Schulbarometer: Schüler mögen ihre Lehrkräfte (meistens) – und beklagen Unterrichtsstörungen

STUTTGART. Dass die Schulzeit nicht immer unbeschwert ist, weiß jeder, der mal eine Schule besucht hat. Einer neuen Umfrage zufolge leidet aber ein Teil der Kinder regelrecht darunter. Vor allem der Leistungsdruck macht ihnen zu schaffen. Andererseits: Lehrkräfte werden als weit überwiegend freundlich wahrgenommen. Kritikpunkte: Unterrichtsstörungen und unzureichendes individuelles Feedback.

Schülerinnen und Schüler weisen weit überwiegend – immerhin – ein mittleres schulisches Wohlbefinden auf. (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Kriege, Klimakrise und Leistungsdruck in der Schule: Das macht Schülerinnen und Schülern in Deutschland einer neuen Umfrage zufolge oft Sorge. Wie aus dem in Stuttgart vorgestellten Deutschen Schulbarometer der Robert Bosch Stiftung hervorgeht, sorgte sich mehr als jeder dritte Befragte (39 Prozent) in letzter Zeit oft oder sehr oft über die Kriege in der Welt, etwa in der Ukraine, Syrien oder Israel und Gaza.

An zweiter Stelle rangierte bei den befragten Schülerinnen und Schülern der Leistungsdruck in der Schule. Ein Viertel der Befragten machte sich demnach in letzter Zeit Sorgen, in der Schule keine guten Leistungen zu erbringen. Besonders betroffen waren den Autoren zufolge Mädchen zwischen 14 und 17 Jahren. Ebenfalls ein Viertel der Befragten gab an, sich oft oder sehr oft Gedanken darüber zu machen, dass Klima und Umwelt von Menschen kaputt gemacht werden.

Die Sorgen der Schülerinnen und Schüler haben Auswirkungen auf deren Wohlbefinden. Der Studie zufolge bewertet mehr als jeder vierte Befragte seine eigene Lebensqualität als niedrig. Ein Fünftel der Befragten bezeichnete sich selbst als psychisch belastet – in Familien mit einem niedrigen Einkommen trifft das laut Umfrage sogar auf jeden dritten Befragten zu.

Weitere Ergebnisse:

