baptists

Schockwellen in der größten Protestanten-Kirche der USA / Vertuschung von Missbrauch bei den Southern Baptists

https://ift.tt/5hof7GN


Russell Moore sieht seine schlimmsten Befürchtungen in dem knapp 300 Seiten starken Report der unabhängigen Gutachter von „Guidepost Solution“ bestätigt. Diese prüften über sieben Monate den Schriftverkehr der Führung des Exekutivkomitees der Southern Baptist Convention (SBC). Und förderten als zentrale Erkenntnis zutage, dass die Dachorganisation des Netzwerks aus 47.000 Mitgliedskirchen in den USA offenbar Missbrauch durch Pastoren und geistliche Führer der SBC geduldet hat.

„Die Tiefe und Bösartigkeit und Unmenschlichkeit in diesem Bericht lassen einem den Atem stocken“, kommentiert Moore. Der Umgang mit Missbrauchsvorwürfen in seiner Kirche hatte den langjährigen Vorsitzenden der Ethikkommission 2021 dazu bewegt, sein Amt niederzulegen. „Der Report zeigt ein Muster an Mauern, Vertuschen, Einschüchterung und Vergeltung“, fasst er den Tenor der Untersuchung zusammen.

Beispielloser Zugang zu internen Dokumenten

Diese war bei der jüngsten SBC-Vollversammlung von der Mehrheit der 15.000 Delegierten in Auftrag gegeben worden. Die 86 Mitglieder des Exekutivkomitees hoben nach hitziger Diskussion die anwaltliche Schweigepflicht für die Untersuchung auf. Dadurch erhielten die Gutachter von „Guidepost“ bislang beispiellosen Zugang zu internen Dokumenten.

Brisant ist sicher der Befund, dass leitende Kirchenmitglieder über Jahre hinweg Listen mit verdächtigen Pastoren führten, während sie öffentlich beteuerten, so etwas sei in einer dezentral aufgebauten Kirche wie den Southern Baptists nicht möglich. Darauf stehen 703 Personen, denen Vergehen von sexuellem Kindesmissbrauch bis zu Übergriffen auf erwachsene Frauen und Vergewaltigung vorgeworfen werden.

Unter den Beschuldigten findet sich auch der frühere Präsident der 13 Millionen Mitglieder zählenden Kirche, Johnny Hunt. Eine Betroffene sagte, Hunt habe sie nach Ende seiner Amtszeit (2008-2010) angegriffen. Er habe sie von einer Anzeige abgebracht, weil dies der Kirche schaden würde. Vier Zeugen bestätigten den Gutachtern diese Darstellung.

Bericht: Überlebende ignoriert oder verteufelt

Trotz der Debatten um Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche der USA hatten sich die Baptisten zunächst geweigert, Vorwürfen sexualisierter Gewalt gegen Kinder und erwachsene Frauen nachzugehen.

„Während Geschichten über Missbrauch kleingeredet und Überlebende ignoriert oder verteufelt wurden, kam in den vergangenen Jahren zutage, dass SBC-Führer beschuldigte Missbrauchstäter geschützt oder unterstützt haben“, heißt es in dem Bericht.

Baptisten sind evangelische Christen. Auch für Baptisten ist die Bibel das Wort Gottes. Aber es gibt Unterschiede zur katholischen und zur evangelischen Kirche.

Das ist typisch für Baptisten: Baptisten taufen keine Kinder.

Wer in die Gemeinschaft der Baptisten aufgenommen werden möchte, muss sich selbst für den Glauben an Jesus Christus entscheiden können, und kann sich dann taufen lassen.

Jennifer Lyell wurden nach eigenen Worten in einer Führungsrolle der SBC ebenfalls Opfer sexueller Übergriffe. Sie sagt, sie habe gewusst, wie „verdorben“ die Führung war. Aber dies im Detail ausgeführt zu sehen, sei „erstaunlich und erschütternd“. Diese Kirche sorge sich vor allem um Macht. „Sie reflektiert in keiner Weise den Jesus, den ich aus der Heiligen Schrift kenne“, sagt Lyell heute.

Hochrangige Vertuscher

Die „Guidepost“-Gutachter nennen in dem Bericht drei ehemalige Präsidenten der SBC, einen ehemaligen Vizepräsidenten und Verwaltungschef, die daran beteiligt gewesen seien, Vorwürfe zu vertuschen. Für ein weiteres Opfer, Tiffany Thigpen, dokumentiert der Bericht, wie die Kirchenführer über Jahre „blind Kurs gehalten haben“. Experten vergleichen die Sprengkraft des Berichts derweil mit jenem über das John Jay College, der 2004 jahrzehntelangen Missbrauch durch den katholischen Klerus und dessen Vertuschung offengelegt hatte – aus derselben Sorge heraus, dass hohe Entschädigungsforderungen auf die Kirche zukommen könnten.

Der frühere SBC-Präsident Ronnie Floyd, der zu den geistlichen Beratern von Ex-US-Präsident Donald Trump gehörte, tat die Sorge über Missbrauch in der Kirche mit den Worten ab: „Unsere Priorität kann nicht die jüngste kulturelle Krise sein.“ Mit der Vorlage des Berichts wird das Thema nun die bevorstehende SBC-Vollversammlung im kalifornischen Anaheim bestimmen.

Zur Sprache kommen werden dort auch die Empfehlungen der Gutachter: Unterstützung auch in Form eines Fonds für Betroffene. „Wir müssen bereit sein, ernsthafte Schritte zu unternehmen, unsere Kultur zu verändern, wenn es um Missbrauch geht“, betont SBC-Präsident Ed Litton. Es scheint, als hätten die Southern Baptists noch viel zu tun.

 

Religion

via DOMRADIO.DE – Der gute Draht nach oben https://ift.tt/71G6MHi

May 24, 2022 at 06:40PM