Sturm, Rücktritte & ein Hauch – Die #LaTdH vom 15. Mai

Sturm, Rücktritte & ein Hauch – Die #LaTdH vom 15. Mai

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Jetzt hat er es also wahr gemacht: Der Speyerer Generalvikar Andres Sturm tritt von seinem Amt zurück. Aber nicht nur das, gleichzeitig tritt er auch aus der römisch-katholischen Kirche aus und wird Priester in der Altkatholischen Kirche. Warum? Das erfahren Sie in der „Debatte“. Ebenfalls zurück tritt der Trierer Bischof Stephan Ackermann, nämlich im Herbst von seinem Amt als Missbrauchsbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz (DBK).

An diesem Sonntag haben wir aber auch ganz und gar positive Links: Jugendliche, die sich in der Kirche engagieren und Liebe, die gesegnet wird.

Viel Spaß beim Lesen wünscht
Jacqueline Depta

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Debatte

Diese Woche gab es einen Paukenschlag in der Katholischen Kirche: Andreas Sturm, der Generalvikar des Bistums Speyer, ist zurück getreten. Der 47-Jährige legt aber nicht nur sein Amt nieder, er tritt gleichzeitig auch aus der römisch-katholischen Kirche aus und möchte in Zukunft bei den Altkatholiken tätig sein. Die einen zollen Sturm für sein Handeln vor allem Respekt, andere sind traurig darüber, einen Reformer verloren zu haben.

Nach vier Jahren als Generalvikar im Bistum Speyer tritt Andreas Sturm zurück. In einem Schreiben begründet er sein Handeln so:

„Ich habe im Lauf der Jahre Hoffnung und Zuversicht verloren, dass die römisch-katholische Kirche sich wirklich wandeln kann. Gleichzeitig erlebe ich, wie viel Hoffnung in laufende Prozesse wie zum Beispiel den Synodalen Weg gesetzt wird. Ich bin aber nicht mehr in der Lage, diese Hoffnung auch zu verkünden und ehrlich und aufrichtig mitzutragen, weil ich sie schlichtweg nicht mehr habe.“

Bischof Karl-Heinz Wiesemann hat Sturm ausführlich in einem Schreiben an die Mitarbeitenden des Bistums für seine Arbeit gedankt:

„Andreas Sturm hat viel Positives in unser Bistum eingebracht mit seiner zupackenden und begeisternden Art und seinem leidenschaftlichen Einsatz für eine erneuerte, von Gott berührte und menschennahe Kirche, die alle Menschen in ihrer jeweiligen Lebenssituation ernstnimmt und für sie zum Segen wird.“

Er respektiere die Gründe für den Rücktritt des Generalvikars, teile seine Ansicht aber nicht, so der Bischof weiter. Wiesemann sieht die Kirche „in aller Schwierigkeit und Herausforderung“ auf einem guten Weg. Sturm habe gegenüber dem Bischof persönliche Gründe für seinen Rücktritt angegeben.

Mit der Aussicht, dass der Generalvikar aber auch aus der römisch-katholischen Kirche austritt und in Zukunft als Priester der Altkatholischen Kirche tätig sein will, sind das nach meinem Eindruck keine persönlichen Gründe mehr. Kritik an und wohl auch Enttäuschung von der Kirche könnten nicht größer sein.

Sturm wollte die Kirche reformieren, setzte sich für die Abschaffung des Zölibats ein, segnete homosexuelle Paare und stellte sich damit gegen den Vatikan. In einem SWR-Interview vom Februar diesen Jahres sagte er:

„Wir brauchen wieder den Anschluss an die Welt von heute. Wir brauchen wieder eine Lehre, die mit der Lebenswirklichkeit der Menschen in Einklang ist. Alle Themen – bis auf die Homosexualität – waren schon mal da. Und es ist nichts passiert. Und das könnte ich jetzt nicht ertragen. Ich bin noch nicht an dem Punkt zu sagen: Ich schmeiß das Handtuch. Aber dieser Druck ist nicht einfach zu ertragen.“

Anscheinend hat Andreas Sturm diesen Punkt nun erreicht und hat nun die Konsequenzen gezogen. Als Nachfolger Sturms ernannte der Speyerer Bischof den bisherigen Regens des Priesterseminars in Speyer, Markus Magin.

