Theologe: „Stille Zeit“ entspricht nicht biblischen Prinzipien

Theologe: „Stille Zeit“ entspricht nicht biblischen Prinzipien

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Die „Stille Zeit“ sollte nicht Schwerpunkt der persönlichen Beschäftigung mit der Bibel sein, sagt der Theologe Dru Johnson – und wirbt für eine altchristliche Tradition.

Bibellesen – ja, bitte. Aber möglichst nicht allein. Diese These vertritt Dru Johnson, Theologieprofessor am The King’s College in New York, in einem Artikel für das US-amerikanische Nachrichtenportal Christianity Today. Er habe beobachtet, dass seine Studentinnen und Studenten zwar jeden Tag in der Bibel läsen, aber die großen Zusammenhänge nicht verstünden. Aus diesem Grund wünscht sich Johnson, den Fokus mehr auf gemeinschaftliches Bibellesen zu legen. Die „Stille Zeit“ will er nicht abschaffen. Johnson betrachtet sie als wichtigen Teil des persönlichen Glaubenslebens.

Die Praxis der „Stillen Zeit“ kam laut Johnson allerdings erst in den 1870er Jahren auf. Damals verbanden die US-amerikanischen Evangelikalen zwei puritanische Traditionen: das persönliche Gebet und das persönliche Bibellesen. Bei der „Stillen Zeit“ gehe es nicht darum, die Bibel zu studieren. Vielmehr stünde das Empfangen von Gottes Führung für die aktuelle persönliche Situation im Zentrum.

Der Individualismus zieht in die Kirche ein

Das Konzept der „Stillen Zeit“ profitierte laut Johnson vom Erscheinen der Scofield-Studienbibel im Jahr 1909. Diese habe das Vertrauen der Leserinnen und Leser auf die eigene Interpretation der Bibel deutlich verstärkt. „Die Nutzung der Scofield-Bibel […] ermutigte zu einer individualistischen Herangehensweise ans Bibelstudium“, schreibt Johnson. Dabei habe die Aufmerksamkeit dem „veränderten Selbst statt der veränderten Welt“ gegolten.

Johnson hält die Charakterentwicklung für essenziell. Die Isolation und das stille Nachdenken über Bibelverse in der „Stillen Zeit“ entspreche jedoch eher modernistischen Tendenzen statt biblischen Prinzipien. Dort geschehe Persönlichkeitsentwicklung durch Gewohnheiten, Rituale und Unterweisung durch die Gemeinschaft. Der Fokus auf das innere Befinden könne dazu führen, dass gesellschaftliche Gerechtigkeit als vollkommen abhängig von individuellem Verhalten gesehen werde. Die biblischen Autoren würden jedoch Wert auf die gemeinschaftliche Verantwortung legen.

Bibel voller guter Beispiele

Es gelte, das öffentliche und gemeinsame Bibellesen wiederzuentdecken, schreibt Johnson. Die Bibel sei voll von Beispielen: Mose, König Josia, Nehemia und Esra sowie in den Synagogen zur Zeit Jesu. Diese öffentlichen Lesungen beinhalteten laut Johnson auch Erklärungen und gemeinsame Diskussionen. Die frühen Christen hätten sich sonntags versammelt, um die Heilige Schrift „so lange zu lesen, wie es die Zeit erlaubte“, zitiert Johnson Justin den Märtyrer.

Er könne sich gut vorstellen, wie merkwürdig unsere täglichen Andachten den alten Israeliten und antiken Christen und Juden erscheinen würden, schreibt Johnson. „Vielleicht sollten wir ihrem Beispiel folgen, die Bibel ausführlich gemeinsam lesen und die aufkommenden schwierigen Fragen diskutieren, statt nur passiv zuzuhören oder unkritisch auf theologische Kommentare zu vertrauen.“

Link: „Is It Time to Quit ‚Quiet Time‘?“ (Christianity Today; Englisch)

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March 27, 2023 at 03:48PM