Schulschließungen unnötig? Lauterbach erntet Shitstorm – und greift nun die Kultusminister wegen fehlendem Schutz an

Schulschließungen unnötig? Lauterbach erntet Shitstorm – und greift nun die Kultusminister wegen fehlendem Schutz an

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BERLIN. Der Bundesgesundheitsminister steht massiv in der Kritik. Seiner Behauptung, im Nachhinein habe sich die Annahme, dass es in Schulen und Kitas zu vielen Corona-Infektionen komme, «nicht in dieser Form als richtig erwiesen», wird von Tausenden Menschen im Netz widersprochen – er selbst schob gestern einen bemerkenswerten Post nach. «Mit Wechselunterricht, Luftfiltern, Pool-PCR-Tests war mehr Schule möglich», so schrieb Lauterbach am Nachmittag auf Twitter. Damit geht er nun die Kultusminister frontal an.

Hat eine Debatte um den Sinn der Schulschließungen in der Pandemie losgetreten: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Foto: Shutterstock / Juergen Nowak

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hatte die lange Schließung von Schulen und Kitas während der Corona-Pandemie als einen Fehler bezeichnet (News4teachers berichtete). Unternehmen seien relativ geschont worden, so sagte der SPD-Politiker am Montagmorgen im ARD-«Morgenmagazin». «Wir sind aber bei den Schulen und bei den Kindern sehr hart eingestiegen.» Das könne durchaus kritisiert werden, befand Lauterbach – und machte «Wissenschaftler» verantwortlich. Die «Bild» nahm daraufhin ihre Hetz-Kampagne gegen Deutschlands renommiertesten Virologen, Prof. Christian Drosten – den sie für die Schulschließungen verantwortlich macht –, wieder auf. Sie titelte: «Lauterbach stellt Drosten an den Corona-Pranger».

Die Forderung nach Wechselunterricht, Luftfiltern und PoolPCR-Tests haben #BildungAberSicher #SichereBildung bereits im 1. Lockdown in 2020 gefordert. Nichts ist passiert. Nicht mal die Minimalanforderung Luftfilter wurde umgesetzt. Weder in Kitas noch in Schulen.

— Steffim (@Steffi_Masch) January 31, 2023

Diesen Eindruck wollte Lauterbach offenbar so nicht stehen lassen. «Um es klar zu sagen: Drosten und ich haben damals in der Schulfrage die gleiche Position vertreten, die gleichen Studien gelesen und die gleichen Leute beraten. Trotzdem muss man Manöverkritik zulassen.» Manöverkritik? Zu Beginn der Pandemie sei noch zu wenig über die Übertragung des Virus bekannt gewesen, so hatte Lauterbach erklärt. Man habe es damals einfach nicht besser gewusst, häufig sei der Wissensstand nicht gut genug gewesen. Im Nachhinein habe sich allerdings die Annahme, dass es in Schulen und Kitas zu vielen Infektionen komme, «nicht in dieser Form als richtig erwiesen».

Die Wahrheit ist: Die Annahme hat sich sehr wohl als richtig erwiesen. Bei offenen Schulen praktisch ohne Infektionsschutz schossen die Inzidenzen bei den Schülerinnen und Schülern auf Rekordhöhen – vor genau einem Jahr, am 31. Januar 2022, lag der Wert bei Fünf- bis 14-Jährigen zum Beispiel in Bayern landesweit bei 3.700. Am 22. Februar erreichte die Altersgruppe im Landkreis Fürstenfeldbruck eine monströse Inzidenz von über 11.000 – kein Einzelfall. «Wir haben eindeutig den Befund, dass die Übertragungen im Moment aus dem Schulbetrieb gespeist werden», erklärte Drosten seinerzeit.