Nun ist er also weg: Bereits mehrfach angekündigt, hat Sturm jetzt gekündigt. Für Panja Schollbach (@PanjaSchollbach) ist das eine traurige Entwicklung und das obwohl die Journalistin als nicht-praktizierende Protestantin eigentlich nicht viel mit der katholischen Kirche am Hut habe.

Mich berührt der Rücktritt des katholischen Speyerer Generalvikars Sturm zutiefst. Da wirft einer das Handtuch, der der verkrusteten katholischen Kirche ein modernes Gesicht gegeben hat, der Schwule segnete und sich für Frauen einsetzte. Bleibt die Frage: Wenn ein Generalvikar den Glauben an seine Kirche verliert und die Hoffnung auf einen Wandel aufgibt – was bleibt denn dann noch?

Auch der Journalist Dennis Leiffels (@dleiffels) spricht Sturm seinen Respekt für den Rücktritt aus. Er hatte mit ihm im Zuge eines Films über die Missbrauchsvorwürfe in der katholischen Kirche, für deren Aufarbeitung sich Sturm sehr eingesetzt hat, gearbeitet.

Auch Schollbach war von Sturm nach einem eigenen Interview begeistert. Sie habe ihn als jemanden wahrgenommen der sich für Homosexuelle einsetzt, Frauen fördert und kein Blatt vor den Mund nehme.

Eine junge Kollegin, die mein Interview vor der Veröffentlichung gegenlas, brachte mich mit ihrem Kommentar zum Lachen: „Solche Leute gibt’s in der katholischen Kirche? Warum weiß man das nicht?!“

Tja, und jetzt gibt es von solchen Leuten eben einen weniger in der katholischen Kirche. Schollbach resümiert, dass der Abgang von Sturm für die Kirche ein „Riesenverlust“ sei. Und mit dieser Ansicht ist sie sicher nicht die einzige.

Hier bei uns in der Eule kommentiert Philipp Greifenstein (@rockToamna) den Rück-, Aus- und Übertritt von Andreas Sturm. Er weise darauf hin, dass mit der Altkatholischen Kirche eine Alternative für diejenigen Katholik:innen bestünde, die an ihrer Kirche verzweifeln, aber nicht zu den Protestanten wechseln wollen:

Ein Übertritt in die Evangelische Kirche wird nämlich gerade von jungen Reformer:innen häufig emphatisch abgelehnt. Die starke konfessionelle Prägung gerade dieser Personenkreise müsste den katholischen Bischöfen eigentlich sehr zu denken geben.

Darum sei Sturms Entscheidung gerade kein „Nein“ zum Glauben und zur Kirche, sondern:

Die Austrittswellen der vergangenen beiden Jahre erhalten durch die Möglichkeit des Übertritts in eine katholische Kirche, in der so viele Reformforderungen bereits erfüllt sind, neue Schärfe. Denn es geht dabei eben nicht um #OutOfChurch, ein „Nein“ zu Glauben und Kirche, sondern um ein „Ja“ zu einer anderen Kirche.

nachgefasst

Stephan Ackermann legt zur DBK-Herbstvollversammlung in Fulda sein Amt als katholischer Missbrauchsbeauftragter nieder. Zwölf Jahre hat Ackermann als Missbrauchsbeauftragter gewirkt und war zuletzt immer häufiger in die Kritik geraten. So hatte er zum Beispiel den Klarnamen einer Betroffenen gegenüber Mitarbeitenden des Bistums offengelegt. Nun ist der Druck auf ihn anscheinend zu groß geworden.

Es brauche möglichst bald eine neue und breiter aufgestellte Verantwortungsstruktur, damit die katholische Kirche in Deutschland der Vielschichtigkeit der Thematik des sexuellen Missbrauchs und der Dimension des Aufgabenfeldes künftig noch mehr gerecht werden kann, erklärte Ackermann laut Mitteilung.

Die katholischen Bischöfe kündigten bereits an, dass die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im kirchlichen Zusammenhang breiter aufgestellt werden soll. Das ist nach immer neuen Verfehlungen und Skandalen rund um das Thema auch schleunigst nötig. Währenddessen wurde ein 73-jähriger Priester des Bistums Essen wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt.