  • 20 Prozent der Schüler:innen geben ein geringes schulisches Wohlbefinden, weitere 71 Prozent ein mittleres und nur 8 Prozent ein hohes schulisches Wohlbefinden an. Insbesondere Mädchen sowie Jugendliche im Alter von 16 bis 17 Jahren weisen ein geringeres schulisches Wohlbefinden auf. Hervorzuheben sind zudem Kinder und Jugendliche aus Familien mit niedrigem Einkommen, die überdurchschnittlich oft ein geringeres schulisches Wohlbefinden angeben (30 Prozent). Auch spielt die psychische Gesundheit eine große Rolle: Mit 58 Prozent gibt mehr als die Hälfte der Kinder und Jugendlichen mit psychischen Auffälligkeiten ein geringes schulisches Wohlbefinden an. Im Gegensatz dazu haben nur 14 Prozent der psychisch unauffälligen Kinder und Jugendlichen ein geringes schulisches Wohlbefinden.
  • Danach gefragt, was den Schüler:innen an ihrer Schule besonders gut gefällt, nennen sie vor allem soziale Beziehungen. An erster Stelle wird das Treffen von Freund:innen und Mitschüler:innen (25 Prozent) und darauffolgend die Beziehung zu den Lehrkräften und deren Umgang mit den Schüler:innen (17 Prozent) erwähnt. An dritter Stelle geben 13 Prozent an, dass ihnen an der Schule besonders die Pausen und das Spielen gefallen. Jede:r zehnte Befragte zählt Arbeitsgemeinschaften (AGs) und besondere Angebote und Aktivitäten innerhalb der Schule (10 Prozent) auf. Umgekehrt gefragt, was ihnen an ihrer Schule nicht gefällt, nennen die Schüler:innen am häufigsten ihre Lehrkräfte (17 Prozent), dicht gefolgt von einem problematischen Umgang mit den Mitschüler:innen (13 Prozent). Etwa jede:r Zehnte (9 Prozent) führt bestimmte Unterrichtsfächer an, die er oder sie nicht mag.
  • Die Ergebnisse zeigen, dass das schulische Wohlbefinden der Schüler:innen am stärksten von der konstruktiven Unterstützung durch die Lehrkräfte abhängt. Schüler:innen, die sich durch ihre Lehrkräfte emotional und kognitiv unterstützt und in ihrem Lernprozess begleitet fühlen, weisen insgesamt ein höheres schulisches Wohlbefinden auf. Die Schüler:innen zeigen hier einen dringenden Handlungsbedarf hinsichtlich der Klassenführung und Unterrichtsqualität auf. Die große Mehrheit der Schüler:innen (83 Prozent) berichtet von häufigen Unterrichtsstörungen und 41 Prozent der Schüler:innen sagen, dass keine oder nur wenige ihrer Lehrkräfte genau nachfragen, was man bereits verstanden hat und was noch nicht.
  • Mangelndes individuelles und ermutigendes Feedback vermisst über ein Drittel der Schüler:innen: So melden aus Sicht der befragten Kinder und Jugendlichen keine oder wenige Lehrkräfte ihnen zurück, was sie schon können und was sie noch lernen müssen (37 Prozent). Über ein Viertel der 8- bis 17-Jährigen (28 Prozent) kritisiert, dass keine oder wenige Lehrkräfte ihnen sagen, wie sie es besser machen können, wenn sie einen Fehler gemacht haben und dass keine oder wenige Lehrkräfte ihnen bei schwierigen Aufgaben Mut zusprechen (37 Prozent). Mehr als ein Drittel der Schüler:innen (38 Prozent) äußert zudem, dass keine oder wenige Lehrkräfte Aufgaben stellen, über die sie gerne nachdenken. Allerdings sagen auch drei Viertel der Schüler:innen (75 Prozent), dass die meisten beziehungsweise alle Lehrkräfte freundlich zu ihnen sind und dass sich die Mitschüler:innen gegenseitig helfen (71 Prozent).
  • Regelmäßige Klassenleitungsstunden bieten den Kindern und Jugendlichen einen festen Rahmen, in dem sie schulbezogene Probleme besprechen und soziale Unterstützung durch Mitschüler:innen und die Klassenlehrkraft erhalten. Die Ergebnisse zeigen, dass das schulische Wohlbefinden der Kinder und Jugendlichen mit dieser Gesprächsmöglichkeit zusammenhängt. Jedoch gibt über ein Drittel der Schüler:innen an, nie (14 Prozent) oder seltener als einmal im Monat (21 Prozent) eine Stunde zu haben, um über Probleme und andere Klassenthemen zu sprechen.
  • Diese niedrigschwellige Möglichkeit des Austauschs zwischen Klasse und Klassenlehrkraft beziehungsweise zwischen den Schüler:innen nimmt mit steigendem Alter der Schüler:innen ab. So gibt die Hälfte der 16- bis 17-Jährigen (51 Prozent) an, nie oder seltener als einmal im Monat eine Stunde zu haben, um Probleme oder andere Thematiken im Klassenverbund zu besprechen. Schüler:innen an Gymnasien (41 Prozent) geben häufiger an, nie oder seltener als einmal im Monat eine solche Austauschmöglichkeit zu haben als Schüler:innen an Grundschulen oder an anderen weiterführenden Schulen (beide 30 Prozent).
  • Fast die Hälfte der Kinder und Jugendlichen (42 Prozent) gibt an, dass an ihrer Schule pro Woche 1 bis 2 Stunden Unterricht ausfällt. Jede:r Fünfte von ihnen (22 Prozent) beklagt durchschnittlich 3 bis 4 Stunden Unterrichtsausfall pro Woche. Genauso viele sagen aber auch, dass an ihrer Schule gar kein Unterricht ausfällt (23 Prozent) – insbesondere in Bayern scheint weniger Unterricht auszufallen (kein Unterrichtsausfall: 34 Prozent). Vor allem an Grundschulen fällt vergleichsweise wenig Unterricht aus, während Schüler:innen von weiterführenden Schulen  öfter angeben, dass 3 oder mehr Stunden pro Woche ausfallen.

Studienautoren sind alarmiert

«Es muss uns alarmieren, wenn ein Viertel der Schülerinnen und Schüler die Schule als druckvoll erlebt, die eigene Lebensqualität niedrig bewertet und angibt, unterschiedlichen existenziellen Ängsten ausgesetzt zu sein», sagte Dagmar Wolf von der Robert Bosch Stiftung. Zwar habe sich die Lebensqualität seit der Corona-Pandemie ständig verbessert, sie liege aber weiter unter dem Niveau von vor der Pandemie und habe sich weniger schnell verbessert als in anderen Ländern.

Es brauche mehr Forschung, wie sich Druck und Ängste in den Schulen auf die Kinder und Jugendlichen auswirkten, sagte Wolf. Die meisten seien täglich acht Stunden in der Schule. «Das ist vergleichbar mit dem Arbeitsplatz von Erwachsenen, dessen Bedeutung für die Gesundheit regelmäßig untersucht wird. Für die Situation der jungen Menschen in unserer Gesellschaft klafft hier allerdings eine große Forschungslücke, die wir unbedingt schließen müssen.»

Mit dem Deutschen Schulbarometer lässt die Robert Bosch Stiftung seit 2019 regelmäßig repräsentative Befragungen zur aktuellen Situation der Schulen in Deutschland durchführen. Für die aktuelle Ausgabe wurden zwischen dem 26. April und 20. Mai 2024 insgesamt 1.530 Schülerinnen und Schüler zwischen acht und 17 Jahren sowie jeweils ein Elternteil vom Meinungsforschungsinstitut Forsa befragt. News4teachers / mit Material der dpa

Hier lässt sich die vollständige Studie herunterladen.

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Date: November 20, 2024 at 03:46PM
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