„Ich korrigiere mal: Schulschließungen sind falsch, wenn die S3-Leitlinie beachtet wird. Wird sie bis heute aber nicht.“

Entsprechend fielen jetzt die Reaktionen auf Lauterbachs Aussagen aus – über 3.500 Kommentare erntete er dafür allein auf Twitter. «Können Sie grad die Studie verlinken die zum Ergebnis kam, dass man Schulen und Kitas nicht hätte schließen müssen?», so schrieb ein Nutzer mit beißender Ironie. «Also in der Studie hier steht‘s schon mal nicht. » Er verlinkte dabei auf mehrere Studien aus Großbritannien und den USA, die zum Ergebnis kommen, dass offene Schulen das Infektionsgeschehen deutlich verschärfen. («Komisch, in der auch nicht.») Ein Vater schrieb wütend: «Wir Eltern fühlen uns echt veräppelt. Jeder Kackstrudel hat doch gesehen, dass die Ausbrüche in Schulen bei jeder Öffnung die Infektionszahlen haben steigen lassen. Für wie dämlich hält man uns eigentlich?»

Ein Lehrer postete: «Da fehlt was. Ich korrigiere mal: Schulschließungen sind falsch, wenn die S3-Leitlinie beachtet wird. Wird sie bis heute aber nicht. Deswegen grade wieder immer mehr Klassen Anwesenheitsquote von 60 Prozent und weniger. Präsenzpflicht muss auch diskutiert werden.» Hintergrund: Die S3-Leitlinie, die von 27 Fachgesellschaften unter Mitwirkung des Robert-Koch-Instituts entwickelt worden war, sieht bei sehr hohem Infektionsgeschehen unter anderem Wechselunterricht vor. Sie wurde von keinem der 16 Kultusminister beachtet. Eine Mutter fragte: «Es war also nicht richtig, unsere Kinder zumindest über einen kurzen Zeitraum vor der Infektion zu schützen? In was für einem Paralleluniversum sind Sie bloß gelandet, Herr Professor Lauterbach?»

Auch dem Eindruck, in der Querdenker-Szene gelandet zu sein, wollte Lauterbach offenbar widersprechen – und schrieb in seinem erneuten Post: «Mit Wechselunterricht, Luftfiltern, Pool-PCR-Tests war mehr Schule möglich.» Das geht klar an die Adresse der Kultusminister, die diese Schutzmaßnahmen weitgehend ausgeschlossen hatten.

Die Überlebenden kommen jetzt auch empört zu dem Schluss, dass die Pandemie für sie ja gar nicht so tödlich gewesen sei.
Pandemien ziehen eine Schneise der Verblödung nach sich. Auch darauf sollte man sich für die nächste Pandemie vorbereiten. https://t.co/s4cKlT6v3k

— Dr. Robert (@Robert83563198) January 31, 2023

Dieser Post erntete wiederum über 1.000 Reaktionen auf Twitter. Wie diese: «Dafür hätte es erstmal Luftfilter in den Schulen gebraucht. Lieber hat man monatelang deren Wirkung angezweifelt (sie in öffentlichen Gebäuden aber dennoch in Windeseile aufgestellt).» «Welche Luftfilter? Welche Pool-PCRs? Bin Lehrerin und habe drei Kinder in Kita und Schule. Sowas gab es nirgendwo!» «Es gibt noch immer keinerlei Infektionsschutz in Schulen, Herr Lauterbach. Wäre es nicht zielführender, den Blick nach vorne zu richten und in Schulen und Kitas unverzüglich entsprechende Standards zu etablieren? So könnte eine Wiederholung der bisherigen Fehler vermieden werden.»

Ein Schulleiter postete: «Wechselunterricht wollte ich schon nach Ostern 2020 wieder einführen, weil ich zumindest Abstand einhalten wollte. Es wurde mir per Dienstanweisung verboten. Luftfilter sind nie angeschafft worden.» News4teachers

Die seltsame Wandlung des Prof. Lauterbach: Vom „Team Wissenschaft“ ins Lager der Coronafolgen-Verharmloser

Schule

via News4teachers https://ift.tt/iYNbwOr

February 1, 2023 at 06:40AM