Der Betroffenenbeirat der DKB nimmt den Rückzug von Bischof Ackermann mit Respekt entgegen:

Bischof Ackermann hat zu einer Zeit die Bearbeitung dieses Themas über- und angenommen, in der die überwiegende Mehrheit der deutschen Bischöfe meinte, die Missbrauchsthematik sei an sich eine temporäre Erscheinung. Durch seine Aktivitäten, auch gegen Widerstand aus dem Bischofskollegium, wurden im Feld von sexualisierter Gewalt und Missbrauch in der katholischen Kirche einige Maßnahmen und Initiativen auf den Weg gebracht.

Gleichzeitig kritisiert der Betroffenenbeirat in seinem Schreiben aber auch, dass bei wesentlichen Themenfeldern nur Ansätze erkennbar seien. Zum Beispiel fehle eine adäquate Anerkennung des Leids und die transparente Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche, bei der bislang nur Ansätze zu erkennen sind. Lösungen dafür müssten nun dringend gefunden werden.

Buntes

Rund 80 Gottesdienste gab es in dieser Woche in ganz Deutschland, in denen auch homosexuelle Paare gesegnet wurden. Im vergangenen Jahr gab es diese Aktion unter dem Motto „Liebe gewinnt“ zum ersten Mal. Und auch ein Jahr später gibt es noch viel Kritik:

Im März 2021 hatte die Glaubenskongregation erneut erklärt, die Kirche habe keine Vollmacht, gleichgeschlechtliche Beziehungen zu segnen. Praktizierte Homosexualität ist nach der Lehre der katholischen Kirche Sünde. Diese könne nicht gesegnet werden, wohl aber der einzelne Sünder.

Zum ersten Mal segnete dieses Jahr auch ein Bischof mit: Der Essener Weihbischof Ludger Schepers, der zugleich der Beauftragte der deutschen Bischöfe für den Kontakt zur Pastoral queerer Menschen ist, war einer derjenigen, die einen Segnungsgottesdienst anboten.

Bereits im Vorfeld der Aktion hatte Mitorganisatorin Ursula Hahmann im „Himmelklar“-Podcast bei Renardo Schlegelmilch (@RenardoJoachim) gesagt (hier im Text bei katholisch.de):

„Es gibt ganz viele Vorgaben und Regeln, bei denen es total normal ist, sich nicht so richtig daran zu halten. Ich glaube, das ist auch die Chance und die Kraft dieser Kirche, dass sie diese Verschiedenheit aushält, dass sie trotzdem eins bleibt, trotz ihrer Diversität in Ausdrucksformen und obwohl nicht alle perfekte Katholik:innen sind, so wie das aus Rom zentral gesetzt wird.“

Renate Spanning, die sich bei Maria 2.0 engagiert und die Aktion im vergangenen Jahr mitorganisierte, äußert sich hingegen frustriert, denn am Reformbedarf der Lehre habe ich seitdem nichts geändert:

„Da wäre es jetzt eigentlich die logische Konsequenz, zu segnen. Aber wenn es dann darum geht, dieses mündliche Zugeständnis liturgisch einzubetten, findet sich niemand.“

Ein weiteres Beispiel dafür, dass die katholische Kirche immer wieder beteuert, Reformen einleiten zu wollen und sich zu öffnen, es dann aber nicht schafft, den Worten auch Taten folgen zu lassen.

Noch bis Ende Mai kann diese Petition unterschrieben werden: Katholische Jugendliche aus dem Bistum Dresden-Meißen sammeln Unterschriften unter einem offenen Brief an Bischof Timmerevers. Darin fordern sie die Anerkennung des Frauenpriestertums, sowie von Homosexuellen in der Kirche.

Wir wollen keine Kirche, die sich auf die Liebe zum Nächsten beruft und parallel den Mann über die Frau und Heterosexuelle über andere Sexualitäten stellt. Diese Wertevorstellung hat nichts mit der kirchlichen Gemeinschaft zu tun, die wir kennen und lieben gelernt haben.

Die Jugendlichen stellen in ihrem Brief wichtige Fragen, die sich zurzeit viele Katholik:innen stellen. Zum einen: „Würden wir uns jetzt noch einmal aktiv dazu entscheiden, in die katholische Kirche einzutreten?“ Und zum anderen: „Weshalb ist es einer Frau nicht gestattet, die Priesterweihe zu empfangen, wenn eine Repräsentation Jesu einer geistlichen und nicht körperlichen Natur entsprechen sollte?“ Außerdem stellen sie fest:

Die katholische Kirche erklärt im Religionsunterricht und Gottesdienst den Grundsatz der Nächstenliebe als den Wichtigsten für uns Christ*innen. Dennoch unterstützt sie eine Ausgrenzung nicht-heterosexueller Menschen. Ein Widerspruch, den wir nicht verstehen.

Andreas Roth (@ReporterTheol) hat die Jugendlichen für den Mitteldeutschen Rundfunk getroffen (Hier sein Bericht dazu.). Bisher haben rund 400 Menschen den Offenen Brief unterschrieben.

Wegen eines Schwurs von 1632 – die Einwohner schworen alle zehn Jahre die Passion aufzuführen, wenn Gott der Pest ein Ende setzten würde – führen die Bewohner von Oberammergau alle 10 Jahre die Passion Christi auf. An diesem Wochenende war wieder einmal Premiere und Peter Kümmel war für DIE ZEIT (@zeitonline) bei den Proben zum weltgrößten Theaterstück dabei. Er hat auch Christian Stückl getroffen, der die Passionsspiele seit 32 Jahren als Spielleiter führt. Er sei eher nicht religiös, sagt Stückl.

Warum inszeniert er seit 32 Jahren dieses Spiel? Er tut es, so hat man den Eindruck, um Jesus aus den Fängen der Institutionen zu retten, die ihn für sich reklamieren. „Er ist für unsere Sünden gestorben – damit kann kein Mensch mehr etwas anfangen. Die jungen Typen heute fragen: Was wollte dieser Jesus?“

Keiner der 40 HauptdarstellerInnen sei noch ein Kirchgänger, so der Spielleiter weiter. Das liege wohl daran, dass im nahe gelegenen Kloster Ettal einer der spektakulärsten Missbrauchsfälle der katholischen Kirche stattfand. Stöckl selbst war dort Schüler.

Heute modernisiert der Spielleiter die Passionsspiele immer wieder. So trage Judas kein gelbes Gewand mehr und auch Muslime und Frauen über 35 dürften heute mitspielen, früher war das anders. Kümmel gibt einen spannenden Einblick in ein Spektakel, das rund eine halbe Millionen Menschen nach Oberammergau ziehen wird und auf der ganzen Welt bekannt ist.

Katharina Ortega schreibt über die Chancen und Grenzen der Künstlichen Intelligenz und die Rolle, die sie schon heute in unserem Alltag spielt. Dazu nennt sie Beispiele – mit einem Twist! Lesenswert!

Uns umgeben schon jetzt täglich KI-gesteuerte Texte – und es werden mehr: Heute werden Überschriften und Teaser von Pressetexten mittels KI optimiert, morgen werden Sie bereits kurze Meldungen in der Zeitung lesen […], die vollständig von Algorithmen „verfasst“ wurden. Eine Predigt können KIs heute schon in einer Qualität abliefern, die uns völlig unverdächtig erscheinen muss, gerade weil sie sich der von uns Nutzer:innen erlernten Muster und Erwartungshaltungen „bedient“.

Theologie

Während der beiden vergangenen Jahre sind zahlreiche neue theologische und christliche Podcasts entstanden, eine Frucht des social distancing. Frederik Ohlenbusch hat für die Eule drei wissenschaftlich-theologische Podcasts abgehört, die zwischen Wissenschafts- und Glaubenskommunikation pendeln:

Podcasts sind für die Öffentlichkeitsarbeit von Hochschulen und Fakultäten gar nicht ungefährlich. Sie sind schließlich dann erst richtig gut, wenn die Protagonist:innen ein natürliches Gespräch führen und keine vorgeschriebenen Dialog vortragen. Das erfordert ein gewisses Moment an Unkontrollierbarkeit. […] Über das freie und gerne auch kontroverse Sprechen miteinander kommt die persönliche Betroffenheit – das „Was-geht-mich-das-an?“ – theologischer Fragestellungen besser zur Geltung als in eindimensionalen kommunizierenden Medien.

Ein guter Satz

via REL ::: Die Eule

May 22, 2022 at 09:31AM